19.09.2004 -

 

Altersteilzeit soll für die Arbeitnehmer eines Betriebs Anreize schaffen, den Arbeitsplatz vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze mit dem 65. Lebensjahr freizumachen und dadurch Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitssuchende und Auszubildende zu eröffnen. Den Arbeitnehmern in Altersteilzeit wird dazu ein gleitender Übergang in den Ruhestand ermöglicht und ein Einkommen garantiert, das die Existenz sichert. Mindestens 70 % des bisherigen Nettoarbeitsentgelts werden auch während der Altersteilzeit weiter geleistet. Viele Tarifverträge sehen höhere Leistungen vor.

 

In einem praxisrelevanten Fall hatte sich nun das Bundesarbeitsgericht mit der wichtigen Frage zu beschäftigen, ob den Arbeitgeber eine Ausgleichspflicht trifft, wenn ein im Blockmodell geführtes Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit während der Freistellungsphase endet (Urt. v. 14. 8. 2003 – 9 AZR 146/03 -, ZTR 2004, 411).

 

Der Fall:

 

Der klagende Arbeitnehmer war bei der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt Bundesagentur für Arbeit) beschäftigt. Im März 1999 vereinbarten die Parteien auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (ATZ) und des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit für die Bundesanstalt für Arbeit (TVBA ATZ), das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortzuführen. Die Arbeitsphase sollte vom 1. Mai 1999 bis 31. Mai 2000 dauern, die sich anschließende Freistellungsphase bis 30. Juni 2001.

 

Bei der Festlegung des Beendigungsdatums gingen die Parteien aufgrund einer dem Kläger erteilten Rentenauskunft davon aus, er werde beginnend mit dem 1. Juli 2001 Altersrente erhalten können.

 

Nach § 9 Abs. 2 TVBA ATZ endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis unter anderem dann, wenn der Arbeitnehmer eine ungekürzte Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen kann. Tatsächlich konnte der Arbeitnehmer schon seit 1. Mai 2000 Altersrente ohne Abschläge beziehen. In diesem Fall endet nach der genannten Tarifvorschrift das Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit dem 30. April 2001.

 

In § 9 Abs. 3 TVBA ATZ heißt es weiter:

 

„Endet bei einem Arbeitnehmer, der im Rahmen der Altersteilzeit nach dem Blockmodell beschäftigt wird, das Arbeitsverhältnis vorzeitig, hat er Anspruch auf eine etwaige Differenz zwischen den nach den §§ 4 und 5 erhaltenen Bezügen und Aufstockungsleistungen und den Bezügen für den Zeitraum seiner tatsächlichen Beschäftigung, die er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte.

 

Wie üblich regelt der Tarifvertrag weiter, dass der Arbeitnehmer ein Entgelt erhält, das sich aus der Vergütung für die Teilzeittätigkeit und Aufstockungsleistungen zusammensetzt. Dabei muss der Aufstockungsbetrag so hoch sein, dass er 83 % des Nettobetrages des bei regelmäßiger Arbeitszeit zustehenden Vollzeitarbeitsentgelts erhält.

 

Mit seiner Klage machte nun der Arbeitnehmer geltend, dass er 13 Monate tatsächlich gearbeitet habe, aber nur für 11 Monate freigestellt worden sei. Die Differenz zwischen dem Vollzeitbruttogehalt und den für diese beiden Monate erhaltenen Bezügen und Aufstockungsleistungen sei daher auszugleichen (April und Mai 2000).

 

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufung hat das Landesarbeitsgericht dem Zahlungsantrag über 3.496,14 DM hingegen stattgegeben.

 

Die Entscheidung des BAG:

 

In der Revision hat das Bundesarbeitsgericht jegliche Ansprüche verneint.

 

I. Ausgangslage: Störfall Blockmodell

 

Die vertraglich vereinbarte bisherige Arbeitszeit wird bei Abschluss eines Altersteilzeitverhältnisses um die Hälfte verringert und die verbleibende Arbeitszeit wird derart verteilt, dass der Arbeitnehmer während der ersten Hälfte der Altersteilzeit mit der bisherigen (vollen) Arbeitszeit arbeitet (Arbeitsphase) und für die restliche Dauer von der Arbeitspflicht freigestellt wird (Freistellungsphase). Dieses Vorgehen wird gemeinhin als Blockmodell bezeichnet.

 

Ungeachtet des Wechsels von Vollzeitarbeit zu völliger Freistellung erhält der Arbeitnehmer während des rechtlichen Bestehens des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ein monatlich gleich hohes Gesamtentgelt, das sich aus den Altersteilzeitbezügen und den Aufstockungsleistungen zusammensetzt. Ein solches Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet vorzeitig, wenn es vor Erreichen des im Altersteilzeitvertrages bestimmten Datums endet.

