Bekanntlich hat das Bundesarbeitsgericht seine langjährige Rechtsprechung, wonach eine sachgrundlose Befristung für die Dauer von zwei Jahren erneut zulässig ist, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis (Zuvor-Arbeitsverhältnis) mit demselben Arbeitgeber länger als drei Jahre zurückliegt, aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundesarbeitsgericht hier strenge Vorgaben gemacht. Allerdings gibt es auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Ausnahmen zu diesem Vorbeschäftigungsverbot. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einem aktuellen Urteil nun mit den Kriterien für diese Ausnahmen befasst und der Praxis damit wertvolle Hinweise gegeben (BAG v. 12.06.2019, 7 AZR 429/17).
Eine sachgrundlose Befristung sollte nicht vereinbart werden, wenn der Mitarbeiter bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war (Copyright: stockfotos-MG/stock.adobe).
Der Fall
Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber als Montierer für die Zeit vom 1. September 2013 bis zum 31. August 2015 auf Basis von insgesamt vier Arbeitsverträgen befristet beschäftigt. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um seine erste Beschäftigung bei diesem Arbeitgeber. Vielmehr war der 1985 geborene Kläger bei dem beklagten Arbeitgeber bereits in der Zeit vom 26. Juli 2004 bis zum 4. September 2004, also etwas mehr als sechs Wochen, befristet beschäftigt gewesen. Seiner damaligen Anstellung lag ein Einstellungsschreiben vom 26. Juli 2004 zugrunde, in dem es auszugsweise heißt:
„Wir stellen Sie für die Zeit vom 26.07.2004 bis 04.09.2004 für die Abteilung W 020480 als Ferienbeschäftigter ein. …
Ihre individuelle regelmäßige Arbeitszeit richtet sich nach den örtlich vereinbarten Regelungen für Vollzeitbeschäftigte. Sie beträgt 35 Stunden pro Woche.
Als Vergütung für Ihre Tätigkeit im Akkordlohn erhalten Sie bei Eingruppierung in (Stamm-)Lohngruppe 04 einen Monatslohn von
1.688,05 Euro.
…“
Gegen die zum 31. August 2015 ablaufende Befristung hat der Kläger Befristungsklage eingereicht. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 TzBfG wegen seiner Vorbeschäftigung im Jahre 2004 nicht ohne Sachgrund gerechtfertigt. Der Arbeitgeber hat hingegen den Standpunkt eingenommen, die Befristung sei ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt. Das frühere Arbeitsverhältnis stehe der sachgrundlosen Befristung nicht entgegen, da das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bei der erneuten Einstellung länger als drei Jahre zurückgelegen habe. Die zwischenzeitlich eingetretene Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfe wegen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes keine Berücksichtigung finden.
Das Arbeitsgericht hat die Befristungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat hingegen im Berufungsverfahren das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben.
Die Entscheidung
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
I. Vorbeschäftigungsverbot
Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ist ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Allerdings ist die sachgrundlose Befristung dann nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitsgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Im Hinblick auf dieses Zuvor-Arbeitsverhältnis besteht also ein Vorbeschäftigungsverbot. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung aus dem Jahre 2011, wonach eine sachgrundlose Befristung auch dann weiterhin zulässig ist, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien länger als drei Jahre zurückliegt, aufgegeben.
II. Ausnahmen zum Vorbeschäftigungsverbot
Das Bundesverfassungsgericht und damit auch das Bundesarbeitsgericht lassen aber eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG und des dort niedergelegten Vorbeschäftigungsverbotes zu. Ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist jedenfalls unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung nicht besteht. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
So liegt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.
III. Kein Vertrauensschutz!
Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass kein Vertrauensschutz für die vorangegangene Rechtsprechung besteht. Die bisherige Rechtsprechung, wonach eine sachgrundlose Befristung erneut zulässig war, wenn das vorherige Arbeitsverhältnis länger als drei Jahre zurückliegt, begründet diesen Vertrauensschutz nicht. Das Bundesarbeitsgericht sieht darin keine „gesicherte Rechtsprechung“. So habe nämlich die Rechtsprechung aus dem Jahre 2011 von Anfang an erhebliche Kritik erfahren. Zudem sei höchstrichterliche Rechtsprechung kein Gesetzesrecht. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts komme aber Gesetzeskraft zu (vgl. § 31 Abs. 2 i.V.m. § 13 Nr. 11 BVerfGG).
Hinweis für die Praxis:
Damit sind alle Befristungen, die im Vertrauen auf die damalige Rechtsprechung vereinbart wurden, unwirksam, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, auch wenn dies länger als drei Jahre zurückliegt. Allerdings kann sich im Einzelfall eine vorherige Befristung dennoch als wirksam erweisen, dazu sogleich.
