09.10.2019 -

Betriebsratsmitglieder besuchen regelmäßig Schulungsveranstaltungen. Diese finden in vielen Fällen über mehrere Tage statt. Damit fallen auch Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten an. Arbeitgeber haben dann alle entstehenden Kosten zu tragen. Allerdings ist bei den verursachten Kosten auf die Erforderlichkeit zu achten. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Beschluss die Anforderungen an die Bildung einer Fahrgemeinschaft festgelegt, wenn mehrere Betriebsratsmitglieder gleichzeitig an einer Schulungsveranstaltung teilnehmen (BAG v. 24.20.2018, 7 ABR 23/17).


Betriebsratsmitglieder sind verpflichtet, den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Dazu gehört auch, bei der Nutzung eines privaten Pkw im zumutbaren Rahmen Fahrgemeinschaften zu bilden. (Copyright: monkeybusinessimages/iStock.com)

Der Fall:

Der Antragsteller ist Mitglied des Betriebsrats. Gemeinsam mit seinem Betriebsratskollegen nahm er in der Zeit vom 18. bis 23. Oktober 2015 an einer Betriebsratsschulung teil. Zu dieser Schulung reiste er von seinem Wohnort aus mit seinem privaten Pkw Ford Fiesta an.

Sein Betriebsratskollege wohnt nur 1,2 km entfernt. Dieser fuhr mit seiner Ehefrau ebenfalls in seinem privaten Pkw Hyundai ix20 zu der Schulung.

Bei dem beteiligten Arbeitgeber gilt eine betriebliche Reisekostenordnung. Diese enthält u.a. folgende Regelungen:

„Präambel

Bei allen beruflichen Auswärtstätigkeiten usw. ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Dies bedeutet, dass dem Unternehmen hierfür nur die geringst möglichen Kosten entstehen dürfen.

II. Fahrtkosten

1. Grundsatz
Es ist das jeweils kostengünstigste Verkehrsmittel unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes zu benutzen, wobei jedoch Zweck und Ziel der Reise nicht behindert oder verzögert werden sollen. Von Fahrpreisvergünstigungen jeder Art muss in vollem Umfang Gebrauch gemacht werden. Überhöhte Fahrgelder, die durch Nichtbeachtung dieser Vorschrift entstehen, können nicht vergütet werden.

2. Abrechnung
Fahrtkosten sind nur in der tatsächlich entstandenen Höhe abzurechnen.

3. Bahnfahrten

4. Kraftfahrzeug/Motorrad
Es besteht die grundsätzliche Verpflichtung die wirtschaftlich (=kürzeste Entfernung) und zeitlich günstigste Fahrtstrecke zu wählen. Bei der Benutzung eigener Personenkraftwagen bzw. Motorräder für Auswärtstätigkeit erstattet die Firma – unabhängig von der Anzahl der Mitfahrer –
a) eigener Pkw
– für die ersten 1.000 km pro Monat, die mit einem Privat-Kfz dienstlich gefahren werden, 0,30 €/km,
– für alle Mehrkilometer (1.001 pro Monat), die mit einem Privat-Kfz dienstlich gefahren werden, 0,27 €/km;
– es sind jeweils volle Kilometer abzurechnen.

In allen Fällen, wo dies möglich ist, sind Fahrgemeinschaften zu bilden. Vorrangig ist mit Mitarbeitern mit Firmen-Pkw zu fahren.

