02.04.2019 -

Arbeitgeber dürfen Telearbeit nicht einseitig anordnen und sich dabei auf ihr Weisungsrecht berufen, wenn hierfür keine Grundlage im Arbeitsvertrag enthalten ist. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg klärt damit einen wichtigen Punkt rund um das sehr aktuelle Thema Arbeiten im Homeoffice (Urteil v. 14.11.2018 – 17 Sa 562/18).


Das LAG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht als Grundlage für die „Versetzung in die eigene Wohnung“ heranzuziehen ist. (Copyright: marog-pixvells/stock.adobe.com)

Der Fall:

Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer hatte im Wege der Kündigungsschutzklage eine außerordentliche Kündigung seines Arbeitgebers angegriffen, die dieser auf beharrliche Arbeitsverweigerung stützte.

Der Arbeitgeber war der Auffassung, er könne kraft seines Weisungsrechts den Arbeitnehmer in dessen Wohnung an einem Telearbeitsplatz beschäftigen. Es sei nicht zuzumuten, dass der Betrieb mit hohem Aufwand behindertengerecht umgestaltet werden soll.

Der Arbeitnehmer weigerte sich und war nicht bereit, in seiner Wohnung einen Telearbeitsplatz einzurichten. Hierauf wurde ihm die außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung erklärt. Das zuständige Integrationsamt hatte der Kündigung zuvor zugestimmt.

Die Entscheidung des LAG:

Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam. An sich sei eine beharrliche Arbeitsverweigerung ein wichtiger Grund, der zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Im vorliegenden Fall handele es sich aber nicht um beharrliche Arbeitsverweigerung, weil der Arbeitnehmer die Weisung zur Telearbeit nicht zu befolgen hatte.

Gemäß § 106 S. 1 GewO ist zwar auch der Arbeitsort vom Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich umfasst, wenn dieser nicht arbeitsvertraglich festgelegt ist. Der Arbeitsvertrag des Mitarbeiters enthielt auch keine entsprechende Festlegung. Das Weisungsrecht war allerdings nicht als Grundlage für die „Versetzung in die eigene Wohnung“ heranzuziehen.

Die eigene Wohnung des Arbeitnehmers sei nicht vergleichbar mit einer Betriebsstätte des Arbeitgebers, denn der Mitarbeiter verliere durch die Arbeit im Homeoffice jeglichen persönlichen Kontakt zu seinen Arbeitskollegen. Es sei zudem keine scharfe Trennung mehr zwischen Freizeit und Arbeit möglich. Vielmehr würden die Übergänge durch das Homeoffice fließend. Arbeitnehmervertretungen könnten den Mitarbeiter zu Hause wesentlich schwerer erreichen als auf seinem Arbeitsplatz, wo er jederzeit von Gewerkschaftsvertretern angesprochen werden könnte.

Die Wohnung des Arbeitnehmers sei zudem ein geschützter Raum, in den der Arbeitgeber nicht durch seine Weisung in der Form eingreifen könne, dass Teile von ihr zu einem Arbeitsplatz umgestaltet werden müssten.

Hinweis für die Praxis:

Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. Der Arbeitgeber hatte die Kündigung übereilt ausgesprochen.

Dem jeweiligen Arbeitnehmer sollte in vergleichbaren Fällen zunächst das Homeoffice im einvernehmlichen Wege angeboten werden. Lehnt der Mitarbeiter dies ab, ist als milderes Mittel eine Änderungskündigung in Betracht zu ziehen. Letztere wäre insbesondere anzuraten, wenn dem Arbeitgeber eine leidensgerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes unmöglich oder nicht zumutbar wäre.

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