03.09.2019 -

Viele Sozialpläne stellen bei der Abfindungsberechnung auf das aktuelle Gehalt der betroffenen Arbeitnehmer ab. Dies kann im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen, wenn Mitarbeiter zum Stichtag nicht ihr volles Gehalt beziehen, sei es wegen längerer Krankheit, wegen einer vereinbarten Pflegezeit oder einer vorübergehend vereinbarten Elternzeit. Es stellt sich dann die Frage, welches Gehalt für die Berechnung der Sozialplanabfindung zugrunde zu legen ist. Das BAG hat in einem wichtigen Beschluss entschieden, dass eine vorübergehende Reduzierung des Gehaltes nicht ausschlaggebend sein kann; maßgeblich ist stets das übliche Bruttogrundgehalt (BAG v. 15.05.2018, 1 AZR 20/17).


Bei der Berechnung der Sozialplanabfindung ist stets das übliche Bruttogrundgehalt maßgeblich. 
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Der Fall:

Der Arbeitnehmer ist bereits seit dem Jahr 1998 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Seit 2007 befindet er sich in Elternzeit und seit 2008 ist er während der Elternzeit bei dem Arbeitgeber teilzeitbeschäftigt.

Aufgrund einer geplanten Betriebsstilllegung hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Rahmensozialplan geschlossen. Dort ist bei der Abfindungsberechnung u.a. Folgendes geregelt:

„…
2.3 Berechnungsgrundlage für die Abfindung ist das Bruttomonatsgrundgehalt (fix salary) für den Februar 2015 ohne Zulagen, Sonderzahlungen, Prämien, variable Anteile und Boni, maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze (6.050,00 €).“

Die Parteien schlossen einen Aufhebungsvertrag zum 30. September 2015. Der Arbeitgeber zahlte dann in Anwendung des Rahmensozialplans eine Abfindung in Höhe von 39.792,98 € brutto. Er legte bei der Berechnung das dem Arbeitnehmer im Monat Februar 2015 für die Elternzeitbeschäftigung gezahlte Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.636,27 € zugrunde.

Der Arbeitnehmer hat hingegen die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Grundabfindung hätte das ihm aufgrund einer Vollzeitbeschäftigung zustehende Entgelt in Ansatz gebracht werden müssen. Unter Berücksichtigung der Deckelung im Rahmensozialplan ergeben sich bei einem Bruttomonatsentgelt von dann 6.050,00 € ein Abfindungsbetrag in Höhe von 113.535,00 € brutto und ein noch bestehender Anspruch in Höhe von 73.742,00 € brutto.

Für die Grundabfindung sei dasjenige Bruttomonatsentgelt zugrunde zu legen, welches er vor der Elternzeit bezogen habe. Anderenfalls würde er schlechter gestellt als Arbeitnehmer, die während der Elternzeit keiner Teilzeitbeschäftigung beim Arbeitgeber nachgegangen seien.

Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht ihr hingegen stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das BAG die Entscheidung des LAG bestätigt.

I. Auslegung von Sozialplänen

Sozialpläne sind als Betriebsvereinbarung eigener Art und wegen ihrer normativen Wirkung (vgl. §§ 77 Abs. 4 S. 1, 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen. Ausgehend vom Wortlaut und den durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt immer derjenige Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt

Hinweis für die Praxis:

Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste, sondern sollen die künftigen Nachteile ausgleichen, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können. Sie unterliegen der vollen gerichtlichen Kontrolle.

II. Übliches Gehalt ausschlaggebend

Die Regelung im Rahmensozialplan stellt nicht auf das tatsächliche im Referenzmonat geleistete Entgelt, sondern auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ab. Der Begriff „Bruttomonatsgrundgehalt“ beschreibt nach Ansicht des BAG die dem Arbeitnehmer vertraglich im Monat zustehende Vergütung. Damit soll verhindert werden, dass sich die Abfindungshöhe anhand von „zufälligen“ im Referenzmonat zu leistenden Zahlungen bestimmt. Dadurch ist gewährleistet, dass ein (vorübergehendes) Ruhen der Hauptleistungspflichten im betreffenden Monat nicht zu einer Minderung der Grundabfindung führt. Spezialfälle wie z.B. Elternzeit, Pflege- oder Familienpflegezeit, Ende der Entgeltfortzahlung, unbezahlter Sonderurlaub etc. führen damit nicht zu Nachteilen. Nur so unterbleibt eine im Hinblick auf die zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion der Abfindungszahlung sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern, bei denen keine Ruhenstatbestände vorliegen gegenüber anderen, bei denen diese zu einem geringeren Bruttomonatsgehalt führen könnte.

Fazit:

Die von dem Arbeitgeber vorgenommene Kürzung der Abfindung war damit unzulässig. Wird auf einen Referenzmonat abgestellt, dürfen zufällige Gehaltsverringerungen, die nur vorübergehender Natur sind, nicht berücksichtigt werden. Alles andere würde eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen. Das BAG hat daher die Abfindung in voller Höhe zugestanden.

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