15.04.2019

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 15.01.2019 – II ZR 392/17 – eine seit langem umstrittene Frage im Aktienrecht geklärt: Wer vertritt die Aktiengesellschaft bei Verträgen mit Gesellschaften, an denen das zukünftige Vorstandsmitglied zu 100 % beteiligt ist?

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, schloss am 18.09.2013 mit der Beklagten, einer GmbH, sowie der N.-GmbH einen Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag über deren Geschäftsanteile an einer d.GmbH ab. Der Kaufpreis bestand aus einem Basiskaufpreis von 200.000,00 € sowie variablen Bestandteilen. Darüber hinaus sollten der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der beklagten GmbH und der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der N.-GmbH, D. und T., eine Führungsposition bei der Klägerin oder einem verbundenen Unternehmen übernehmen. Die AG wurde bei diesem Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag durch einen Bevollmächtigten des Vorstandes vertreten.

Am selben Tag schloss die AG Vorstandsdienstverträge den Herren D. und T. Die Klägerin wurde bei diesen Vorstandsdienstverträgen durch den Aufsichtsratsvorsitzenden vertreten, welcher vorab von dem Aufsichtsrat zum Abschluss der Verträge ermächtigt wurde.

Die Klägerin forderte von der Beklagten den Basiskaufpreis in Höhe von 200.000,00 € zurück. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass der Geschäftsanteilskauf- und Über-tragungsvertrag nichtig sei. Die Klägerin hatte hiermit in allen drei Instanzen Erfolg.

Entscheidung:

Gemäß § 112 S. 1 Aktiengesetz (AktG) vertritt der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft gerichtlich und außergerichtlich gegenüber den Vorstandsmitgliedern. Geklärt ist, dass sich diese Vertretungskompetenz des Aufsichtsrates auf Rechtsgeschäfte mit zukünftigen, gegenwärtigen und ehemaligen Vorstandsmitgliedern bezieht. Unklar und umstritten war, ob diese Vertretungskompetenz auch für Verträge mit Gesellschaften gilt, an denen das Vorstandsmitglied beteiligt ist. Jedenfalls für den Fall einer 100 %igen Beteiligung steht durch das Urteil des BGH vom 15.01.2019 fest, dass sich die Vertretungskompetenz des Aufsichtsrates auch hierauf erstreckt. Die beklagte GmbH war Inhaber der Geschäftsanteile an der d.GmbH. Ihr Alleingesellschafter und Geschäfts-führer sollte Vorstandsmitglied bei der Klägerin oder einem verbundenen Unternehmen werden. Bedingung für die Wirksamkeit des Übertragungsvertrages für die Geschäftsanteile war der Abschluss von Vorstandsdienstverträgen der Klägerin mit den beiden Alleingesellschaftern und geschäftsführenden Gesellschaftern der d.GmbH, der Beklagten sowie der N.-GmbH, den Herren D. und T. Der Übertragungsvertrag sowie der Abschluss der Vorstandsdienstverträge waren miteinander verbunden. Wenn der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft bei Verträgen mit 100 %igen Beteiligungsgesellschaften des zukünftigen Vorstandsmitgliedes vertritt, musste der Aufsichtsrat jedenfalls auch die Aktiengesellschaft bei dem Abschluss des Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrages vertreten. Dies erfolgte in dem konkreten Fall nicht.

Das rechtliche „Problem“ bestand darin, dass nach dem Wortlaut von § 112 S. 1 AktG der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft bei Rechtsgeschäften mit dem „Vorstandsmitglied“ vertritt. Ob sich diese Vertretungsbefugnis auch auf Gesellschaften erstreckt, an denen das Vorstandsmitglied beteiligt ist, war seit langem umstritten. Formal wird der Vertrag mit einer Gesellschaft abgeschlossen und nicht mit dem Vorstandsmitglied persönlich. Das Meinungsbild reicht von einer strengen am Wortlaut orientierten Auslegung, wonach die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates nur für Verträge mit Vorstandsmitgliedern gelte, dagegen nicht für Verträge mit Gesellschaften, an denen das (zukünftige) Vorstandsmitglied beteiligt ist, bis zu einer grundsätzlichen Erstreckung der Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates für Verträge mit Gesellschaften, an denen das Vorstandsmitglied beteiligt ist, unabhängig von der Höhe der Beteiligung. Der BGH vertritt eine vermittelnde Auffassung: Jedenfalls bei Verträgen mit Gesellschaften, an denen das Vorstandsmitglied zu 100 % beteiligt sei, werde die Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten. Die wesentlichen Argumente des BGH sind: Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates soll Interessenskonflikte zwischen dem Vorstand und zukünftigen Vorstandsmitgliedern vermeiden. Die Gefahr einer Interessenskollision bestehe auch, wenn die Aktiengesellschaft einen Vertrag mit einer 100 %igen Gesellschaft des zukünftigen Vorstandsmitgliedes abschließe. Bei einer 100 %igen Beteiligung gehöre die Gesellschaft wirtschaftlich zum Vermögen des zukünftigen Vorstandsmitgliedes. Sie sei „lediglich“ organisatorisch in einer Gesellschaft verselbständigt. Es gebe aber keinen Unterschied zu einem Einzelkaufmann, der ein einzelkaufmännisches Unternehmen betreibe. Bei einem Einzelkaufmann stehe fest, dass die Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten werde, auch wenn sich das Rechtsgeschäft auf den einzelkaufmännischen Betrieb des zukünftigen Vorstandsmitglieds bezieht.

Ausdrücklich offen ließ der BGH, ob diese Auffassung auch bei Gesellschaften gelte, an denen das Vorstandsmitglied neben anderen Gesellschafter beteiligt ist.

Fazit:

Jedenfalls bei 100 %igen Beteiligungsgesellschaften steht fest, dass die Aktiengesell-schaft durch den Aufsichtsrat vertreten wird. Nicht geklärt hat der BGH, wer die Aktiengesellschaft konkret in dem Fall vertreten kann. Der „An“-Kauf sowie die Abtretung von Geschäftsanteilen fällt ohne Zweifel in die Vertretungsbefugnis des Vorstandes. Wird ein solcher Kauf- und Übertragungsvertrag mit der Zusage einer Bestellung zu Vorstandsmitgliedern verbunden, vertritt dagegen die Aktiengesellschaft nach dem Urteil des BGH vom 15.01.2019 der Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat kann die Aktiengesellschaft aber nicht bei dem Kauf- sowie Übertragungsvertrag für die Geschäftsanteile vertreten, da es insoweit bei der ausschließlichen Vertretungsbefugnis des Vorstandes verbleibt. Richtigerweise müsste daher sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft vertreten. Dies ist im Aktienrecht nichts Ungewöhnliches. Bei Anfechtungsklagen gegen die Aktiengesellschaft wird die Aktiengesellschaft gemäß § 246 Abs. 2 S. 2 AktG ebenfalls durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Die Praxis wird sich hierauf einzustellen haben.

Aufgrund der Bedeutung von Unternehmenskaufverträgen kann insgesamt nur geraten werden, dass der Vorstand und der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft vertreten, wenn Vertragspartner eine andere Gesellschaft ist, die ihrerseits den Kaufgegenstand – Beteiligung – hält und an der ein zukünftiges Vorstandsmitglied beteiligt ist, und zwar unabhängig von der Höhe der Beteiligung. Wegen des Gebotes des rechtssicheren Weges wird dies selbst für „Zwerganteile“ des zukünftigen Vorstandsmitgliedes an Gesellschaften gelten.

Autor

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