17.09.2004 -

In vielen Branchen werden Arbeitnehmern neben dem Gehalt auch Dienstfahrzeuge zur privaten Nutzung überlassen. Es handelt sich dabei um ein typisches Mittel zur Gehaltsfindung. Wird das Arbeitsverhältnis von einer der Vertragsparteien beendet, kommt es nicht selten zu Streit über die dann erforderliche Kostentragungspflicht; gerade in Fällen, in denen für das Fahrzeug ein Leasingvertrag abgeschlossen wurde. In einem nun veröffentlichten Urteil hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit der praxisrelevanten Frage auseinander zu setzen, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, die für die restliche Laufzeit des Leasingvertrages anfallenden Raten allein dem Arbeitnehmer in Rechnung zu stellen (Urt. v. 9. 9. 2003 – 9 AZR 574/02 -).

 

Der Fall (verkürzt):

 

Der klagende Niederlassungsleiter erhielt bei seiner Einstellung neben dem Bruttofestgehalt von 7.500,00 DM nebst Erfolgsbeteiligung ein privat nutzbares Dienstfahrzeug. Bei der Auswahl des Fahrzeugs berücksichtigte der beklagte Arbeitgeber W den Wunsch des Klägers nach einem höherwertigen Modell mit Zusatzausstattung. Hierzu vereinbarten die Parteien in einem vorformulierten und allgemein verwandten Formularvertrag:

 

1. W stellt dem Mitarbeiter ein Firmenfahrzeug Modell Audi A4 2,5 TDI zur Verfügung, das im Einkaufspreis 17.153,00 DM höher liegt als das üblicherweise zur Position gehörende Kraftfahrzeug.

 

2. Wegen dieses Zubehörs erhöht sich die von der W an die Leasinggesellschaft zu zahlende monatlich Leasingrate um DM 257,30. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, diesen Betrag monatlich an die W zu zahlen (…) Insgesamt werden 36 Monatsraten á 257,30 DM anfallen.

 

3. Scheidet der Mitarbeiter vor Ablauf von 36 Monaten nach Lieferung und Übergabe des Fahrzeugs aus dem Unternehmen aus, so hat die W das Recht, die Rückgabe des Fahrzeugs gemäß den Übernahmebedingungen für von der W zur Verfügung gestellte Firmenfahrzeuge zu verlangen. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die Differenz zwischen der Summe der 36 Raten abzüglich der gemäß Ziffer 2 geleisteten Monatsbeträge spätestens bis zum Ausscheiden in einer Summe zu zahlen. Der Mitarbeiter verpflichtet sich weiter, bei einem Ausscheiden vor Lieferung und Übergabe des Fahrzeugs die Summe der 36 Raten komplett zu zahlen.

 

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis wegen Aufgabe der Niederlassung bereits nach einem Jahr. Er behielt von dem sich zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Nettoentgelt von 8.868,67 DM insgesamt 6.947,10 DM ein, was noch 27 offenen Leasingraten á 257,30 DM entsprach. Der Kläger hingegen gab das Fahrzeug bei seinem Ausscheiden an den Arbeitgeber zurück.

 

Mit seiner kurz nach Ausscheiden erhobenen Klage machte der Kläger seine Ansprüche auf Auszahlung des ungekürzten Entgelts geltend. Insbesondere Ziffer 3 der Zusatzvereinbarung sei rechtsunwirksam.

 

Die Entscheidung des BAG (verkürzt):

 

Das Bundesarbeitsgericht hat Nummer 3 der Zusatzvereinbarung für rechtsunwirksam erklärt und damit die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt.

 

I. Prüfungsmaßstab

 

Auf das im Juli 2001 beendete Arbeitsverhältnis war noch das bis 31. Dezember 2001 geltende Schuldrecht anzuwenden. Die Neuerungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, insbesondere die neue AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, war damit von den Gerichten in dieser Entscheidung noch nicht zu prüfen.

