Seit gut einer Woche steht die Corona-Warn-App der Bundesregierung zum Download bereit. Für Arbeitgeber drängt sich dabei die Frage auf, ob sie zwecks Arbeitnehmer- und Betriebsschutz die Installation und Benutzung der App verpflichtend anordnen können.
Dürfen Arbeitgeber die Installation und Benutzung der App verpflichtend anordnen? (Copyright: Michael Eichhammer / stock.adobe.com)
Funktionsweise der App
Die App funktioniert mithilfe der Bluetooth-Technik. Kommt es zu einer Begegnung mit anderen Menschen, auf deren Smartphones ebenfalls die Corona-Warn-App installiert ist, messen die Handys über die Stärke des Bluetooth-Signals den ungefähren Abstand der Personen zueinander sowie die Dauer der Begegnung. Übersteigen diese Referenzwerte einen gewissen Schwellenwert, tauschen die Geräte zuvor zufällig generierte Codes (sog. „Bluetooth-ID“) aus. Diese Codes werden verschlüsselt auf dem Smartphone der Benutzer für einen Zeitraum von 14 Tagen gespeichert. Eine Speicherung der Begegnungen oder sonstiger Daten auf einem externen Server findet nicht statt. Infiziert sich eine Person mit dem Virus, kann sie das positive Testergebnis in der Corona-Warn-App angeben. Um Missbrauch vorzubeugen, muss die infizierte Person jedoch eine Authentifizierung und Registrierung der Testergebnisse vornehmen. Dies kann etwa durch das Einscannen eines QR-Codes auf dem Testdokument oder durch die Eingabe einer mit dem Testergebnis zugeteilten TAN erfolgen. Anschließend werden die vom Smartphone der positiv getesteten Person erstellten Codes – vollständig pseudonymisiert – den Benutzern der App zum Abgleich über einen zentralen Server zur Verfügung gestellt. Die App überprüft dann lokal auf dem jeweiligen Smartphone, ob einer der Codes der infizierten Person in den letzten 14 Tagen empfangen wurde. Ist dies der Fall, warnt die App den Benutzer, dass Kontakt zu einer infizierten Person bestanden hat. Um den Datenschutz der infizierten Person zu gewährleisten, wird aber nicht angegeben, zu welchem Zeitpunkt der Kontakt stattgefunden hat.
Hinweis für die Praxis:
Für die Benutzung der App bedarf es keinerlei Registrierung oder Angabe persönlicher Daten. Eine Identifikation der Person ist damit ausgeschlossen – weder über die App selbst, noch über die ausgetauschten Zufallscodes. Ebenso wenig werden Standortdaten erhoben. Die einzigen, ausschließlich auf dem Handy des Benutzers erhobenen und gespeicherten Daten sind damit der gemessene Abstand, die Dauer der Begegnung und der jeweilige Zufallscode.
Direktionsrecht des Arbeitgebers
Ob der Arbeitgeber die Arbeitnehmer verpflichten kann, die Corona-Warn-App zu installieren und zu benutzen, hängt maßgeblich davon ab, ob es sich um ein Privat- oder Diensthandy handelt. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO erstreckt sich nur auf das Arbeitsverhältnis. Das Privatleben und die Art und Weise des Umgangs mit privatem Eigentum sind hingegen nicht umfasst. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer daher nicht verpflichten, die App auf dem privaten Handy zu nutzen.
Anders ist dies zu beurteilen, wenn es sich um ein Diensthandy handelt. Durch die Gestaltung der App ist es weder dem Arbeitgeber, noch Dritten möglich, die (Begegnungs-)Daten des Arbeitnehmers einzusehen. Angesichts des dadurch vergleichsweise geringen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an Arbeitnehmer- und Betriebsschutz und Krankheitsprävention. Zwar schützt die App nicht direkt vor einer Infektion, sie kann aber durch eine frühzeitige Warnung helfen, eine Infektionskette effektiv zu unterbrechen und damit das Risiko weiterer Erkrankungen oder gar der Schließung des Betriebs verringern. Selbiges lässt sich wohl auch bei privat genutzten Diensthandys vertreten. Zwar würde sich die Nutzung der App nach Ende der Arbeitszeit auch auf den privaten Bereich erstrecken. Das lässt sich aber durchaus rechtfertigen. Zum einen handelt es sich bei dem Diensthandy um das Eigentum des Arbeitgebers, welches er dem Arbeitnehmer zum Gebrauch überlässt. Damit obliegt es dem Arbeitgeber, Regelungen für diesen Gebrauch aufzustellen. Zum anderen hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einem effektiven Nutzen der Corona-Warn-App. Diese Effektivität wird nur erreicht, wenn die Risiko-Ermittlung der Warn-App durchgehend aktiviert ist. Insofern überwiegt das Interesse des Arbeitgebers, zumal der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, das Diensthandy tatsächlich privat zu nutzen.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Die Weisung zur Installation und Nutzung der Corona-App könnte eine Frage der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb darstellen, sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Frage käme. Zweifelhaft erscheint an dieser Stelle aber, inwieweit sich die Installation der App auf das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die Ordnung des Betriebes auswirken soll. Durch die reine Installation und Nutzung der App wird die Verhaltensweise der Arbeitnehmer weder individuell, noch kollektiv beeinflusst. Auch ändert sich die Art und Weise der Verwendung des Diensthandys nicht. Insofern bezieht sich die Weisung lediglich auf den Gebrauch des Diensthandys als Betriebsmittel und konkretisiert die Art und Weise der Arbeitspflicht (ähnlich in Bezug auf den Gebrauch von Messenger-Diensten Schrey/Kielkowski/Gola, MMR 2017, 736).
