Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jüngst zum Einsichtsrecht des Betriebsrates in Bruttogehaltslisten entschieden (Beschluss vom 7. Mai 2019 – 1 ABR 53/17). Dem Beschluss zufolge darf der Betriebsrat weiterhin – also auch nach der Geltung der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) – weiterhin in Bruttogehaltslisten des Arbeitgebers vollständig und ungeschwärzt Einblick nehmen. Hiermit wird die Instanzenrechtsprechung, zu der wir bereits berichtet haben, bestätigt.
Der Fall:
Ein Betriebsrat wollte zur Kontrolle der Gleichbehandlung im Betrieb die Bruttogehaltslisten in nicht anonymisierter Form einsehen. Hierzu machte er sein allgemeines betriebsverfassungsrechtliches Überwachungsrecht aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) und das Einsichtsrecht des entsprechenden Betriebsausschusses aus § 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BetrVG geltend.
Die Arbeitgeberin berief sich auf das neue Datenschutzrecht und gewährte dem Betriebsrat lediglich Einblick in eine Liste ohne Klarnamen. Sie war der Auffassung, auch das Entgelttransparenzgesetz führe zu einem beschränkten Einsichtsrecht.
Das Bundesarbeitsgericht bestätigt mit aktuellem Beschluss, dass der Betriebsrat auch unter Bezugnahme der DSGVO weiterhin die Bruttogehaltslisten des Arbeitgebers vollständig und ungeschwärzt einsehen darf. (Copyright Andrey Popov/adobe.stock)
Entscheidung des BAG:
Der Betriebsrat obsiegte bereits in den Vorinstanzen. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin beim BAG blieb ohne Erfolg.
Die Bestimmung des § 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BetrVG verleihe dem entsprechenden Betriebsausschuss ausdrücklich und ohne Einschränkungen das Recht, die Gehaltslisten einzusehen, soweit dies für die Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrates erforderlich ist. Das BAG nahm an, dass die Erforderlichkeit sich daraus ergebe, dass ein Mitbestimmungsrecht zur betrieblichen Lohngestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht ausgeschlossen sei.
Die Vorschriften des neuen Entgelttransparenzgesetzes, das in bestimmten Konstellationen eine Anonymisierung vorsieht, schränkten die Rechte des Betriebsrates nicht ein. Denn es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber dies gewollt habe.
Auch die Bestimmungen des Datenschutzrechtes führten zu keinem anderen Ergebnis. Aus § 26 des neuen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), der eine Konkretisierung des europäischen Datenschutzrechtes darstellt, ergebe sich, dass das vollständige Einsichtsrecht weiterhin bestehe. Die Frage, ob der Betriebsrat datenschutzrechtlich als „Dritter“ anzusehen ist, ließ das BAG offen, weil sie vorliegend nicht ausschlaggebend sei.
Hinweis für die Praxis:
Abweichungen zur alten Rechtslage sind sowohl aufgrund der DSGVO als auch aufgrund des EntgTranspG nach Auffassung der Rechtsprechung somit nicht erkennbar.
Dem BAG ist grundsätzlich dahingehend zuzustimmen, dass der Betriebsrat auch nach neuem Datenschutzrecht seine Überwachungs- und Informationsrechte wahrnehmen können muss.
Nicht ausreichend hat es allerdings gewürdigt, dass § 26 BDSG als besondere Ausprägung europäischen Rechts im Beschäftigtenkontext auch mit den höherrangigen Grundsätzen der DSGVO übereinstimmen muss (Art. 88 DSGVO). Die Vorschriften zur Rechtmäßigkeit von Datenverarbeitungen sehen aber nicht nur vor, dass die Verarbeitung von Daten – wozu auch die Einsicht in die Listen gehört – eine Rechtsgrundlage im Gesetz haben muss, sondern dass der einzelne Datenverarbeitungsvorgang erforderlich ist. Es erscheint demnach unvollständig, wenn die Rechtsprechung lediglich prüft, ob eine Vorschrift als Rechtsgrundlage dienen kann, ohne im Einzelfall nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift die nach der DSGVO vorgesehene Abwägung vorzunehmen und auf dieser Grundlage das Einsichtsrecht entweder abzulehnen oder anzuerkennen.
In der betrieblichen Praxis wird man allerdings die höchstrichterliche Rechtsprechung akzeptieren müssen. Vorteilhaft ist daran für Arbeitgeber nur, dass es zu den datenschutzrechtlichen Aspekten des Einsichtsrechtes nun Klarheit und Rechtssicherheit gibt.
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