 

Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde das AGB-Gesetz in die §§ 305 ff. BGB überführt. Die Übergangsfristen des Art. 229 § 5 EGBGB sind dabei mittlerweile abgelaufen. Spätestens seit 1. Januar 2003 ist das neue Recht uneingeschränkt auf alle Arbeitsverhältnisse, auch solche die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, nunmehr anzuwenden.

 

Die hier zu besprechende Entscheidung hat dabei nach unserer Auffassung auch weitreichende Bedeutung für das neue Recht. Sie kann daher uneingeschränkt übertragen werden und ist damit von dauerhafter Bedeutung.

 

II. Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers

 

Nach Ziffer 3 der Zusatzvereinbarung hatte der Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf den Beendigungsgrund das Fahrzeug an den Arbeitgeber zurückzugeben und die für die restliche Laufzeit des Leasingvertrages zu entrichtenden Differenzraten in einem Einmalbetrag zu erstatten. Weitere Anspruchsvoraussetzungen oder insbesondere Ausschlusstatbestände waren nicht vereinbart. Die sich aus dem Ende des Arbeitsverhältnisses ergebenden nachteiligen Folgen waren damit ausschließlich dem Arbeitnehmer zugewiesen.

 

Diese Zusatzvereinbarung ist nach Auffassung des BAG mit den tragenden Grundprinzipien des Arbeitsrechts nicht vereinbar. Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber die Verantwortung für das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko zugewiesen (vgl. auch § 615 Satz 3 BGB). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitsplatz einzurichten, die Arbeit zu organisieren und dem Arbeitnehmer die Mittel zur Verfügung zu stellen, die er benötigt, um die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Zu diesen Betriebsmitteln gehört auch ein Dienstfahrzeug.

 

Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses enden grundsätzlich die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten. Für die Zusatzvereinbarung und die darin geregelte Zahlungspflicht des Klägers bei Wegfall der Nutzung des Dienstfahrzeuges gilt nichts anderes. Zahlungspflichten des Arbeitnehmers, die an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses knüpfen, bedürfen deshalb einer besonderen Rechtfertigung.

 

III. Alle Nachteile beim Arbeitnehmer!

 

Ein Sachgrund des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus an den Folgen der eigenen Investitionsentscheidung zu beteiligen, lag nicht vor. Die Vorteile des Arbeitnehmers beschränken sich auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Mit der vorliegenden Vertragsgestaltung sicherte sich der Arbeitgeber demgegenüber alle Vorteile. Er hätte das Fahrzeug einem anderen Arbeitnehmer zur Verfügung oder auch das Fahrzeug selbst durch einen der Geschäftsführer nutzen können. Letztlich hätte der ausgeschiedene Arbeitnehmer die Gehaltskosten des Arbeitgebers so weiter finanziert. Die Klausel war damit insgesamt unwirksam und der einbehaltene Gehaltsbetrag an den Arbeitnehmer zurückzuzahlen.

 

Hinweise für die Praxis:

 

Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob Rückzahlungspflichten nicht jedenfalls dann vereinbart werden können, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers beendet wird.

 

Weiter entspricht das vorliegende Urteil der Rechtsprechung des BAG zur Erstattung von Fortbildungskosten. In einer aktuellen Pressemitteilung hat der zuständige 6. Senat entschieden, dass eine Rückzahlungspflicht begründeten und billigenswerten Interessen des Arbeitgebers entsprechen muss. Daran fehlt es in der Regel, wenn die Rückzahlungspflicht auch bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung vereinbart ist.

 

Die Hürden für eine zulässige Rückzahlungsvereinbarung sind damit mehr als hoch. Der Inhalt etwaiger Zusatzvereinbarungen muss daher wohl überlegt und insbesondere mit den strengen Regeln der §§ 305 ff. BGB in Einklang gebracht werden.

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen                                                         

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