Wer Kunst sammelt, tut dies in der Regel aus Leidenschaft. Wertsteigerungen sind oftmals ein angenehmer Nebeneffekt, setzen aber voraus, dass man sich von einem Werk oder gar der ganzen Sammlung trennt. Kunstliebhaber, die ihre im Besitz befindlichen Werke nicht als Spekulationsobjekt betrachten, ziehen daraus in der Regel keinen materiellen Nutzen. Der Gesetzgeber hat dies erkannt und stellt Kunstgegenstände unter bestimmten Voraussetzungen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer frei.

Der Teufel steckt dabei aber wie so oft im Detail: Zwar hatte der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2016 einige bis dato strittige Rechtsfragen geklärt (II R 56/14). Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil bislang aber nicht reagiert. Auch in den erst 2019 überarbeiteten Erbschaftsteuer-Richtlinien findet sich kein entsprechender Passus. Ende vergangenen Jahres hat sich nun erstmals das Bayerische Finanzministerium mit einem Rundschreiben (Az. 34 – S 3812 – 3/2 vom 27.11.2019) zu dem BFH-Urteil positioniert und schafft damit mehr Rechtssicherheit beim Verschenken und Vererben von Kunst.


Kunstgegenstände sind unter bestimmten Voraussetzungen von der Erbschaftsteuer befreit.
(Copyright: 4th Life Photography/adobe.stock)

Die gesetzlichen Vorgaben zum Vererben und Verschenken von Kunst

Der Erwerb von Kunst und Kunstsammlungen durch Schenkung oder Erbfall unterliegt der Erbschaftsteuer. Das gilt unter Umständen auch dann, wenn die Beteiligten Steuerausländer sind, sofern sie auch einen Wohnsitz in Deutschland haben (z.B. eine Ferienwohnung).

Je nach Steuerklasse und Wert der Kunst können bis zu 30 Prozent (Steuerklasse I) oder sogar 50 Prozent (Steuerklasse III) fällig werden. Besteht der Nachlass oder die Schenkung nur oder größtenteils aus Kunst, könnte dann der Verkauf einzelner Kunstgegenstände drohen und unter Umständen zu einer Wertminderung für den Rest des Bestandes führen.

Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) sieht in § 13 Abs. 1 Nr. 2 verschiedene Begünstigungen für den Erwerb von Kunst bzw. Kunstsammlungen durch Erbschaft oder Schenkung vor:

Zu 60 Prozent ihres Wertes steuerfrei bleiben solche Gegenstände (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 a) ErbStG), wenn

  • ihr Erhalt wegen der Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt,
  •  die jährlichen Kosten in der Regel die Einnahmen übersteigen und
  • die Gegenstände in angemessenem Umfang den Zwecken der Forschung oder Volksbildung nutzbar gemacht sind oder werden.

Vollständige Steuerfreiheit wird dann gewährt (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 b) ErbStG), wenn außerdem

  • der Steuerpflichtige bereit ist, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen,
  • die Gegenstände sich seit mindestens 20 Jahren in Familienbesitz befinden oder in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach den Vorschriften des Kulturgutschutzgesetzes eingetragen sind.

Die Steuerbefreiung fällt allerdings mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Gegenstände innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes

Im Jahr 2016 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) die Gelegenheit, sich zu dem für die volle Steuerbefreiung zentralen Thema zu äußern: Welche Anforderungen sind an die Bereitschaft des Erwerbers zu stellen, die betreffenden Kulturgüter den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen?

Der BFH stellte hierzu fest, dass es nicht erforderlich sei, dass die betreffenden Kulturgüter auch tatsächlich durch hoheitlichen Akt der Denkmalpflege unterstellt werden. Entscheidend sei vielmehr die Bereitschaft des Erwerbers, sie der Denkmalpflege zu unterstellen. Dabei handele es sich um ein subjektives Merkmal, auf das nur aus dem Vorliegen objektiver Indizien geschlossen werden könne. Dies erfordere eine individuelle Würdigung des Einzelfalls, zum Nachweis verpflichtet sei aber derjenige, der sich auf die steuerlichen Vorteile beruft, d.h. der Erwerber. Der Steuerpflichtige müsse daher geeignete objektive Anhaltspunkte darlegen, die einen Rückschluss auf seine subjektive Bereitschaft zulassen. Ausreichend sei dazu die Bekundung der generellen Bereitschaft durch den Steuerpflichtigen, einzelne Gegenstände den Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen, beispielsweise durch eine entsprechende Erklärung gegenüber der zuständigen Denkmalbehörde. Dies sei bei beweglichen Kunstgegenständen der Ort, an dem sich die Sammlung zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer befindet oder an den sie zeitnah verbracht wird (!).

Liegt eine solche Erklärung nicht vor, können auch andere Indizien für die Bereitschaft des Erwerbers herangezogen werden, z.B.

  • der Nachweis einer konservatorisch einwandfreien, sicheren Aufbewahrung und Pflege,
  • das nachweisliche Einleiten von Maßnahmen zur Instandhaltung, Instandsetzung, Sanierung, Restaurierung und Ergänzung,
  • der Abschluss eines Leih- und Kooperationsvertrages mit einem fachlich einschlägigen Museum,
  • die Eintragung von Kunstgegenständen in das Verzeichnis national wertvoller Kulturgüter.

Diese Maßnahmen müssen in angemessenem zeitlichen Zusammenhang nach dem Erwerb bereits vorhanden bzw. zumindest eingeleitet sein, wobei ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erwerb als rechtzeitig anzusehen ist.