IV. Vorbeschäftigung liegt „sehr lang“ zurück
Im vorliegenden Fall lag die Vorbeschäftigung neun Jahre zurück. Dieser Zeitraum reicht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts keinesfalls aus, um eine „sehr lang“ zurückliegende Vorbeschäftigung anzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht geht bei typisierender Betrachtung davon aus, dass ein Erwerbsleben mindestens 40 Jahre umfasst. Damit könnte man, würde man eine neunjährige Unterbrechung zulassen, in einem Zeitraum von 40 Jahren jedenfalls vier sachgrundlose befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer schließen. Damit wäre aber die sachgrundlose Befristung nicht mehr die Ausnahme.
Hinweis für die Praxis:
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in weiteren Entscheidungen auch andere Zeiträume von acht Jahren, fünfeinhalb Jahren und sogar 15 Jahren als nicht ausreichend angesehen.
V. Vorbeschäftigung war „ganz anders geartet“ oder „von sehr kurzer“ Dauer
Im vorliegenden Fall könnte aber die Vorbeschäftigung aus dem Jahre 2014 deshalb unschädlich sein, weil sie nur von kurzer Dauer und anders geartet war. Es könnte sich hier um eine geringfügige Nebenbeschäftigung während der Ausbildungszeit des Klägers gehandelt haben. Eine solche Beschäftigung ist nicht selten von vornherein nur auf vorübergehende, häufig kurze Zeit und nicht auf eine längerfristige Sicherung des Lebensunterhaltes angelegt. Sie hat damit für die soziale Sicherung und für die Altersvorsorge regelmäßig nur untergeordnete Bedeutung und zumeist eine andere Tätigkeit zum Gegenstand als die spätere auf Dauer angelegte Erwerbstätigkeit.
Zu diesen Fragen hat das Landesarbeitsgericht aber keine abschließenden Feststellungen getroffen. Der Rechtsstreit war daher zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht wird nun weiter aufzuklären haben, ob es sich bei der Vorbeschäftigung des Klägers im Jahr 2004 um eine Nebenbeschäftigung während seiner Ausbildungszeit gehandelt hat. Allein die Bezeichnung der Tätigkeit als „Ferienbeschäftigung“ im Einstellungsschreiben ermöglicht noch keine abschließende Beurteilung.
Weiter wurde auch noch nicht festgestellt, ob es sich um eine geringfügige Nebenbeschäftigung gehandelt hat. Insoweit ist aufzuklären, ob es sich um eine berufsmäßige Beschäftigung handelte. Das kann der Fall sein, wenn die betreffende Tätigkeit nicht nur gelegentlich, sondern mit einer Regelmäßigkeit ausgeübt wird. Dazu bedarf es einer Beurteilung der gesamten Umstände des Einzelfalles und insbesondere der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der betreffenden Personen. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu klargestellt, dass allein der Umstand, dass die Vorbeschäftigung lediglich sechs Wochen dauerte, die Berücksichtigung als berufsmäßige Beschäftigung nicht ausschließt. Auch ist aufzuklären, ob es sich bei der damaligen Vorbeschäftigung um andere Tätigkeiten handelte als jene, die später ab dem 1. September 2013 zu erbringen waren.
Hinweis für die Praxis:
Der Kläger hatte offenbar erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen, dass er im Jahre 2011 auch kurze Zeit als Leiharbeitnehmer bei dem Arbeitgeber eingesetzt wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu klargestellt, dass Einsatzzeiten als Leiharbeitnehmer für die Frage des Vorbeschäftigungsverbotes unberücksichtigt bleiben. Ihnen kommt damit keine Bedeutung zu. Diese Klarstellung ist zu begrüßen.
Fazit
Der Praxis kann nur dringend geraten werden, eine sachgrundlose Befristung nicht zu vereinbaren, wenn der Mitarbeiter bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Die vorliegende Entscheidung macht deutlich, dass auch sehr lang zurückliegende kurze Einsatzzeiten von der Rechtsprechung kritisch beurteilt werden. Der Rechtsstreit wurde zwar noch nicht abschließend entschieden. Die Hinweise des Bundesarbeitsgerichts deuten aber eine strenge Beurteilung an. Die Risiken liegen allein auf Arbeitgeberseite. Zudem empfiehlt es sich, bei der Einstellung den Bewerber zu befragen, ob er bereits zuvor als Arbeitnehmer eingesetzt war. Diese Rechtsprechung gilt allerdings nur für die sachgrundlose Befristung. Liegen Sachgründe für die Beschäftigung vor, sind frühere Vorbeschäftigungszeiten für die Wirksamkeit der Befristung mit Sachgrund unbeachtlich.
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