In Deutschland sind derzeit und bis auf weiteres Millionen Betriebe, Läden, Restaurants und andere Geschäftsräume geschlossen, entweder aufgrund behördlicher Anordnung oder als sonstige unmittelbare Folge der Covid-19-Pandemie. Als oberste Priorität gilt es, , Publikumsverkehr oder ganz allgemein „Menschenkontakt“ so weit wie möglich auszuschließen oder zu unterbinden, um die Verbreitung des Virus aufzuhalten. Die allermeisten dieser Räumlichkeiten sind gemietet, und zwar aufgrund von Mietverträgen, die langfristig und ohne Möglichkeit einer Aussetzung oder ordentlichen Kündigung abgeschlossen sind. Nach diesen Verträgen muss der Mieter die Miete weiterzahlen, ganz gleich, ob und in welchem Umfang er die Mieträume nicht oder nur eingeschränkt nutzt. Das Gesetz erlegt den Parteien bei der Gestaltung von gewerblichen Mietverträgen nur sehr geringe Grenzen auf. Es ist deshalb nicht nur ohne weiteres zulässig, sondern auch absolut marktüblich, dass der Mieter die vereinbarte Miete auch dann zu zahlen hat, wenn alle Kunden ausbleiben, alle Mitarbeiter gekündigt haben, die Belieferung mit benötigten Waren unterbleibt oder ähnliche Ereignisse eintreten, die nicht im Einflussbereich des Vermieters liegen.

Nicht im Einflussbereich des Vermieters − genau dies stellt Gewerbemieter in der aktuellen Situation vor einen potenziell existenzbedrohenden Konflikt: die Miete trotz Einstellung jeglichen Geschäfts- und Kundenverkehrs so lange weiter zahlen zu müssen, wie die Festmietzeit des Vertrages andauert. Rechtlich gesehen, handelt es sich bei den durch Allgemeinverfügungen und Verordnungen umgesetzten Maßnahmen der Behörden gegen die Covid-19-Pandemie um Ereignisse, die schon deshalb in den Einflussbereich des Mieters fallen, weil dieser, und nicht der Vermieter und Gebäudeeigentümer, Adressat der Maßnahmen ist. Hinzu kommt, dass die allermeisten gewerblichen Mietverträge das Risiko für betriebsbezogene Einschränkung oder Unmöglichkeit der Nutzung der Mieträume allein dem Mieter auferlegen. Schon nach dem gesetzlichen Leitbild ist der Vermieter nicht verpflichtet, den Mieter vor öffentlich-rechtlichen Beschränkungen zu schützen, die ihn als Vermieter nicht treffen und auf die er auch keinen Einfluss hat. Anders liegt es nur dann, wenn die Mieträume wegen Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Auflagen oder Bestimmungen nicht zum vertraglich vereinbarten Nutzungszweck geeignet sind, z.B. Vermietung von Laborflächen in Räumen, die die baulichen Sicherheitsvorschriften nicht erfüllen, oder Vermietung von Räumen zur Seminarnutzung, die brandschutzrechtlich nicht für den dauernden Aufenthalt größerer Teilnehmerzahlen geeignet sind.

Darauf, dass momentan Geschäftsräume von Gewerbebetrieben behördlich geschlossen werden, hat der Vermieter dagegen keinen Einfluss: Er kann den Mietgegenstand nicht so herrichten oder verändern, dass keine Schließung angeordnet oder eine angeordnete Schließung zurückgenommen würde. Auch stellen die behördlichen Maßnahmen grundsätzlich keinen Mangel des Mietgegenstandes, insbesondere nicht wegen Änderung von dessen „Geschäftsumfeld“ dar, weil solche Mängel bei Vertragsabschluss für den Vermieter vorhersehbar gewesen sein müssen – was auf die Corona-Krise natürlich nicht zutrifft.


Im Eilverfahren hat die Bundesregierung unter anderem beschlossen, dass Kündigungsmöglichkeiten von Miet-und Pachtverhältnissen aufgrund von Corona-bedingten Zahlungsversäumnissen eingeschränkt werden. (Copyright: peopleImages/Istockphotos)

Publikumsverkehr als Grundlage jeder gewerblichen Vermietung?

