08.01.2019 -

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote unterliegen strengen Formvorschriften und sind speziell in den §§ 74 ff. HGB geregelt. Arbeitnehmer können durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes daran gehindert werden, unmittelbar im Anschluss an das Ende des Arbeitsverhältnisses zu einem Wettbewerber zu wechseln. Für die Dauer dieses Verbotes muss der Arbeitgeber dann eine Karenzentschädigung zahlen. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr klargestellt, dass während der Laufzeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes Arbeitnehmer und Arbeitgeber berechtigt sind, von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zurückzutreten, wenn die andere Vertragspartei eine Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt (BAG v. 31.1.2018, 10 AZR 392/17).


Laut BAG-Urteil können Arbeitnehmer und Arbeitgeber von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot innerhalb der Laufzeit zurücktreten, wenn die andere Vertragspartei eine Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt.

Der Fall:

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung. Der Kläger war bei dem beklagten Arbeitgeber als Beauftragter technische Leitung zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 6.747,20 € beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 12. Dezember 2013 lautet auszugsweise:

„IX. Wettbewerbsverbot

Geltungsbereich

a) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für kein Unternehmen tätig zu werden, das mit den Firmen der G-Gruppe in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Arbeitnehmer untersagt, während der Dauer dieses Verbotes ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit dem Arbeitgeber verbundenen Unternehmen.

Karenzentschädigung

a) Für die Dauer des Wettbewerbsverbots verpflichtet sich die Firma, dem Arbeitnehmer monatlich für diese Zeit eine Entschädigung in der Höhe von 50 % der monatlich zuletzt bezogenen durchschnittlichen Bezüge zu zahlen.

b) Die Karenzentschädigung ist am Schluss des jeweiligen Monats fällig.

c) Auf die fällige Entschädigung wird alles angerechnet, was der Arbeitnehmer während der Dauer des Wettbewerbsverbots durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit dieser Verdienst und die Entschädigung zusammengerechnet die bisherigen Bezüge um 10 % übersteigen. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich Arbeitslosenunterstützung erhält.“

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher Kündigung des Klägers zum 31. Januar 2016. Ab dem 1. Februar 2016 bezog er Arbeitslosengeld.

Die Beklagte zahlt an den Kläger trotz Wettbewerbsenthaltung keine Karenzentschädigung zum Ende des ersten Monats. Mit E-Mail vom 1. März 2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Auszahlung der Karenzentschädigung für den Monat Februar auf. Trotz Fristsetzung zahlte der Arbeitgeber weiterhin nicht. Unter dem 8. März 2016 schrieb dann der Kläger an den Arbeitgeber per E-Mail auszugsweise:

„Guten Abend Herr M.,
bezugnehmend auf Ihre E-Mail vom 1. März 2016 sowie das Telefonat mit Herrn B. möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle.“

Der Kläger hat die drei Monate Karenzentschädigung klageweise geltend gemacht. Bei seiner E-Mail habe es sich lediglich um eine Trotzreaktion ohne Rechtsbindungswillen gehandelt. Er habe nie die Absicht gehabt, vom Wettbewerbsverbot zurückzutreten, und auch in der Folgezeit keinen Wettbewerb ausgeübt.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 10.120,80 € brutto für die vollen drei Monate stattgegeben. In der Berufung hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage für den Zeitraum vom 9. März bis zum 30. April 2016 abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt

I. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Die Parteien haben im Arbeitsvertrag formell rechtswirksam ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Das gesetzliche Schriftformerfordernis war eingehalten.

II. Rücktritt möglich?

Bislang noch nicht entschieden war die Frage, ob nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ab Beginn des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ein Rücktritt möglich ist. Denkbar ist auch, dass nur eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB in Betracht kommt. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr klargestellt, dass die Bestimmungen über gesetzliche Rücktrittsrechte der §§ 323 ff. BGB nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf verbindliche nachvertragliche Wettbewerbsverbote anwendbar sind. Diese gesetzlichen Bestimmungen über den Rücktritt sind nicht durch speziellere Vorschriften des HGB ausgeschlossen. Auch die Spezialvorschrift des § 314 BGB steht der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den Rücktritt nicht entgegen.

III. Wirkung erst für die Zeit nach Zugang der Rücktrittserklärung

Das Bundesarbeitsgericht hat weiter klargestellt, dass ein wirksamer Rücktritt vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nur für die Zeit nach Zugang der Rücktrittserklärung Wirkung entfalten kann. Ab diesem Zeitpunkt entfallen die wechselseitigen Rechte und Pflichten. Eine Rückabwicklung kommt nicht in Betracht. Die Unterlassung von Wettbewerb durch den Arbeitnehmer kann nicht rückabgewickelt werden.

Fazit:

Hier hatte der Kläger nach Fälligkeit der Karenzentschädigung mit seiner E-Mail vom 1. März 2016 den Arbeitgeber in Zahlungsverzug gesetzt. Mit seiner weiteren E-Mail ist er dann wirksam vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zurückgetreten. Die Rücktrittserklärung konnte auch formfrei durch E-Mail erfolgen. Seine spätere Einlassung, es habe sich um eine Trotzreaktion gehandelt, ist irrelevant. Die Auslegung seiner Erklärung ergibt deutlich, dass er sich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühlen wollte.

Die Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten unterliegt schon bei der Begründung strengen Formvorschriften. Aber auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses bestehen weiterhin wechselseitige Pflichten. Arbeitgeber sind gut beraten, ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachzukommen, da andernfalls Arbeitnehmer berechtigt sind, vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zurückzutreten mit der weiteren Folge, dass dann unmittelbar die Ausübung von Wettbewerb möglich ist.

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