Ein aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG folgendes Mitbestimmungsrecht scheitert an der Voraussetzung des „Überwachens“: es fehlt schon an der Geeignetheit, das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers zu kontrollieren.
Aufgrund der bisherigen Freiwilligkeit der Nutzung der App und der nichtbestehenden Gesetzesgrundlage kann ein Mitbestimmungsrecht auch nicht auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gestützt werden. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht damit insgesamt nicht.
Alternativ könnte aber eine freiwillige Betriebsvereinbarung gemäß § 88 Nr. 1 BetrVG geschlossen werden. Zu beachten ist dabei, dass diese inhaltlich nicht weiter gehen darf als das Direktionsrecht es zulässt. Eine solche Vereinbarung darf sich damit auch nur auf als Diensthandy verwendete Smartphones beziehen.
Verhalten im Falle der Warnung
Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer Kontakt zu einer infizierten Person hatte und die App vor einem erhöhten Infektionsrisiko warnt, trifft den Arbeitnehmer eine Mitteilungspflicht als arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber also darüber informieren, dass er innerhalb der letzten 14 Tage Kontakt zu einer infizierten Person hatte. Mangels noch nicht nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit besteht keine Mitteilungspflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG.
Hinweis für die Praxis:
Diese arbeitsvertragliche Nebenpflicht ist grundlegender Natur, sodass sie auch unabhängig von der Installation der Corona-Warn-App besteht.
Spiegelbildlich zur Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers besteht für den Arbeitgeber ein Fragerecht bezogen auf eine mögliche Infektion. Erlangt der Arbeitgeber Kenntnis von dem erhöhten Infektionsrisiko eines Arbeitnehmers, kann er die Weiterarbeit im Home-Office oder eine bezahlte Freistellung bis zur Klärung anordnen. Erst eine tatsächlich nachgewiesene Infektion begründet eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des EFZG und damit auch die Pflicht zur Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EFZG.
Folge bei Weigerung oder Verstoß
Weigert sich der Arbeitnehmer, die App zu installieren oder kommt er seiner Mitteilungspflicht im Falle der Warnung durch die Corona-Warn-App nicht nach, stehen die üblichen arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, also Ermahnung, Abmahnung und zuletzt die Kündigung. Angesichts der Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers wird hier aber zur Zurückhaltung geraten.
Empfehlung des Arbeitgebers zur Installation auf dem Privathandy
Zwar kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht verpflichten, die Corona-Warn-App auch auf dem privaten Handy zu installieren. Im Interesse eine möglichst hohe Effektivität der App zu erreichen, sind Arbeitgeber aber nicht daran gehindert, die Installation auf dem Privathandy zu empfehlen.
Fazit
Zumindest im Hinblick auf Diensthandys steht Arbeitgebern ein Direktionsrecht zur Anordnung der Installation der Corona-Warn-App zu. Sinnvoll erscheint dies aber nur in Betrieben, die durch eine gewisse Häufigkeit an persönlichen Kontakten geprägt sind. Auch sollte bei einer etwaigen Anordnung berücksichtigt werden, ob die private Nutzung von Diensthandys vereinbart ist oder diese nach Ende der Arbeitszeit mitgenommen werden. Insgesamt erscheint eine freiwillige Betriebsvereinbarung verbunden mit der Empfehlung, die App privat zu nutzen, eine effektive und zugleich angemessene Lösung zu sein.
Auszeichnungen
-
TOP-Wirtschaftskanzlei für Arbeitsrecht(FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen(WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen(WirtschaftsWoche 2023, 2020)
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.