07.01.2020 -

Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) lässt in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG die Kürzung des Urlaubsanspruches während der Elternzeit für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu. Im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des EuGH und des BAG zum Schutz von Urlaubsansprüchen stellt sich die Frage, ob diese Kürzungsregelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Des Weiteren ist für die Praxis zu klären, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber die Kürzung erklären und vornehmen muss. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr in zwei aktuellen Urteilen diese Rechtsfragen für die Praxis abschließend geklärt (BAG v. 19.03.2019, 9 AZR 495/17 und 9 AZR 362/18). Wir möchten die Entscheidungen wegen der hohen Praxisrelevanz hier besprechen und vorstellen.


Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, die Kürzung des Urlaubsanspruchs für jeden vollen Monat der Elternzeit, ausdrücklich zu erklären. (Copyright: Robert Kneschke/stock.adobe.com)

Der Fall (verkürzt):

In beiden Verfahren haben die Klägerinnen nach ihrer Elternzeit das Arbeitsverhältnis beendet. Es ging daher in beiden Fällen um die Frage, ob noch Urlaubabgeltungsansprüche für die Dauer der jeweiligen Elternzeiten bestehen. Die Arbeitgeber hatten Urlaubansprüche abgelehnt und sich auf die Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG berufen.

In dem einen Verfahren ging es dabei um die Urlaubsabgeltung von 89,5 Urlaubstagen und damit einem Abgeltungsanspruch in Höhe von 16.936,13 € brutto. In dem anderen Verfahren ging es um 70 Urlaubstage und einen Abgeltungsanspruch in Höhe von 14.897,60 € brutto.

In dem Verfahren betreffend die 89,5 Urlaubstage hat das BAG einen Anspruch abgelehnt. Der Arbeitgeber habe noch rechtzeitig eine Kürzungsentscheidung getroffen und mitgeteilt. In dem anderen Verfahren wurde der Rechtsstreit zurückverwiesen. Die Rechtsausführungen sind jedoch in beiden Verfahren identisch.

Die Entscheidungen:

I. Vereinbarkeit mit Unionsrecht

Die sehr langen Ausführungen des 9. Senats zur Vereinbarkeit der Kürzungsregelung des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG mit Unionsrecht möchten wir hier im Einzelnen nicht wiedergeben. Dem interessierten Leser empfehlen wir hier die Lektüre des Entscheidungsgründe. Das Bundesarbeitsgericht hat ausführlich begründet, dass die Kürzungsregelung weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG noch gegen § 5 Nr. 2 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung verstößt. Vielmehr verwirklicht die Kürzungsregelung den im gesamten Urlaubsrecht anwendbaren allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Umfang des Erholungsurlaubs während des Urlaubsjahres zu bestehenden Arbeitspflicht ins Verhältnis zu setzen ist, indem die Urlaubsdauer im Wege der Kürzung an die während der Elternzeit ausgesetzte Arbeitspflicht angepasst wird.

II. Keine automatische Kürzung des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit

Der Arbeitgeber kann nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Die Anpassung des Urlaubsanspruchs wird weder automatisch noch durch einen Realakt des Arbeitgebers bewirkt. Möchte der Arbeitgeber den Anspruch auf Erholungsurlaub kürzen, muss er sein Kürzungsrecht ausüben. Dazu ist eine hierauf gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, die dem Arbeitnehmer zugehen muss.

Die Kürzungserklärung kann ausdrücklich oder stillschweigend abgegeben werden. Dazu ist es ausreichend, dass dem Arbeitnehmer – abweichend von seinem Urlaubsverlangen – nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn aufgrund sonstiger Umstände erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will.

III. Bestehendes Arbeitsverhältnis notwendig!

Die Regelung in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG setzt weiter voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Das Gesetz unterstellt allein den Erholungsurlaub der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen den Abgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

IV. Zeitpunkt der Kürzungsbefugnis

Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitgeber kann sein Wahlrecht erst dann sinnvoll ausüben, wenn er weiß, dass und für welchen Zeitraum Elternzeit in Anspruch genommen werden soll. Die Kürzungsbefugnis setzt somit ein Elternzeitverlangen nach § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG voraus, durch das der Umfang und die zeitliche Lage der Elternzeit festgelegt werden. Dieses Verständnis ist im Wortlaut des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG angelegt, der auf jeden vollen Kalendermonat „der“ Elternzeit abstellt.

Hinweis für die Praxis:

Die Erklärung muss also idealerweise ausdrücklich erfolgen, zu Nachweiszwecken schriftlich. In der Praxis bietet es sich an, die Kürzungsentscheidung gleichzeitig mit der Bestätigung der Elternzeit auszuüben und nachweisbar dem Arbeitnehmer zukommen zu lassen. Das BAG betont zwar, dass die Kürzungsentscheidung auch stillschweigend abgegeben werden kann. Dann muss aber für den Arbeitnehmer klar erkennbar sein, dass eine solche stillschweigende Erklärung erfolgt ist. Dies führt in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten und Unklarheiten, so dass davon dringend abzuraten ist.

V. Entgeltabrechnung allein nicht aussagekräftig

Das Ausweisen einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen und Entgeltabrechnungen wird von der Rechtsprechung ohne Vorliegen weiterer Anhaltspunkte regelmäßig nicht als Kürzungserklärung i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG anerkannt. Angaben in einer Entgeltabrechnung stellen grundsätzlich keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, sondern lediglich Wissenserklärungen dar. Die Abrechnung bezweckt in erster Linie die Information über die erfolgte Zahlung.

Fazit:

Der Entscheidung des BAG ist zuzustimmen. Während der Elternzeit können für jeden vollen Monat der Elternzeit die Urlaubsansprüche gekürzt werden. Der Arbeitgeber ist aber verpflichtet, diese Kürzung ausdrücklich zu erklären. Der Praxis kann nur dringend empfohlen werden, die Erklärung schriftlich und nachweisbar im bestehenden Arbeitsverhältnis, idealerweise zu Beginn der Elternzeit, zu erklären, um spätere Rechtsnachteile zu vermeiden.

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