So betrachtet, ist aus der gesetzlichen und vertraglichen Risikoverteilung deshalb in der aktuellen Krise eigentlich kaum ein Lichtblick zu erwarten. Man muss allerdings berücksichtigen, dass ein Ereignis wie die Covid-19-Pandemie in der Geschichte des deutschen Mietrechts eine einzigartige Dimension einnimmt. Die Mietrechtsprechung hat sich bislang schlimmstenfalls mit den Folgen von Naturkatastrophen wie z.B. Hochwasser beschäftigen müssen. Nicht einmal die beiden Weltkriege stünden als geeigneter Vergleichsmaßstab zur Verfügung, kam es dort doch zur flächendeckenden Zerstörung der vermieteten Immobilien insgesamt und damit jedenfalls zu einem absoluten Leistungshindernis des Vermieters. Die Pandemie und die darauf ausgerichteten Maßnahmen führen demgegenüber zu der am weitest gehenden Einstellung jeglichen öffentlichen und sozialen Lebens, die Deutschland in Friedenszeiten jemals gesehen hat. Deshalb stellt sich durchaus die Frage, ob die Verantwortung hierfür unter bloßen Billigkeitsgesichtspunkten wirklich nur den Mieter treffen kann: Ist denn nicht notwendige Grundlage jeder gewerblichen Vermietung, dass objektiv ein Publikumsverkehr möglich ist, der überhaupt eine wie auch immer geartete gewerbliche Nutzung der Räume möglich macht?

Solche Überlegungen helfen allerdings dem Ladenbesitzer oder sonstigen Gewerbetreibenden, der sich überlegen muss, wie er die April-Miete finanzieren kann, nicht weiter. Ebenso wie die Frage, ob die Covid-19-Pandemie zu einer Störung oder einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen kann (mit der Folge, dass der Vertrag dann anzupassen oder äußerstenfalls gekündigt werden könnte), werden derartige grundsätzliche Erwägungen Gerichtsprozessen vorbehalten bleiben, die erst noch in Zukunft zu führen sind. Dennoch ist betroffenen Gewerbemietern zu empfehlen, mit professioneller Unterstützung durch anwaltliche Mietrechtsexperten einen genaueren Blick in ihren konkreten Mietvertrag zu werfen, um zu sehen, ob dieser Erleichterungen zulässt, etwa durch eine bestimmte Definition des Nutzungszwecks, für dessen Erhaltung möglicherweise auch den Vermieter eine Verantwortung trifft.

Mietstundung, aber keine Befreiung von der Zahlungspflicht

Die Notsituation haben auch die Bundesregierung und die Fraktionen der Großen Koalition schnell erkannt. In einem nie da gewesenen Eilverfahren wurde soeben das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht durch den Bundestag gebracht. Zu den gesetzgeberischen Notmaßnahmen gehören u.a. vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der Pandemie, und dort insbesondere eine Beschränkung der Kündigung von Miet-und Pachtverhältnissen (Art. 240 § 2 EGBGB). Vermieter können hiernach Gewerbemietverhältnis ebenso wie Wohnmietverträge

„… nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.“

Von dieser Regelung darf nicht – insbesondere nicht durch vertragliche Vereinbarung – zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.

Doch Vorsicht: Darin steckt nur eine Mietstundung, keine Befreiung von der Zahlungspflicht. Nach den (im Übrigen ganz normal weiter geltenden) Vorschriften des BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis außerordentlich fristlos kündigen, wenn der Mieter mit zwei monatlichen Mietzahlungen im Rückstand ist. Diese Möglichkeit fällt jetzt mit Blick auf die in den kommenden drei Monaten fällig werdenden Mieten weg. Allerdings ist die Regelung kein Freibrief für gleich jeden Gewerbemieter, keine Miete mehr zu zahlen. Zum einen bleibt die Miete grundsätzlich geschuldet, zum anderen tritt die Kündigungssperre und die de facto damit verbundene Mietstundung nur dann ein, wenn der Mieter glaubhaft machen kann, dass er wegen der Corona-Krise die Miete nicht zahlen kann. Das kann äußerstenfalls bedeuten, dass man dem Vermieter gegenüber aktuelle Geschäftsziffern, Kontostände o. ä. offenlegen muss. Nicht alle Vermieter werden allerdings darauf bestehen, weil sie im Zweifelsfall selbst in anderer Hinsicht wirtschaftlich von der Corona-Krise betroffen sind.

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Bild von  Thomas Krümmel, LL.M.
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