07.08.2019 -

Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung hat für den Arbeitnehmer besondere Bedeutung. Regelmäßig wird der Dienstwagen täglich genutzt und hat somit einen großen Einfluss auf die Lebensgestaltung. In vielen Fällen wird der Dienstwagen als besonderer Gehaltsbestandteil mitverhandelt. Wie verhält es sich aber, wenn der Arbeitgeber den Dienstwagen aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen möchte und dies auch so entsprechend im Arbeitsvertrag vereinbart hat? Mit dieser praxisrelevanten Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in einem aktuellen Urteil befasst (LAG Niedersachsen v. 28.03.2013, 13 Sa 305/17). Das LAG stellt hohe Anforderungen!


Die Anforderungen an den Widerruf eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber aus wirtschafltichen Gründen sind hoch. (Copyright: anyaberkut/adobe.stock)

Der Fall

Der klagende Arbeitnehmer ist bei dem beklagten Arbeitgeber als sog. Tool Supervisor eingesetzt. Der Arbeitgeber erbringt Dienstleistungen auf Gas- und Ölbohrstellen.

Das Arbeitsverhältnis besteht seit 2011. Im Arbeitsvertrag ist u.a. Folgendes vereinbart:

„SID stellt Herrn A. (…) einen Dienstwagen nach Wahl von SID zur Verfügung, der auch privat genutzt werden darf. (…). SID ist berechtigt, die Dienstwagengestellung jederzeit für die Zukunft aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, der Leistung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers, zu widerrufen und die Herausgabe des Dienstwagens zu verlangen, sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist.“

Als Dienstwagen stellte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuletzt einen Audi Q5 zur Verfügung, der neu etwa 40.000 Euro kostet.

Die wirtschaftliche Bilanz des beklagten Arbeitgebers wies für das Geschäftsjahr 2014 einen Verlust in Höhe von ca. 19,5 Mio. Euro und für das Jahr 2015 in Höhe von 16,7 Mio. Euro aus. Der Arbeitgeber traf daraufhin die unternehmerische Entscheidung, künftig Poolfahrzeuge einzusetzen, die nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden können. Er widerrief daher gegenüber dem Arbeitnehmer „wegen der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ die Überlassung des Dienstwagens und damit die Gewährung der Privatnutzung mit Wirkung zum 30. Juni 2016.

Der Kläger gab den Dienstwagen zurück. Er machte aber geltend, die Regelung über den Widerruf des Dienstwagens sei wegen Intransparenz unwirksam. Der Arbeitgeber sei daher verpflichtet, im Nutzungsausfall Entschädigung in Höhe von 1 % des Listenpreises monatlich zu gewähren und ihm einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung wieder zur Verfügung zu stellen.

Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz die entsprechenden Klageanträge abgewiesen.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat das LAG der Klage stattgegeben.

I. AGB-Kontrolle

Die Vereinbarung über die Überlassung eines Dienstwagens unterliegt, wie auch der Arbeitsvertrag im Übrigen, der AGB-Kontrolle nach den §§307 ff. BGB. Ein Widerrufsvorbehalt ist dabei an der speziellen Vorschrift des §308 Nr. 4 BGB zu messen. Die Rechtsprechung verlangt insoweit, dass bei einseitigen Leistungsänderungsrechten, wie hier die Vereinbarung eines Widerrufs, in der vertraglichen Klausel Sachgründe in einer Weise konkretisiert werden, die für den Arbeitnehmer deutlich machen, was ggf. auf ihn zukommt. Der Arbeitnehmer muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen muss.

II. Pauschale Gründe nicht ausreichend

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber als Sachgrund die „wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens“ angegeben. Dieser Widerrufsvorbehalt ist zu weit gefasst. Es ist schon unklar, ob damit überhaupt eine „negative“ wirtschaftliche Entwicklung gemeint ist. Selbst wenn man dies aber, was offensichtlich ist, annimmt, bleibt weiter unklar, welche Art der negativen wirtschaftlichen Entwicklung gemeint ist. Eine wirtschaftliche Notlage, bloße Verluste, bereits ein Gewinnrückgang, nur rückläufige Umsätze oder ein Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung? Nicht jeder Grund, der die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens betrifft, ist auch ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung. Das LAG fordert daher, dass all diese Fragen in der Widerrufsklausel konkretisiert werden. Dies sei für jeden Arbeitgeber zumutbar.

Hinweis für die Praxis

Die Frage, inwieweit ein Sachgrund konkretisiert werden muss, hängt vom Einzelfall ab. Dabei sind auch die Interessen des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der Leistung zu berücksichtigen. Das Erhaltungsinteresse des Arbeitnehmers wirkt umso schwerer, je mehr sich ein Entzug der Leistung auswirkt. Die Privatnutzungsmöglichkeit eines Firmenfahrzeugs wirkt sich aber für einen Arbeitnehmer täglich aus. Er ist ggf. gehalten, kurzfristig erhebliche Kosten für die Anschaffung eines eigenen Fahrzeuges aufzubringen und dieses zukünftig zu unterhalten. Daher ist in einem solchen Fall eine detaillierte Konkretisierung nach Auffassung des LAG erforderlich.

III. Höhe des Schadens

Der Schaden berechnet sich als Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1 % des Listenpreises. Hier betrug der Listenpreis 40.000 Euro für das zuletzt überlassene Fahrzeug, die monatliche Nutzungsausfallentschädigung damit 400,00 Euro brutto. Zudem hat der Arbeitnehmer, wie geltend gemacht, einen Anspruch auf Zurverfügungstellung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung.

Fazit

Die Entscheidung macht deutlich, dass nur eine genaue Vertrags- und Klauselformulierung einen wirksamen Widerrufsvorbehalt begründen kann. Die Anforderungen sind denkbar streng. Selbst wenn sogar objektiv eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens vorgelegen hätte, kann dies eine unwirksame Klausel nicht mehr retten. Maßgeblich ist allein der Text der Vorbehaltsbestimmung. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt nicht in Betracht. Arbeitgebern ist daher dringend zu empfehlen, alle denkbaren Sachgründe detailliert in einer Widerrufsklausel zu benennen und zu beschreiben, um Rechtsnachteile zu vermeiden.

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