09.07.2019 -

Viele Arbeitgeber haben ein Interesse daran, ihr Eigentum vor unberechtigten Zugriffen Dritter zu schützen. Dieses Ziel kann u.a. mit einer offenen Videoüberwachung erreicht werden. Jede Videoüberwachung greift gleichzeitig in das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter ein. Welchen Interessen aber ist der Vorzug zu geben, wenn es um Fehlverhalten geht? Das Bundesarbeitsgericht hat in einer weiteren Entscheidung seine bestehende Rechtsprechung präzisiert und klargestellt, dass die Speicherung von Videoaufnahmen auch über einen längeren Zeitraum zulässig ist, um strafbares Verhalten aufzudecken und zu vermeiden (BAG v. 23.8.2018, 2 AZR 133/18).


Das Bundesarbeitsgericht hat erneut klargestellt, dass eine dauerhafte Überwachung von Arbeitgebern grundsätzlich nur bei konkreten Anhaltspunkten oder einem Verdacht zulässig ist. (Copyright: stnazkul/istockphoto)

Die Entscheidung beruht noch auf den alten Regelungen zum Bundesdatenschutzgesetz. Das Bundesarbeitsgericht hat aber betont, dass unter der Geltung der Datenschutzgrundverordnung und des neuen BDSG keine anderen Maßstäbe anzuwenden sind.

Der Fall (verkürzt):

Die klagende Arbeitnehmerin ist seit 2006 bei dem beklagten Arbeitgeber in einem Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle beschäftigt. Bei einer stichprobenartigen Ermittlung der Warenaufschläge im dritten Quartal 2016 ist der Schwund an Tabakprodukten festgestellt worden.

Der Arbeitgeber hatte einen Verdacht gegen die Klägerin und wertete daraufhin ältere Videoaufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung aus. Bei der Auswertung hat sich nach dem Vortrag des Arbeitgebers gezeigt, dass die Klägerin am 3. Februar 2016 und am 4. Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt habe.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis nach vorheriger Abmahnung fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Die Bestimmungen des Datenschutzes konkretisieren den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und auch des Rechts am eigenen Bild. Eingriffe in diese Rechte müssen daher einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Stand halten.

Hinweis für die Praxis:

Eine Überwachung kommt damit grundsätzlich nur bei konkreten Anhaltspunkten in Betracht. Zu vermeiden ist jede Form der unzulässigen und verdeckten Dauerüberwachung. Hat der Arbeitgeber hingegen einen konkreten Verdacht, ist die Überwachung zulässig.

II. Offene Videoüberwachung?

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben in den Vorinstanzen festgestellt, dass die weit zurückliegende Auswertung der Videosequenzen unzulässig gewesen sei. Ein Beweisverwertungsverbot der Videoaufnahmen folge daraus, dass der Arbeitgeber die Videoaufnahmen für die betreffenden Tage erst sechs Monate später und damit zu einem Zeitpunkt ausgewertet habe, zu dem er sie gem. § 6b Abs. 5 BDSG a.F. längst hätte gelöscht haben müssen. In dem monatelangen Unterbleiben der Löschung liege eine besonders schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin.

Dem ist das Bundesarbeitsgericht entgegengetreten. Die Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. stelle eine eigenständige Erlaubnisnorm dar und sei gegenüber der Vorschrift des § 6b BDSG spezieller. Die Speicherung von Videosequenzen dürfe so lange erfolgen, bis der Zweck entweder erreicht oder aufgegeben oder nicht mehr erreichbar ist. Auch sei der rechtmäßig gefilmte Vorsatztäter nicht schutzwürdig. Dies werde er auch nicht durch reinen Zeitablauf.

Allerdings konnte das Bundesarbeitsgericht im vorliegenden Rechtsstreit nicht abschließend entschieden, ob die erfolgte offene Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt ist. Der Rechtsstreit wurde deshalb u.a. auch zur Klärung dieser Fragen an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Sollte es sich aber um eine solche gehandelt haben, wofür nach den Hinweisen des Bundesarbeitsgerichts vieles spricht, war die Verarbeitung und Nutzung der Videoaufnahmen nach § 32 BDSG a.F. zulässig. Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin wäre dann nicht verletzt gewesen und damit hätte auch kein Verwertungsverbot im Prozess bestanden.

III. Checkliste

Arbeitgeber sollten bei der Überwachung von Arbeitnehmern die folgenden wichtigen Punkte zwingend beachten:

– Keine Dauerüberwachung ohne konkrete Anhaltspunkte
– Überwachung nur bei einem konkreten Verdacht gegen einen Arbeitnehmer
– Alle milderen Mitteln müssen vorher ausgeschöpft werden.
– Das Vorgehen ist zu dokumentieren und Beweise sind zu sichern.
– Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bzw. bei einer Änderung nach § 102 BetrVG ist zu beachten.

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht hat in den letzten Jahren in mehreren Entscheidungen seine Rechtsprechung zu Beweisverwertungsverboten bei verdeckter Überwachung konkretisiert. Für die Praxis ist dabei besonders wichtig, dass sich der 2. Senat in der hier besprochenen Entscheidung zugleich auch mit der neuen Rechtslage nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beschäftigt und klargestellt hat, dass insoweit keine anderen Maßstäbe gelten. Bei Beachtung der hier genannten Grundsätze besteht kein Beweisverwertungsverbot. Umgekehrt droht allerdings bei einer unzulässigen heimlichen Überwachung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Person ein Geldentschädigungsanspruch.

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