13.11.2019 -

Kündigungen, die nicht durch das zuständige Organ des Unternehmens ausgesprochen werden (Geschäftsführer oder Vorstand), können nach § 174 BGB zurückgewiesen werden. Die Vorschrift führt immer wieder zu Rechtsnachteilen, weil Arbeitgeber davon ausgehen, Kündigungen könnten auch von anderen Personen als den zuständigen Organen erklärt werden. Wird eine Kündigung wirksam wegen fehlender Beifügung einer Vollmacht zurückgewiesen, ist die ausgesprochene Kündigung unwirksam! Die Vorschrift des § 174 BGB findet auch auf die Kündigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch einen ihrer Gesellschafter Anwendung. Das hat das LAG Berlin-Brandenburg nunmehr entschieden (LAG Berlin-Brandenburg v. 15.03.2019, 9 Sa 445/18).


Bei Kündigung durch eine BGB-Gesellschaft müssen alle Gesellschafter diese unterschreiben, sofern nicht eine andere Vertretungsregelung nachweisbar vereinbart wurde. (Copyright: golubovy/stock.adobe.com)

Der Fall (verkürzt):

Der beklagte Arbeitgeber betreibt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) die Verwaltung von Mietobjekten. Die Klägerin hat sich über eine studentische Arbeitsvermittlung für eine Tätigkeit als „Aushilfe für Vermietung“ beworben und wurde von einem der beiden Gesellschafter eingestellt. Der zweite Gesellschafter ist formal nach außen nicht aufgetreten. Der Arbeitsvertrag mit der Studentin wurde von dem einen Gesellschafter unterschrieben und enthielt den Klammerzusatz „in Vollmacht aller Gesellschafter“.

Mit Schreiben vom 9. November 2016 kündigte der Gesellschafter, der auch den Arbeitsvertrag unterzeichnet hatte, das Arbeitsverhältnis. Eine Vollmacht des weiteren Gesellschafters war der Kündigung nicht beigefügt.

Die Klägerin wies die Kündigung mit Schreiben vom 14. November 2016, übergeben am späten Nachmittag des 16. November 2016, mangels Vorlage einer Vollmacht zurück.

Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz die Kündigung als wirksam angesehen. Die Kündigung sei nicht gem. § 174 BGB unwirksam, weil die Zurückweisung nicht unverzüglich erfolgt sei.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erklärt.

I. Anwendung des § 174 BGB

Zunächst hat das Landesarbeitsgericht klargestellt, dass die Vorschrift des § 174 BGB auf die Kündigung durch einen Gesellschafter einer GbR entsprechende Anwendung findet. Einem allein handelnden Geschäftsführer einer Gesellschaft ist es ohne weiteres möglich, eine Vollmacht der übrigen Gesellschafter vorzulegen. Dies gilt auch für die mögliche Vorlage einer Erklärung aller oder der übrigen Gesellschafter über eine von §§ 709, 714 BGB abweichende Regelung der Vertretung der Gesellschaft. Liegt eine solche abweichende Regelung nicht vor, können nur alle Gesellschafter gemeinsam die Kündigung erklären.

Hinweis für die Praxis:

Dies gilt entsprechend auch für eine GmbH, wenn diese nicht durch einen Geschäftsführer, sondern durch mehrere Geschäftsführer vertreten wird. In einem solchen Fall der Gesamtvertretung reicht es ebenfalls nicht aus, wenn nur einer der Geschäftsführer die Kündigung unterzeichnet und erklärt. Durch die Gesamtvertretung ist nur eine gemeinschaftliche Erklärung möglich. Entweder müssen also alle Geschäftsführer gemeinschaftlich unterzeichnen oder der unterzeichnende Geschäftsführer legt eine Originalvollmacht des weiteren Geschäftsführers vor.

II. Inkenntnissetzen nach § 174 S. 2 BGB

Die Zurückweisung einer Kündigung nach § 174 BGB ist dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen (hier die Klägerin) von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat. Für ein solches Inkenntnissetzen nach § 174 S. 2 BGB ist keine Form vorgeschrieben. Es genügt eine Mitteilung des Vollmachtgebers, die sich zumindest auch an den (späteren) Empfänger der einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung richtet. Es genügt auch, wenn der Vertreter eine Position bekleidet oder eine Tätigkeit ausübt, die in der Regel mit der Vollmacht für das einseitige Rechtsgeschäft (die Kündigung) verbunden ist und der Geschäftsgegner, insbesondere der Arbeitnehmer, davon Kenntnis hat. Entsprechend wird angenommen, ein Kündigungsempfänger müsse aufgrund einer ihm bekannten Stellung des Kündigenden als Personalleiter von einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zum alleinigen Ausspruch von Kündigungen ausgehen.

Hinweis für die Praxis:

Ein solches Inkenntnissetzen muss aber ein gleichwertiger Ersatz für die fehlende Vorlage der Vollmachtsurkunde sein. Bereits dem Wortlaut nach wird eine entsprechende Information über die Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber erfordert. Entsprechend reicht allein ein Hinweis des Vertreters auf seine Vertreterstellung nicht aus. Es reicht auch nicht aus, dass ein Mitarbeiter in gehobener Position Verhandlungen führt und zu verstehen gibt, dass er die Gesellschaft allein leite und lenke. Solche Erklärungen müssen von dem Vollmachtgeber ausgehen.

III. Unverzügliche Zurückweisung

Wird eine Vollmacht in diesem Sinne nicht beigefügt, muss die Zurückweisung allerdings unverzüglich erfolgen. Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass die Zurückweisung einer Kündigungserklärung nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche nicht als unverzüglich i.S.v. § 174 S. 1 BGB anzusehen ist, wenn keine besonderen Umstände vorliegen. Diese Frist war hier eingehalten. Die Rüge der Vollmacht wurde der Beklagten am 16. November 2016 übergeben, die Kündigungszustellung erfolgte am 9. November 2016. Damit war die Wochenfrist gem. § 188 Abs. 2 BGB eingehalten.

Fazit:

Der Fall zeigt, dass der Ausspruch einer Kündigung immer dann mit Risiken verbunden ist, wenn nicht der Kündigungsberechtigte in Person die Kündigung unterzeichnet und erklärt. In allen anderen Fällen muss eine Originalvollmacht beigefügt werden, z.B. wenn ein Personalreferent kündigt oder im Falle einer Gesamtvertretung von mehreren Geschäftsführern nur einer der Geschäftsführer die Kündigung unterzeichnet. Handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, um eine BGB-Gesellschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), müssen alle Gesellschafter unterschreiben, sofern nicht eine andere Vertretungsregelung nachweisbar vereinbart wurde.

Risiken bestehen vor allem bei fristgebundenen Kündigungen, z.B. zum Ende einer Probezeit oder bei einer fristlosen Kündigung nach § 626 BGB. Wird hier für Kündigung wirksam zurückgewiesen, muss erneut gekündigt werden. Sind wichtige Fristen zwischenzeitlich abgelaufen, entstehen erhebliche Rechtsnachteile. Wir empfehlen daher grundsätzlich in allen Fällen, entweder mit Originalvollmachten zu arbeiten oder aber – besser noch – Kündigung allein durch den Kündigungsberechtigten unterschreiben zu lassen.

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