26.06.2019 -

Eine Änderung der Vertragsbedingungen kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch durch eine krankheitsbedingte Leistungsminderung bedingt sein. Mit einer solchen Fallkonstellation hatte sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu befassen (LAG Berlin-Brandenburg v. 8.5.2018, 7 Sa 1588/17). Das Landesarbeitsgericht hat die sehr hohen Anforderungen dargelegt und aufgezeigt, dass in der Praxis eine solche Änderungskündigung nur schwer durchzusetzen ist.


Eine krankheitsbedingte Änderungs- oder Beendigungskündigung kommt erst dann in Betracht, wenn alle denkbaren Alternativen nachweisbar ausgeschöpft sind. Das gilt erst Recht im Falle einer Schwerbehinderung. (Copyright: Gabriele Rohde/stock.adobe.com)

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer ist mit einem Grad von 60 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er ist als Hausmeister bei dem beklagten Arbeitgeber, der Einrichtungen in der vollstationären Pflege betreibt, mit einer vereinbarten Vergütung von 1.500,00 Euro brutto zuzüglich 200,00 Euro brutto Zuschläge für erforderliche Bereitschaftsdienste und Wochenendeinsätze beschäftigt.

Der Arbeitgeber sprach eine personenbedingte Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2016 aus, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 27,25 Stunden und einer monatlichen Vergütung von 1.158,13 Euro fortzusetzen.

Die Kündigung ist nach Auffassung des Arbeitgebers sozial gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer sei aus krankheitsbedingten Gründen nicht mehr in der Lage, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit im Umfang von wöchentlich 12,75 Stunden zu erbringen. Dies ergebe sich aus vorliegenden Attesten. Danach sei der Hausmeister nicht mehr in der Lage bestimmte Arbeiten, die in seiner Stellenbeschreibung aufgeführt seien, auszuführen, u.a. dürfe er nicht mehr als fünf kg heben, er könne nicht über Kopf arbeiten und müsse längere, d.h. über fünf Minuten hinausgehende Belastungen der Gelenke vermeiden. Diese, vom Arbeitnehmer nicht mehr zu verrichtende Arbeiten, würden arbeitstäglich 2,5 Stunden ausmachen.

Der Hausmeister hat die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtsprechung angenommen.

Das Integrationsamt hat die Zustimmung zur Kündigung erteilt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat allerdings der Widerspruchsausschuss die Zustimmung wieder aufgehoben. Hiergegen hat der Arbeitgeber Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für sozial ungerechtfertigt und unwirksam erklärt. Es hat vor allem darauf abgestellt, die Kündigung erweise sich bereits deshalb als rechtsunwirksam, weil im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung 1. Instanz die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung nicht mehr vorgelegen habe.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Zustimmung Integrationsamt

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts erweist sich die Kündigung nicht schon deshalb als unwirksam, weil die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes nicht vorgelegen hat. Bei Zugang der Kündigung an den Kläger lag die Zustimmung des Integrationsamtes nämlich vor. Zwar wurde diese im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit Bescheid des Widerspruchsausschusses aufgehoben. Allerdings haben gem. § 88 Abs. 4 SGB IX (jetzt § 171 Abs. 4 SGB IX) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes keine aufschiebende Wirkung. Damit entfaltet die durch das Integrationsamt einmal erteilte Zustimmung zur Kündigung so lange Wirksamkeit, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist.

Hinweis für die Praxis:

Für die Berechtigung des Arbeitgebers, auf der Grundlage des Zustimmungsbescheides die Kündigung zunächst zu erklären, ist es ohne Bedeutung, ob die Zustimmung vom Widerspruchsausschuss oder einem Gericht aufgehoben wird, solange die betreffende Entscheidung nicht bestands- bzw. rechtskräftig ist.

II. Soziale Rechtfertigung notwendig!

Eine Änderungskündigung unterliegt ebenfalls den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes. Entgegen weit verbreiteter Annahme ist eine Änderungskündigung damit nicht unter erleichterten Voraussetzungen durchsetzbar. Der Arbeitgeber muss sich darauf beschränken, nur solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Zwar ist eine Änderung der Vertragsbedingungen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch durch eine krankheitsbedingte Leistungsminderung denkbar. Allerdings müssen dann alle Stufen einer krankheitsbedingten Kündigung ebenfalls erfüllt sein.

Das Landesarbeitsgericht hat mit genauer Begründung die soziale Rechtfertigung auf allen Stufen abgelehnt. So sei der Hausmeister trotz des Attestes weiterhin in der Lage, in Vollzeit zu arbeiten. Das Attest habe die Vollzeittätigkeit nicht eingeschränkt. Auch ergebe sich aus dem Attest nicht, dass er nicht mehr als Hausmeister in Vollzeit arbeiten könne. Der Arbeitgeber sei daher verpflichtet, ihm ggf. anderweitige Aufgaben aus dem Tätigkeitsprofil eines Hausmeisters zu übertragen. Auch könne die Tätigkeit nicht in abgegrenzte Einzeltätigkeiten mit entsprechenden Zeitanteilen aufgespaltet werden. Schon der Ansatzpunkt, einzelne Tätigkeiten könnten nicht mehr erbracht werden, sei daher verfehlt. Schließlich sei auch die Berechnung des neuen Gehalts fehlerhaft erfolgt. So setze sich das Gehalt aus einer Grundvergütung und Zuschlägen zusammen. Für eine Reduzierung der Zuschläge gebe es keine Veranlassung.

Fazit:

Arbeitnehmer, die aufgrund ärztlicher Atteste nicht mehr alle Arbeiten ausführen können, haben Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz. Die Rechtsprechung ist hier sehr streng. Dies gilt erst recht, wenn eine Schwerbehinderung festgestellt ist. Arbeitgeber müssen dann alle Anstrengungen unternehmen, um eine Weiterbeschäftigung in Vollzeit zu ermöglichen. Dies kann die Zuweisung von anderen Tätigkeiten beinhalten. Erst wenn alle denkbaren Alternativen nachweisbar ausgeschöpft sind, kommt eine krankheitsbedingte Änderungs- oder sogar Beendigungskündigung in Betracht.

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