 

II. Differenzanspruch des Arbeitnehmers bei Störfall

 

Dieses in sich geschlossene System wird immer dann gestört, wenn der Altersteilzeitvertrag vorzeitig endet (Störfall). Kommt es bspw., wie es hier der Fall war, zu einem vorzeitigen Bezug der Altersrente, endet auch das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig. Arbeitsphase und Freistellungsphase entsprechen sich dann nicht mehr. Der Gedanke an einen Ausgleichsanspruch liegt damit nahe.

 

Nach der Tarifvorschrift des § 9 Abs. 3 TVBA ATZ bedarf es in dieser Konstellation eines Vergleichs. Festzustellen sind die Bezüge der tatsächlichen Beschäftigung, die der Arbeitnehmer ohne Vertragsänderung erzielt hätte („Hätte-Vergütung“). Tatsächliche Beschäftigung ist die Zeit, in der der Arbeitnehmer mit seiner bisherigen Arbeitszeit gearbeitet hat. In einem zweiten Schritt ist zu ermitteln, welche Bezüge und Aufstockungsleistungen der Arbeitnehmer nach §§ 4 und 5 TVBA ATZ erhalten hat, also die während der gesamten Laufzeit des konkreten Altersteilzeitvertrages gezahlten Bezüge und Aufstockungsleistungen. Die Tarifvorschrift enthält hierfür keine zeitliche Beschränkung. Einzubeziehen sind daher die für die Dauer des rechtlichen Bestandes des Altersteilzeitvertrages geleisteten Bezüge und Aufstockungsleistungen insgesamt.

 

Ein sich zugunsten des Arbeitnehmers ergebender Betrag ist an ihn auszuzahlen. Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers entfallen dagegen. Die Tarifvertragsparteien haben damit sichergestellt, dass der Arbeitnehmer jedenfalls einen Betrag in Höhe des Arbeitsentgelts für die tatsächlich geleistete Vollzeitarbeit erhält und auch behält.

 

Vorliegend hätte der Arbeitnehmer für die Zeit vom 1. Mai 1999 bis zum 31. Mai 2000 ein Vollzeitentgelt von 65.782,55 DM verdient. Die ihm für die gesamte Laufzeit des Altersteilzeitvertrages gezahlten Beträge (Bezüge und Aufstockungsleistungen) betrugen hingegen 75.522,97 DM. Die „Hätte-Vergütung“ war damit niedriger als die tatsächlich ausgezahlte Vergütung, so dass ein Anspruch des Arbeitnehmers nicht bestand.

 

III. Anspruch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz?

 

Die Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung auch für Fälle, die sich nicht nach dem speziellen Tarifvertrag der Bundesanstalt für Arbeit richten. In den Entscheidungsgründen hat nämlich das Bundesarbeitsgericht sich auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Anspruch sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz, der unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet wird, ergeben könnte.

 

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz setzt bekanntlich voraus, dass die Tarifvertragsparteien bei der Aufstellung tariflicher Vorschriften tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten außer Acht lassen, die so wesentlich sind, dass sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung hätten berücksichtigt werden müssen. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien bei der Gestaltung der tariflichen Regelungen einen weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Die Gerichte können daher nicht überprüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Lösung für den zu regelnden Sachverhalt gefunden haben. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben.

Der zuständige 9. Senat hat jegliche Verstöße gegen den Gleichheitssatz abgelehnt. Die spezielle tarifliche Regelung des § 9 Abs. 3 TVBA ATZ ist sachgerecht und trägt den Bedürfnissen der Parteien ausreichend Rechnung. Auch die Einbeziehung der zugeflossenen Aufstockungsleistungen in die Differenzberechnung ist nicht zu beanstanden.

 

Aber: Unvereinbar wäre eine Regelung mit dem Gleichheitssatz jedenfalls dann, wenn es zu einer Kürzung des Entgelts für die Arbeitszeit kommen würde, das der Arbeitnehmer ohne den Wechsel in das Altersteilzeitarbeitsverhältnis erhalten hätte. Gleichheitswidrig wäre damit lediglich eine Regelung, die dem Arbeitnehmer nicht einmal die „Hätte-Vergütung“ sichert.

 

Hinweise für die Praxis:

 

Die Entscheidung macht deutlich, dass bei Abschluss eines Altersteilzeitvertrages im Falle eines so genannten Störfalls vielfältige Rechtsprobleme auftreten können. Endet ein im Blockmodell geführtes Altersteilzeitarbeitsverhältnis während der Freistellungsphase, muss die vom Arbeitnehmer erbrachte Vorleistung ausgeglichen werden. Ein entsprechender Ausgleich kann tarifvertraglich geregelt werden.

 

Sind Tarifverträge nicht vorhanden, können abweichende Vereinbarungen auch individualvertraglich geregelt werden. Dies ist in den Fällen, die auf Grundlage des Altersteilzeitgesetzes abgeschlossen werden, zu empfehlen, denn im ATZ ist ein Rückzahlungsanspruch nicht vorgesehen.

 

Regelungen, die dem Arbeitnehmer nicht einmal die so genannte „Hätte-Vergütung“ sichern, verstoßen gegen den grundgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz und sind unwirksam.

  

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

 

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