27.04.2020 -

Immer wieder kommt es zu Unsicherheiten bei der Frage, ob eine Kündigung wirksam und fristgerecht zugestellt worden ist. Die Rechtsprechung muss sich mit ständig neuen Fallkonstellationen befassen. So hatte nun das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zu entscheiden, ob eine Kündigung durch Einwurf in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers auch dann zugeht, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, dass sich der Arbeitnehmer krankheitsbedingt an einem anderen Ort befindet (LAG Schleswig-Holstein v. 01.04.2019, 1 Ta 29/19). Wir möchten die interessante Entscheidung zum Anlass nehmen, die Grundsätze noch einmal zusammenfassend darzustellen.


Der Arbeitnehmer hat die Pflicht, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Dies umfasst auch seinen Hausbriefkasten. (Copyright: Alexander Zlatnikov/adobe.stock)

Der Fall (verkürzt)

Prozessual spielte der Fall im Prozesskostenhilfeverfahren. Dem Arbeitnehmer wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussichten seiner Klage versagt. Hiergegen richtete sich der Kläger im Beschwerdeverfahren. Das LAG musste dann in diesem Verfahren entscheiden, ob die Kündigungsschutzklage hinreichenden Erfolg haben wird.

Dabei stützte sich der Kläger auf einen verspäteten Zugang der Kündigung. Unstreitig war das Kündigungsschreiben an der Wohnadresse des Arbeitnehmers am 21. Juli 2018 in den Briefkasten eingeworfen worden. Allerdings befand sich der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt nicht zuhause, sondern bei seinen Eltern, die an einem anderen Ort wohnen.

Der Arbeitnehmer machte daher geltend, die Kündigung sei ihm erst mehr als zwei Wochen später, nämlich am 7. August 2018, zugegangen. An diesem Tage habe seine Schwester die Kündigung aus dem Hausbriefkasten geholt und ihm übergeben. Die Wirksamkeit der Kündigung an sich stellte er nicht in Frage, sondern machte nur den entsprechend verspäteten Zugang mit der dann neuen verlängerten Kündigungsfrist geltend.

Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz einen Zugang zum 21. Juli 2018 bestätigt. Auf die Ortsabwesenheit des Klägers komme es nicht an.

Die Entscheidung

Im Beschwerdeverfahren hat das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Zugang einer Kündigung

Bei der Kündigung handelt es sich um eine sog. Willenserklärung. Willenserklärungen gehen, wenn sie nicht persönlich übergeben werden, unter zwei Voraussetzungen dem Empfänger zu:

Zunächst muss die Erklärung (gleich Kündigung) in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers (gleich Arbeitnehmer) gelangen und zweitens muss unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehen, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen.

Zum Bereich des Empfängers und seiner Verfügungsgewalt genügen dabei nach ständiger Rechtsprechung ein persönlicher Briefkasten. Die Frage, ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist dann ergänzend nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den Gepflogenheiten des Verkehrs zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.

Aber: Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr eine generalisierende Betrachtung geboten. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweiliger Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war.

Hinweis für die Praxis

Dem Arbeitnehmer obliegt also die Pflicht, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er solche Vorkehrungen, so wird der Zugang nicht ausgeschlossen. Vielmehr tritt der Zugang auch ein, wenn der Arbeitgeber von der Abwesenheit des Arbeitnehmers weiß.

II. Abweichende Vereinbarungen zulässig

Im vorliegenden Fall hatte sich der Arbeitnehmer auch darauf berufen, seine Schwester habe den Arbeitgeber angerufen und mitgeteilt, dass der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht zuhause anzutreffen ist. Die Schwester habe sogar darum gebeten, Post an ihre Adresse zuzustellen. Allerdings hat der Arbeitgeber dies abgelehnt. Eine Vereinbarung über einen anderen Zugang ist damit nicht zustande gekommen. Der Arbeitgeber war daher weiterhin berechtigt, Post an der Wohnanschrift des Arbeitnehmers zuzustellen. Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber die Zustellung an eine andere Adresse ausdrücklich zugesagt hätte. Dies war hier aber nicht der Fall gewesen.

Fazit

Der Fall zeigt einmal mehr, dass bei dem Zugang von Kündigungen größtmögliche Sorgfalt anzuwenden ist. Ein personalisierter Hausbriefkasten steht immer für eine sichere Zustellung an den Arbeitnehmer. Regelmäßig geht am Tag des Einwurfes das Schreiben auch zu. Nur wenn zu einer sehr späten Uhrzeit oder außerhalb der üblichen Postleerungszeiten ein Schreiben eingeworfen wird, geht es dann am nächsten üblichen Postleerungstag zu. Im Übrigen wiederholen wir hier nochmals unsere dringende Empfehlung, Kündigungen nur mit Boten zuzustellen. Dem Boten muss das Kündigungsschreiben im Original vorgelegt werden. Der Bote kann dann das Schreiben in den Hausbriefkasten einwerfen oder persönlich übergeben und einen Vermerk erstellen. Das Kündigungsschreiben muss im Original von dem kündigungsberechtigten Organ unterschrieben sein. Bei Gesamtvertretung von mehreren Geschäftsführern müssen alle Geschäftsführer unterschreiben. Werden Personen bevollmächtigt, muss der Kündigung eine Originalvollmacht beigelegt werden. Von der Zustellung durch Einschreiben (Übergabe- oder Einwurfeinschreiben) oder mittels einfacher Post ist abzuraten, da hier nach der Rechtsprechung Unsicherheiten bestehen.

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