20.08.2020 -

Datenschutzbeauftragte genießen in der Regel Sonderkündigungsschutz. Sie können nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 BGB gekündigt werden. Hier gelten also die Maßstäbe, die für eine fristlose Kündigung gelten. In kleineren Unternehmen ist aber die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nicht zwingend. Das Bundesarbeitsgericht hat sich nun mit der sehr praxisrelevanten und interessanten Frage befasst, ob ein einmal gewählter Datenschutzbeauftragter den Sonderkündigungsschutz verliert, wenn die Voraussetzungen für die notwendige Bestellung nicht mehr vorliegen (BAG v. 5.12.2019, 2 AZR 223/19).

Die Entscheidung befasst sich zwar mit der mittlerweile nicht mehr geltenden alten Fassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG aF), die im Zuge der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) neu gefasst wurde. Die in der Entscheidung getroffenen Grundwertungen gelten aber auch für die neue Fassung des BDSG. Die Entscheidung ist daher weiterhin sehr aktuell.


In kleinen Unternehmen ist die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nicht zwingend notwendig (Copyright: stockpics/adobe.stock)

Der Fall (verkürzt)

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Unternehmen, einer australischen Bankniederlassung in Frankfurt, beschäftigt. Er wurde mit Schreiben vom 1. Juni 2010 gem. § 4f BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) zum Beauftragten für den Datenschutz bestellt. In den Folgejahren beschäftigte die Bank an ihrem Standort in Frankfurt zwischen zehn und 13 Mitarbeitern, im Jahre 2016 noch neun Mitarbeiter.

Mit Schreiben vom 12. April 2017 kündigte die Bank das Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31. Juli 2017, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Mit einem weiteren Kündigungsschreiben vom selben Tag kündigte sie das Arbeitsverhältnis erneut ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist, diesmal zum 30. September 2017, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen beschäftigte die beklagte Bank in der Niederlassung in Frankfurt insgesamt acht Arbeitnehmer.

Der Kläger hat die Kündigungen mit seiner Kündigungsschutzklage angegriffen. Insbesondere aufgrund des Sonderkündigungsschutzes nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG aF sei er ordentlich gar nicht kündbar gewesen. Man hätte ihm nur außerordentlich kündigen können.

Die Bank hat hingegen die Auffassung vertreten, ihm stehe kein Sonderkündigungsschutz zu. Der Schwellenwert des § 4f Abs. 1 S. 4 BDSG aF, nämlich die Beschäftigung von mindestens neun Mitarbeitern, sei unterschritten worden. Damit habe kein Sonderkündigungsschutz mehr bestanden.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

Die Entscheidung

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Bestellungspflicht bei nichtöffentlichen Stellen

Bei der beklagten Bankniederlassung handelte es sich um eine nichtöffentliche Stelle i.S.v. § 4f Abs. 1 S. 4 BDSG aF. Der Kläger ist auch in der gebotenen Form zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden. Zum Zeitpunkt seiner Bestellung beschäftigte die Bank in der Regel mehr als neun Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten. Dem Kläger stand damit Sonderkündigungsschutz nach der alten Fassung des BDSG zu.

II. „In der Regel“ beschäftigte Arbeitnehmer

Der Sonderkündigungsschutz nach der alten Fassung setzte voraus, dass mehr als neun Personen in der Regel ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt wurden. Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke der Stelle und eine Einschätzung ihrer zukünftigen Entwicklung. Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Verarbeitungsanfalls sind dabei nicht zu berücksichtigen.

Hinweis für die Praxis:

Der Begriff der „in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer“ kommt auch in anderen Gesetzen vor, z.B. im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) oder auch im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). In Zweifelsfällen kann daher auf die Rechtsprechung zu diesen Gesetzen zurückgegriffen werden.

III. Absinken der Beschäftigtenzahl

Im vorliegenden Fall stellte sich nun die Spezialfrage, welche Auswirkungen auf den bestehenden Sonderkündigungsschutz mit einem Absinken der Beschäftigtenzahl unter den erforderlichen Schwellenwert verbunden sind. Nach der alten Fassung des BDSG mussten in der Regel ständig mehr als neun Personen beschäftigt werden. Zum Zeitpunkt der Kündigung waren unstreitig aber nur noch acht Personen beschäftigt. Endet der Sonderkündigungsschutz automatisch mit dem Absinken unter den Schwellenwert?

Das Bundesarbeitsgericht hat dies verneint. In entsprechender Anwendung zu § 15 KSchG hat das Bundesarbeitsgericht das Absinken des Schwellenwertes mit dem Ende des Sonderkündigungsschutzes und des Beginns der Nachwirkung nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG aF gleichgesetzt. Ein Absinken der Beschäftigtenzahl unter den Schwellenwert während der Tätigkeit als Beauftragter für den Datenschutz führt also nicht dazu, dass dessen Sonderkündigungsschutz entfällt. Vielmehr beginnt dann der einjährige Nachwirkungsschutz. Auch innerhalb dieses Jahres kann nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Hinweis für die Praxis:

Dies setzt dann freilich voraus, dass der Zeitpunkt des Absinkens unter den Schwellenwert zeitlich bestimmbar ist. Daran fehlte es im vorliegenden Fall, da die Vorinstanzen sich mit dieser Rechtsfrage nicht befasst hatten. Der Rechtsstreit wurde daher zurückverwiesen, damit der genaue Zeitpunkt aufgeklärt werden konnte.

IV. Geltung für Neufassung BDSG

Die Entscheidung hat weiter Geltung auch für die Neufassung des BDSG. Dort wird differenziert für die zwingende Bestellung eines Datenschutzbeauftragten in öffentlichen Stellen, §§ 5 ff. BDSG. Für die nichtöffentlichen Stellen gelten diese Vorschriften durch einen Verweis in § 38 BDSG entsprechend. Bei nicht öffentlichen Stellen ist ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen, soweit diese Stelle in der Regel mindestens 20 Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt. Liegen diese Voraussetzungen vor, gilt der Sonderkündigungsschutz nach § 6 Abs. 4 BDSG auch für den Datenschutzbeauftragten in der nichtöffentlichen Stelle. Wird hingegen der Schwellenwert von in der Regel 20 Personen unterschritten, gelten die hier dargestellten Grundsätze entsprechend. Dann beginnt der nachwirkende Kündigungsschutz. Wir der Schwellenwert unterschritten und später erneut überschritten, lebt der zwingende Sonderkündigungsschutz wieder auf. Dies gilt jedenfalls solange der Arbeitgeber die Bestellung des Beauftragten nicht widerruft.

Besteht der Sonderkündigungsschutz, kommt eine Kündigung immer nur dann in Betracht, wenn ein Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB vorliegt.

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