15.01.2019 -

Viele Arbeitgeber stellen Arbeitnehmern Dienstwagen sowohl zur dienstlichen als auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. In den entsprechenden Dienstwagenrichtlinien oder sonstigen vertraglichen Abreden finden sich dazu auch Widerrufsklauseln. Unter bestimmten Voraussetzungen soll dem Arbeitgeber in Anwendung dieser Widerrufsklauseln das Recht zustehen, den Dienstwagen zurückzuverlangen.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in einer Entscheidung dazu klargestellt, dass pauschale Widerrufsklauseln unwirksam sind (LAG Niedersachsen v. 28.3.2018, 13 Sa 304/17 und 13 Sa 305/17). Widerrufsklauseln unterfallen in vollem Umfange der AGB-Kontrolle. Die Grundsätze des Landesarbeitsgerichts sind bei der Formulierung von Dienstwagenrichtlinien dringend zu beachten.


Das LAG Niedersachsen hat entschieden, dass pauschale Widerrufsklauseln in Dienstwagenrichtlinien unwirksam sind und in vollem Umfange einer AGB-Kontrolle unterfallen. (Copyright Kurhan/stock.adobe) 

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber für die Überwachung von Gas- und Ölborstellen beschäftigt. Als Dienstwagen stellte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen VW Cross-Touran zur Verfügung, der neu etwa 33.000 Euro kostet.

Die wirtschaftliche Bilanz der Beklagten wies für das Geschäftsjahr 2014 einen Verlust in Höhe von ca. 19,5 Mio. Euro und für das Jahr 2015 in Höhe von 16,7 Mio. Euro aus. Die Beklagte traf daraufhin die unternehmerische Entscheidung, künftig Poolfahrzeuge einzusetzen, die nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden können.

Im schriftlichen Arbeitsvertrag war zum Thema Dienstwagen Folgendes zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart worden:

„SID stellt Herrn A. (…) einen Dienstwagen nach Wahl von SID zur Verfügung, der auch privat genutzt werden darf. (…) SID ist berechtigt, die Dienstwagengestellung jederzeit für die Zukunft aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, der Leistung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers, zu widerrufen und die Herausgabe des Dienstwagens zu verlangen, sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist. (…)
Ein Anspruch auf Entschädigung für die entfallende private Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens und ein Zurückbehaltungsrecht für den Fall des Widerrufs bestehen nicht.“

Der Kläger hat nun geltend gemacht, die Regelung über den Widerruf des Dienstwagens sei wegen Intransparenz unwirksam. Er hat daher auf Überlassung eines Dienstwagens und Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 1 % des Listenpreises für jeden Monat der Vorenthaltung eingeklagt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen der Klage stattgegeben.

I. Wirksamkeit eines Widerrufsrechts

Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts ist grundsätzlich möglich. Die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ist dann nach Maßgabe der AGB-Kontrolle, insbesondere nach § 308 Nr. 4 BGB zu prüfen. Voraussetzung ist dabei stets, dass für den Widerruf einer Gegenleistung sachliche Gründe konkret benannt werden. Dies erfordert das Transparenzgebot.

II. Wirtschaftliche Gründe allein nicht ausreichend

Die vereinbarte Widerrufsklausel wird diesem Transparenzgebot nicht gerecht. Die Angabe, dass der Arbeitnehmer „aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ mit dem Entzug der Dienstwagengestellung rechnen muss, „sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist“, ist nach dem Gegenstand und Umfang des hier vereinbarten Änderungsvorbehalts nicht ausreichend.

Wer eine solche Leistungspflicht des Arbeitgebers, nämlich Überlassung eines Dienstwagens, unter einen Widerrufsvorbehalt stellen möchte, muss die Widerrufsgründe näher beschreiben. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Privatnutzungsmöglichkeit des Firmenfahrzeugs sich für den Arbeitnehmer täglich auswirkt, sind hier nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts strenge Anforderungen zu stellen.

Bei der allgemein gehaltenen Klausel bleibt unklar, ob damit etwa eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, bloße Verluste oder aber bereits ein Gewinnrückgang gemeint sind. Nicht jeder Grund, der die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens betrifft, ist ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit. Es ist Arbeitgebern nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts zumutbar, die Widerrufsklauseln zu konkretisieren.

Hinweis für die Praxis:

Es empfiehlt sich daher, wirtschaftliche Gründe im Einzelnen aufzulisten und zu benennen. Liegen dann diese konkret aufgelisteten Gründe im Einzelfall vor, ist der Widerruf aus wirtschaftlichen Gründen möglich.

Fazit:

Die Entscheidung bewegt sich auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Widerrufsklauseln im Arbeitsrecht sind zwar üblich und zulässig. Dennoch sind Arbeitgeber gut beraten, bei der Formulierung von solchen Klauseln besondere Sorgfalt anzuwenden. Allgemein gehaltene Klauseln sind unwirksam und können später nicht mehr geheilt werden. Das Landesarbeitsgericht hat daher im vorliegenden Fall den Arbeitgeber verurteilt, den eingezogenen Dienstwagen wieder zur Verfügung zu stellen und für die Zeit der Vorenthaltung eine Entschädigung in Höhe von 1 % des Listenpreises für jeden Monat zu zahlen.

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