…“

Beide Betriebsräte rechneten jeweils Kosten für die Reise zu der Schulungsveranstaltung gegenüber dem Arbeitgeber mit einem Kilometersatz von 0,30 Euro zzgl. der Parkgebühren ab. Der Arbeitgeber erstattete jeweils die Hälfte der geltend gemachten Reisekosten mit der Begründung, der Antragsteller und sein Kollege hätten eine Fahrgemeinschaft bilden können.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei verpflichtet, ihm auch die restlichen Reisekosten in Höhe von 137,55 Euro zu erstatten. Eine Verpflichtung, mit seinem Kollegen eine Fahrgemeinschaft zu bilden, habe nicht bestanden. Die Reisekostenordnung sei als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Sie sei intransparent und bewirke eine unangemessene Benachteiligung. Es bestehe ein unwägbares Unfall- und Haftungsrisiko. Es sei auch nicht mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu vereinbaren, wenn ein Mitglied des Betriebsrats dem Arbeitgeber Behinderungen oder sonstige Beeinträchtigungen anzeigen müsste. Im Übrigen sei die Bildung einer Fahrgemeinschaft mit seinem Kollegen für die Reise unzumutbar gewesen. Wegen gesundheitlicher Einschränkungen nach Hüftoperation habe sein Kollege von dessen Ehefrau begleitet werden müssen. Für drei Erwachsene inklusive Gepäck hätte keines der beiden genutzten Privatfahrzeuge ausreichend Platz geboten. Außerdem habe der Kollege regelmäßig Pausen einlegen müssen, um sich die Beine zu vertreten. Dadurch sei die Fahrzeit nicht unerheblich verlängert worden.

Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts bestätigt.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat sich das Bundesarbeitsgericht den Entscheidungen der Vorinstanzen ebenfalls angeschlossen und den Zahlungsantrag zurückgewiesen.

I. Kostenerstattungspflicht bei Schulungsveranstaltungen

Der Arbeitgeber hat nach § 40 Abs. 1 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören die Kosten, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Neben den eigentlichen Seminargebühren hat der Arbeitgeber auch die notwendigen Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Betriebsratsmitglieds zu tragen.

II. Begrenzung auf angemessene Kosten

Allerdings steht die Pflicht des Arbeitgebers, zur Kostentragung nach § 40 Abs. 1 BetrVG unter dem in § 2 Abs. 1 BetrVG normierten Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Der Betriebsrat ist daher verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf. Er hat darauf bedacht zu sein, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken. Diese Pflicht gilt auch für das einzelne Betriebsratsmitglied.

Aus dieser Obliegenheit folgt, dass ein Betriebsratsmitglied für Reisen zu Schulungsveranstaltungen grundsätzlich das kostengünstigste zumutbare Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen hat.

III. Einsatz eines privaten Pkw

Betriebsratsmitglieder sind zunächst nicht verpflichtet, ihre privaten Pkw für Reisen einzusetzen. Aber: Entschließt sich ein Betriebsratsmitglied, bei einer von mehreren Betriebsratsmitgliedern durchzuführenden Reise seinen privaten Pkw zu nutzen, ist es für ihn und die anderen Betriebsratsmitglieder nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zumutbar, eine Fahrgemeinschaft zu bilden. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Bildung einer Fahrgemeinschaft aufgrund besonderer, vom Betriebsratsmitglied darzulegender Umstände im Einzelfall als nicht zumutbar erscheint. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass der Mitfahrende sich dadurch in eine besondere Gefahr begibt.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht hat alle Einwände gegen die Bildung einer Fahrgemeinschaft im vorliegenden Fall zurückgewiesen. Betriebsratsmitglieder sind gegen alle Risiken einer Fahrgemeinschaft versichert. Die persönliche Eignung des Fahrers ist durch die Erteilung der Fahrerlaubnis gewährleistet. Weitere Anforderungen an die persönliche Eignung sind nicht zu stellen. Betriebsratsmitglieder werden durch die Obliegenheit, mit Betriebsratskollegen eine Fahrgemeinschaft zu bilden, nicht nach § 78 S. 2 BetrVG benachteiligt. Die gemeinsame Reise mit dem Kollegen wird auch nicht in einem erheblichen Maße erschwert, wenn dieser wegen einer Hüftoperation mehrfach Pausen einlegen muss.

Fazit:

Reisekostenrichtlinien gelten auch für Betriebsratsmitglieder. Diese sind daher verpflichtet, den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Dazu gehört es auch, bei der Nutzung eines privaten Pkw im zumutbaren Rahmen Fahrgemeinschaften zu bilden. Das Betriebsratsmitglied muss schon besondere Gründe darlegen können, um eine Fahrgemeinschaft abzulehnen. Die Anforderungen sind hoch und solche Gründe werden regelmäßig nicht vorliegen. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.

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