19.11.2019 -

Das Befristungsrecht unterliegt einem ständigen Wandel der Rechtsprechung. Immer wieder neue Fallkonstellationen sind bislang so noch nicht entschieden worden. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat nun die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf einen konkreten Fall angewandt, wonach das Vorbeschäftigungsverbot nicht nur für drei Jahren rückwirkend gilt, wie das vom Bundesarbeitsgericht nur vor kurzem entschieden wurde, sondern im Grundsatz zeitlich unbegrenzt (LAG Düsseldorf v. 10.10.2018, 7 Sa 792/17). Die Entscheidung ist vor allem deshalb interessant, weil das Bundesverfassungsgericht ebenfalls eine kleine Hintertür offengelassen hat und nun ein erster Fall vorliegt, der die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts anwendet.


Das LAG Düsseldorf hat die Rechtsprechung des BVerfG angewandt, wonach das Vorbeschäftigungsverbot nicht nur für drei Jahren rückwirkend gilt, sondern im Grundsatz zeitlich unbegrenzt ist. (Copyright: party people studio/stock.adobe.com)

Der Fall:

Der Kläger war zunächst für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 20. September 2006 bei der beklagten Bundeswehr als Koch beschäftigt. Im Anschluss war er als Soldat für mehrere Auslandseinsätze und Einzelwehrübungen einberufen. Eine weitere Beschäftigung als Arbeitnehmer erfolgte dann befristet für den Zeitraum ab 15. November 2011 bis zum 14. November 2013. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sowie den besonderen Regelungen für die Verwaltung.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die streitgegenständliche Befristung sei unwirksam. Seit dem Jahre 2005 sei er fast durchgehend bei der Bundeswehr beschäftigt gewesen. Die Zeiten als Soldat im Einsatz seien Zeiten, die als Zeiten einer Vorbeschäftigung gelten müssten. Seine Beschäftigung sei auch immer berufsbezogen als Koch erfolgt. Es mache keinen Unterschied, ob er als Angestellter oder als Soldat gekocht habe.

Der Arbeitgeber hat sich hingegen darauf berufen, die erste Befristung aus dem Jahre 2005 bis zum Jahre 2006 liege mehr als drei Jahre zurück. Dies führe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu einer Unwirksamkeit der Befristung gem. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG, denn danach stehe einer bis zu zwei Jahren befristeten Beschäftigung nichts entgegen, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliege. Wehrübungen und sonstige Auslandseinsätze seien keine Arbeitsverhältnisse und könnten daher für eine rechtliche Beurteilung im Sinne des Befristungsrechts nicht herangezogen werden.

Das Arbeitsgericht hat die Befristungsklage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung aufgehoben und die Befristung für unwirksam erklärt. Dabei hat es sich auf die zwischenzeitlich zu dieser Thematik ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 bezogen.

I. Neue Rechtsprechung des BVerfG

Das Arbeitsgericht konnte die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei seiner Entscheidung noch nicht anwenden. Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 verstößt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegen das Grundgesetz. Zuvorarbeitsverhältnisse i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG können nicht auf die letzten drei Jahre beschränkt werden. Der Wortlaut der Vorschrift steht dem entgegen.

Hinweis für die Praxis:

Die sehr arbeitgeberfreundliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt damit nicht mehr. Ein Zuvorarbeitsverhältnis kann nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil der vorherige Arbeitsvertrag länger als drei Jahre zurückliegt.

II. Ausnahmen

Dennoch gibt es Beschränkungen. Es ist also jetzt nicht so, dass jedes vorhergehende Arbeitsverhältnis, gleich wie lange es zeitlich zurückliegt und gleich, welcher Art es war und welchen Vertragsinhalt es hatte, befristungsschädlich ist. Ausnahmen können z.B. dann gegeben sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Dies ist z.B. bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudenten und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht, der Fall. In derartigen Fällen müssen die Arbeitsgerichte durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG einschränken.

Eine derartige Ausnahme hat das LAG Düsseldorf hier aber verneint. Ein Zeitraum von fünf Jahren, der vorliegend zwischen den beiden Befristungen lag, ist kein „sehr langer“ Zeitraum. So hat das Bundesverfassungsgericht nicht konkretisiert, ab welcher Dauer ein „sehr langer“ Zeitraum gegeben sein soll. Bei einer Zeitdauer von fünf Jahren ist das jedenfalls noch nicht zu bejahen.

Es handelte sich hier auch nicht um eine nur geringfügige Nebenbeschäftigung, sondern um eine Vollzeittätigkeit. Mit dieser verdiente der Kläger den Lebensunterhalt für sich und seine Familie. Von einer beruflichen Neuorientierung konnte ebenfalls keine Rede sein.

III. Kein Vertrauensschutz für Arbeitgeber!

Dem Arbeitgeber steht auch kein Vertrauensschutz zu. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses galt zwar noch die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine Unterbrechungszeit von mehr als drei Jahren eine wirksame neue sachgrundlose Befristung nicht hinderte. Dennoch konnte der Arbeitgeber diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht als gefestigt betrachten. Es gab zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger keine langjährige und gesicherte Rechtsprechung in dem Sinne, dass nach einer mehr als dreijährigen Unterbrechung ein befristeter Vertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes geschlossen werden kann. Als der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag mit dem Kläger abschloss, waren vielmehr seit der Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts gerade einmal ca. sieben Monate vergangen. Bei einer derart kurzen Dauer kann ein Vertrauen, so das LAG, nicht begründet werden.

Hinweis für die Praxis:

Der Entscheidung ist einerseits im Sinne der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zuzustimmen. Eine Unterbrechung von fünf Jahren reicht noch nicht aus, um eine „sehr lange“ zurückliegende Vorbeschäftigung zu bejahen. Andererseits ist für Arbeitgeber schwer nachzuvollziehen, dass eine in mehreren Urteilen ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Vertrauensschutz begründet. Juristisch ist dies sicher richtig, rein tatsächlich werden aber auf einer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in ganz Deutschland viele Arbeitsverträge vereinbart. In solch schwerwiegenden Fällen einer Rechtsprechungsänderung wäre es daher wünschenswert, wenn der Gesetzgeber tätig wird und dadurch einen Vertrauensschutz herstellt.

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