Wird die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt, haben Betriebsratsmitglieder Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes. Dies folgt aus § 37 BetrVG. Das dort geregelte Lohnausfallprinzip unterscheidet zwischen Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit und Betriebsratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit. In welchem Umfang Zeitgutschriften für Betriebsratstätigkeiten, die außerhalb der persönlichen Arbeitszeit erbracht werden, erfolgen müssen, hat nun das Bundesarbeitsgericht in einem praxisrelevanten Urteil geklärt (BAG v. 26.09.2018, 7 AZR 829/16).
Ein Anspruch auf Freizeitausgleich kann nur in dem Umfang entstehen, in dem auch Betriebsratstätigkeit erbracht wurde. (Copyright: AdrianHancu/iStock.com)
Der Fall:
Der Kläger ist Rettungssanitäter bei dem beklagten Verein, einem Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes. Er ist nicht freigestelltes Mitglied des Betriebsrates.
Auf das Arbeitsverhältnis finden tarifvertragliche Vorschriften Anwendung. Danach kann die Arbeitszeit auf Schichten von zwölf Stunden täglich ausgedehnt werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens zwei Stunden täglich fällt.
Der Kläger arbeitet in solchen Arbeitsschichten von zwölf Stunden täglich. Für ihn wird ein Arbeitszeitkonto geführt.
Im Jahre 2014 und 2015 nahm der Kläger insgesamt an 16 Tagen an jeweils achtstündigen Betriebsratssitzungen außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit teil. Für die Teilnahme an diesen Betriebsratssitzungen gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jeweils eine Zeitgutschrift von acht Stunden. So verfährt der Arbeitgeber auch bei anderen Betriebsratsmitgliedern.
Findet hingegen eine achtstündige Betriebsratssitzung während der persönlichen Arbeitszeit eines Betriebsratsmitgliedes statt, wird dieses Betriebsratsmitglied vom Arbeitgeber an dem betreffenden Tag nicht mehr zur weiteren Arbeitsleistung herangezogen, auch wenn das Betriebsratsmitglied in einer zwölfstündigen Schicht arbeitet, da ein sinnvoller Einsatz für die restliche Zeit – etwa in Teilschichten – nicht möglich ist.
Mit seiner Klage verfolgt der Rettungssanitäter für die genannten 16 Tage, an denen er in den Jahren 2014 und 2015 an Betriebsratssitzungen außerhalb seiner Arbeitszeit teilnahm, eine zusätzliche Zeitgutschrift von jeweils vier Stunden, insgesamt also von weiteren 64 Stunden. Er vertritt die Auffassung, der Arbeitgeber sei verpflichtet, nicht die tatsächlich aufgewendete Zeit von acht Stunden, sondern zwölf Stunden gutzuschreiben. Da während der Dauer der Betriebsratstätigkeit keine Arbeitsbereitschaft anfalle, entspreche eine arbeitstägliche Betriebsratstätigkeit von acht Stunden der im Rettungsdienst durch Zeiten der Arbeitsbereitschaft ausgedehnten zwölf Stunden Arbeitsschicht. Der Anspruch folge auch daraus, dass der Arbeitgeber anderen Rettungssanitätern, die während der Arbeitszeit an Betriebsratssitzungen teilnehmen, eine zwölfstündige Zeitgutschrift erteile. Auch bei der Teilnahme an achtstündigen schulischen Fortbildungen werde eine Zeitgutschrift von zwölf Stunden gewährt.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Ein Anspruch auf eine weitergehende Zeitgutschrift besteht nicht.
I. Lohnausfallprinzip
Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes. Mitglieder des Betriebsrates erhalten weder eine Amtsvergütung noch ist die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung. Vielmehr gilt das Lohnausfallprinzip.
Der in § 37 Abs. 3 BetrVG geregelte Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betrifft die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat.
Der Freizeitausgleich und die Betriebsratstätigkeit haben einander daher zu entsprechen. Der Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgeltes wegen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit erbrachter Betriebsratstätigkeit besteht in dem zeitlichen Umfang, in dem das Betriebsratsmitglied außerhalb der Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten wahrgenommen hat. Dies waren hier jeweils acht Stunden.
Hinweis für die Praxis:
Ein weitergehender Anspruch ist auch mit dem Ehrenamtsprinzip nicht vereinbar. Betriebsratsmitglieder dürfen durch ihre Betriebsratstätigkeit keine zusätzlichen Vergütungsansprüche erwerben. Das wäre aber der Fall, wenn das Betriebsratsmitglied für Zeiten, die es außerhalb der persönlichen Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeit aufwendet, einen Freizeitausgleichsanspruch erwerben würde, der über das Ausmaß der tatsächlich für Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeit hinausginge.
II. Arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz?
Das BAG hat auch keinen Anspruch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zugestanden. Dem Rettungssanitäter werden keine Leistungen vorenthalten, die andere Betriebsratsmitglieder in vergleichbarer Lage erhalten. Der Vergleich mit der Zeitgutschrift von zwölf Stunden bei Betriebsratstätigkeiten während der Arbeitszeit ist unzulässig. Während der Arbeitszeit gerät der Arbeitgeber nämlich in Annahmeverzug, wenn er die Arbeitsleistung nicht mehr in Anspruch nimmt. Bei außerhalb der Arbeitszeit erbrachter Betriebsratstätigkeit besteht aber keine Verpflichtung des Betriebsratsmitgliedes, weitere Arbeitsleistung über die Zeit der Betriebsratstätigkeit hinaus zu erbringen. Daher kann der Arbeitgeber auf deren Entgegennahme auch nicht verzichten, und Annahmeverzug kann nicht entstehen. Dies schließt einen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus.
III. Kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot
Der Kläger ist auch nicht unzulässig wegen seiner Betriebsratstätigkeit gegenüber anderen Arbeitnehmern nach § 78 S. 2 BetrVG benachteiligt worden. Ohne Erfolg macht er geltend, dass anderen Rettungssanitätern für die Teilnahme an achtstündigen Schulungsveranstaltungen ebenfalls eine Zeitgutschrift von zwölf Stunden auch dann gewährt wird, wenn die entsprechenden Tätigkeiten diese Zeitdauer nicht erreichen. Das BAG hat dazu klargestellt, dass diese Tätigkeiten aber immer auch mit der Arbeitszeit der jeweiligen Sanitäter zusammenfallen und nicht, wie hier, außerhalb der Arbeitszeit erbracht wurden. Insoweit ist der Arbeitgeber dann jeweils in Annahmeverzug geraten, wenn er auf weitere Arbeitsleistung verzichtet hat. Es gilt also das gleiche wie für Betriebsratsmitglieder, die während ihrer Zwölfstundenschicht zur achtstündigen Betriebsratssitzung herangezogen werden.
Fazit:
Der Entscheidung ist in vollem Umfang zuzustimmen. Betriebsratsmitglieder dürfen nicht bevorteilt werden. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich kann daher immer nur in dem Umfang entstehen, in dem auch Betriebsratstätigkeit erbracht wurde. Jede andere Bevorzugung würde den Grundsätzen der Betriebsverfassung und insbesondere dem Ehrenamtsprinzip widersprechen. Bei der Berechnung des jeweiligen Freizeitausgleichs ist daher genau zwischen Betriebsratstätigkeiten während der persönlichen Arbeitszeit und Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit zu differenzieren.
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