Der BFH stellte ferner fest, dass auch bei einer Sammlung der 20-jährige Familienbesitz für jedes einzelne Kulturgut gesondert zu ermitteln ist. Sind einzelne Stücke der Sammlung noch nicht 20 Jahre im Besitz der Familie, gilt für die jüngeren Stücke nicht die volle Steuerbefreiung. Jüngere Stücke infizieren also nicht die gesamte Sammlung.

Rundschreiben des Bayerischen Finanzministeriums vom 27.11.2019

Das Bayerische Ministerium der Finanzen und für Heimat (Bayerisches Finanzministerium) hat nunmehr mit Rundschreiben vom 27.11.2019 (Az. 34 – S. 3812 – 3/2) die vom BFH entwickelten Grundsätze vollumfänglich übernommen und darüber hinaus klargestellt, dass die Steuerbefreiung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für bewegliche Gegenstände selbst dann zur Anwendung kommt, wenn die nach dem maßgebenden Landesdenkmalschutzgesetz gar nicht unter Schutz gestellt werden können. Dies gilt beispielsweise dann, wenn in dem Bundesland laut Gesetz nur Gebäude schutzfähig sind.

Eine bloß formale Absichtserklärung des Empfängers wird allerdings nicht reichen, sie muss auch mit entsprechender Ernsthaftigkeit untermauert werden. Trifft der Empfänger beispielsweise keine erhaltenden Maßnahmen, soll dies nach Meinung des Ministeriums die Ernsthaftigkeit der Absichtserklärung widerlegen. In diesem Fall ist dem Empfänger die Steuerbefreiung nicht zu gewähren bzw. entfällt sie rückwirkend innerhalb des Zehnjahreszeitraums.

Auch der vom BFH geforderte zeitliche Zusammenhang zwischen Erwerb und Einleitung erhaltender Maßnahmen wird seitens des Ministeriums konkretisiert: Werden die erhaltenden Maßnahmen erst nach mehr als sechs Monaten eingeleitet, kann die Steuerbefreiung nur noch in begründeten Ausnahmefällen gewährt werden. Dann ist vom Steuerpflichtigen darzulegen, welche Gründe (z.B. Erbstreitigkeiten) die fristgerechte Einleitung verhindert haben und warum der Erwerber dafür nicht verantwortlich war.

Empfehlungen für die Praxis

Wer wertvolle Kunst im Nachlass findet oder geschenkt bekommt, sollte binnen kurzer Zeit (weniger als sechs Monate) die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 b) ErbStG schaffen und seine Bereitschaft bekunden, die betreffenden Kulturgüter unter den Schutz der Denkmalpflege zu stellen. Dazu sollte eine entsprechende Erklärung gegenüber der zuständigen Denkmalschutzbehörde abgegeben werden. Will man vermeiden, dass eine tatsächliche Unterschutzstellung erfolgt, sollte die Sammlung vor Abgabe der Erklärung in ein Bundesland verbracht werden, in dem die betreffenden Kulturgüter nach Landesrecht gar nicht unter Schutz gestellt werden können. Gleichzeitig sollten ernsthafte Erhaltungsmaßnahmen (s.o.) eingeleitet werden, um die Ernsthaftigkeit der Erklärung zu untermauern.

Es sollten außerdem geeignete Nachweise vorgehalten werden, dass sich die Werke schon mindestens 20 Jahre in Familienbesitz befinden, beispielsweise durch Aufbewahrung der Quittungen (die als Herkunftsnachweis ohnehin selbstverständlich sein sollten), alte Familienfotos o.ä.

Hält man sich an die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 b) ErbStG, eignet sich Kunst auch sehr gut, um größere Vermögenswerte steuerfrei an die Erben zu übertragen. Dabei ist allerdings bei der Auswahl der Kunst Vorsicht geboten: Auch wenn die Preise auf dem Kunstmarkt seit einigen Jahren nur eine Richtung kennen, ist keineswegs sicher, dass das auch so bleibt. Da die Steuerbefreiung voraussetzt, dass die Kunstwerke bzw. die Sammlung erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist ab Erwerb durch den Empfänger veräußert werden dürfen, ist eine gewisse Wertbeständigkeit vonnöten, die nur bei Werken namhafter Künstler bestehen dürfte. Je attraktiver das Kunstwerk, desto leichter wird es wahrscheinlich sein, die übrigen Voraussetzungen zu schaffen, beispielsweise durch Abschluss eines Leihvertrages mit einem Museum. Auf jeden Fall muss den Empfängern für die Dauer von zehn Jahren ab Erwerb der Zugriff auf die Kunstwerke unmöglich sein, damit sie nicht vor Ablauf der Frist steuerschädlich veräußert werden. Dies kann unter anderem durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung sichergestellt werden.

Auch wenn sich durch die vorgenannten Maßnahmen steuerliche Belastungen vermeiden lassen, kann sich ein Zwang zur Veräußerung unter anderen Aspekten ergeben: Denn die Schenkung bzw. Vererbung wertvoller Kunstgegenstände kann ggf. Pflichtteilsansprüche anderer Personen auslösen und damit trotzdem zu erheblichen Liquiditätsbelastungen der Erben bzw. Beschenkten führen. Um dies zu vermeiden, sollte auf jeden Fall fachkundiger Rat eingeholt werden.

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