23.10.2019 -

Bekanntlich muss gegen eine Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden. Wird die Klagefrist versäumt, wird die Kündigung wirksam, § 7 KSchG. Für Ausnahmefälle gewährt § 5 KSchG aber die nachträgliche Zulassung der Klage, insbesondere wenn es dem Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt nicht möglich war, fristgerecht Klage zu erheben. Die Anforderungen sind allerdings hoch. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass ein längerer Auslandsaufenthalt nicht ausreicht, um eine Kündigungsschutzklage wegen versäumter Klagefrist nachträglich zuzulassen (BAG v. 25.4.2018, 2 AZR 493/17).


Arbeitnehmer sollten bei längerer Abwesenheit die nötigen Vorkehrungen treffen, um wichtige Schriftstücke, insbesondere Kündigungen, zeitnah zur Kenntnis zu nehmen, um die Klagefrist einhalten zu können. (Copyright: paru/stock.adobe.com)

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer ist Chefarzt und bei der beklagten Klinik seit 2010 beschäftigt. In der Vergangenheit wurden alle rechtsverbindlichen Erklärungen, die das Arbeitsverhältnis betrafen, entweder persönlich ausgehändigt oder per Einschreiben an die Wohnanschrift übersandt.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Prozessbevollmächtigten der Klinik, zu veranlassen, dass alle für den Chefarzt bestimmten Schreiben ausschließlich an ihn, den Rechtsanwalt, zugestellt werden. Eine unterschriebene Vollmachtsurkunde war beigefügt.

In der Folgezeit wurde das Arbeitsverhältnis formal fortgesetzt, der Arbeitnehmer nahm aber parallel eine Beschäftigung als Arzt in Katar auf. Seine Wohnanschrift behielt er, vermietete aber sein Wohnhaus. Die Gründe für dieses Vorgehen und Verhalten sind der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen.

Die Klinik kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31. Mai 2016 zum 30. Juni 2017. Das Schreiben wurde am 7. Juni 2016 um 14.50 Uhr durch einen Botendienst in den mit dem Namen des Chefarztes versehenen Briefkasten in seinem Haus eingeworfen. Der Prozessbevollmächtigte des Chefarztes wurde von der Klinik nicht über diese Kündigung informiert.

Der Chefarzt erlangte tatsächliche Kenntnis von dem Kündigungsschreiben erst am 1. Juli 2016, als er für einige Tage nach Deutschland zurückgekehrt war. Mit einer am 5. Juli 2016 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und vorsorglich beantragt, sie nachträglich zuzulassen. Er hat die Auffassung vertreten, trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert gewesen zu sein, die Klage rechtzeitig zu erheben. Er habe ausreichende Vorkehrungen für den Zugang von Kündigungen getroffen. Auch habe er den Mieter seines Wohnhauses angewiesen, ihm etwa einmal im Monat seine Post nach Katar nachzusenden. Über Einschreiben und förmliche Zustellungen habe ihn der Mieter unverzüglich über WhatsApp informiert. Dem Mieter eine umfassende Genehmigung zur Öffnung aller an ihn adressierten Briefe zu erteilen, sei ihm nicht zumutbar gewesen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage durch Zwischenurteil abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Zugang einer Kündigung

Kündigungen gehen durch persönliche Übergabe zu. Ist eine persönliche Aushändigung einer Kündigung nicht möglich, muss die Kündigung in die Verfügungsgewalt des Empfängers gelangen und für diesen muss die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehen. Nach ständiger Rechtsprechung reicht es in diesem Sinne aus, eine Kündigung in einen Briefkasten einzuwerfen. Der Zugang findet dann zu dem Zeitpunkt statt, sobald nach der üblichen Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.

Aber: Es ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen! Daher ist es unerheblich, ob der Empfänger durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände an der tatsächlichen Kenntnisnahme gehindert war.

Hinweis für die Praxis:

Dieser objektive Maßstab dient der Rechtssicherheit. Es soll nicht darauf ankommen, ob der Empfänger einer Kündigung gerade einige Tage nicht zu Hause ist, sich in Urlaub befindet oder andere Gründe für die verspätete Kenntnisnahme benennt. Kündigungen gehen daher per Einwurf in den personalisierten Briefkasten immer dann zu, wenn die übliche nächste Leerung erfolgt, spätestens also am folgenden Werktag.

II. Nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage

Diese Regeln können zu individuellen Härten führen. Das Kündigungsschutzgesetz sieht daher in Ausnahmefällen die Zulassung einer Kündigungsschutzklage auch dann vor, wenn die dreiwöchige Klagefrist versäumt wurde. Die Anforderungen sind aber sehr hoch, da die dreiwöchige Klagefrist eine alsbaldige Rechtssicherheit in Bezug auf die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses bewirken soll. Die Rechtsprechung hat daher mehrfach klargestellt, dass die Unkenntnis der dreiwöchigen Klagefrist nicht für eine nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage ausreichend ist. Voraussetzung ist stets, dass selbst bei Anwendung aller nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfaltskriterien eine fristgerechte Klage nicht möglich war.

Diesen Sorgfaltsmaßstab hat das Bundesarbeitsgericht hier angewandt und festgestellt, dass der Chefarzt keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um eine zeitnahe Kenntnisnahme sicherzustellen. Bei Abwesenheit von der ständigen Wohnung muss der Adressat (hier der Chefarzt) besondere Vorkehrungen treffen, dass er rechtzeitig Kenntnis von Zustellungen erlangt. Die bloße Mitteilung seines Prozessbevollmächtigten, Kündigungen und sonstige Erklärungen sollen unmittelbar an ihn zugestellt werden, reicht nicht aus. Die Klinik hatte hierauf nicht reagiert, sodass eine entsprechende Vereinbarung über eine abgeänderte Zustellung nicht zustande gekommen ist. Die einseitige Mitteilung reicht nicht aus. Auch die Kenntnis der Klinik, dass der Kläger sich regelmäßig in Katar aufhält, reicht nicht aus, um etwa der Klinik die Pflicht aufzuerlegen, Schreiben anders zuzustellen. Vielmehr konnte der Arbeitgeber darauf vertrauen, dass der Chefarzt alle nötigen Vorkehrungen für eine zeitnahe Kenntnisnahme getroffen hatte. Zudem war dem Arbeitgeber nicht bekannt, wann und wie häufig sich der Chefarzt in Katar aufhielt.

Hinweis für die Praxis:

Arbeitgeber müssen also nicht nachforschen, ob Mitarbeiter in Urlaub sind, sich zu Hause aufhalten oder aus anderen Gründen Kündigungen nicht entgegennehmen können. Es reicht aus, wenn die Kündigung in den Briefkasten eingeworfen wird. Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn eine abweichende beidseitige Vereinbarung getroffen wurde. Dies war hier nicht der Fall.

Fazit:

Die Anforderungen an eine nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage, wenn die dreiwöchige Klagefrist versäumt wurde, sind sehr hoch. Nur in Ausnahmefällen kommt eine nachträgliche Zulassung in Betracht. Arbeitnehmer sind daher gut beraten, bei längerer Abwesenheit die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um wichtige Schriftstücke, insbesondere Kündigungen, zeitnah zur Kenntnis zu nehmen, um die Klagefrist einhalten zu können. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dient der Rechtssicherheit.

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