28.10.2020 -

In vielen Fällen sind sich die Arbeitsvertragsparteien darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis einvernehmlich nicht mehr erfolgreich fortgesetzt werden kann. In diesen Fällen kommt der Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder auch einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers in Betracht. Diese sind aber sozialrechtlich für den Arbeitnehmer nachteilhaft. Im Falle einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages verhängt die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld. In solchen Fällen kommt es vor, dass der Arbeitnehmer um den Ausspruch einer Kündigung bittet und verspricht, sich dagegen nicht vor dem Arbeitsgericht zur Wehr zu setzen (sog. „Wunschkündigung“).

Für den Arbeitgeber besteht dann das Risiko, dass er zwar kündigt, der Arbeitnehmer aber dennoch Klage – entgegen seines Versprechens – erhebt. Wie verhält es sich dann mit dieser Klage? Ist diese treuwidrig und unzulässig? Mit diesen wichtigen Fragen hatte sich nun das Hessische Landesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil zu befassen (Hess. LAG v. 9.12.2019, 16 Sa 839/19).


Der Wunsch nach einer Kündigung ist rechtlich unbeachtlich (Copyright: /adobe.stock).

Der Fall

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Autohaus seit 2. Mai 2018 als Serviceberater beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung betrug 3.900 EUR. Es waren mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Arbeitgeber kündigte mit Schreiben vom 15. November 2018 fristgerecht zum 15. Dezember 2018. Hiergegen hat der Arbeitnehmer fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben.

In dem Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Folgendes vorgetragen:

„Die Beklagte ist keine arbeitnehmerfreundliche Arbeitgeberin. Sie gewährt nicht einmal den erarbeiteten Urlaubsanspruch und vergütet auch dann keine Überstunden, wenn diese weit über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen. Dies geht bereits aus dem Vortrag der Beklagten in diesem Verfahren hervor. Arbeitnehmerrechte werden beschnitten und nicht beachtet, wie man den Äußerungen der Geschäftsführerin in der Güteverhandlung klar und deutlich entnehmen konnte. Dies ergibt sich zudem aus dem bisherigen anwaltlichen Vortrag der Beklagten. Allein in den Monaten Mai bis November 2018 – also innerhalb kürzester Zeit – verließen daher über zehn Mitarbeiter den Betrieb der Beklagten. (…). Am Tag darauf, am 15. November 2018, klingelte es beim Kläger an der Haustür. Die Geschäftsführerin A und eine Mitarbeiterin der Beklagten klingelten Sturm. Der Kläger öffnete die Tür und Frau A sagte dem Kläger höhnisch, sie fände nicht, dass er krank aussehen würde und sie habe ihm aus diesem Grund bereits gekündigt. Die Kündigung wurde von ihr persönlich in den Briefkasten des Klägers eingeworfen. Der Kläger hatte einen Schal um und war kaum in der Lage, sich zu artikulieren, da er wegen der entzündeten Atemwege kaum einen Ton herausbrachte. Dieses unverschämte Auftreten der Frau A sowie die offensichtlich falsche Beschuldigung, die lautstark vor der Wohnung des Klägers ausgesprochen wurde, wurde rücksichtlos vor der Zeugin und den Nachbarn des Klägers ausgesprochen. Durch dieses Verhalten hat die Geschäftsführerin vor Zeugen den Kläger diffamiert und als blaumachenden Arbeitnehmer abgestempelt, der krankfeiert und seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt. Eine ähnliche Äußerung tätigte die Geschäftsführerin in der Güteverhandlung vom 1. Februar 2018. Sie sagte, sie sei sicher, dass der Kläger auch bei seinem ehemaligen Arbeitgeber die „gleiche Nummer“ abgezogen habe und „krank gemacht“ habe. Diese Äußerungen fanden im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung statt und dass sie jeglicher Grundlage entbehren, stellen sie falsche Tatsachenbehauptungen dar, die ins Blaue hinein und ohne Anhaltspunkte von der anwaltlich vertretenen Geschäftsführerin geäußert wurden. Frau A hat nicht nur in der Güteverhandlung gezeigt, dass sie gerne nach „Gutsherrenart“ gegenüber dem Kläger auftritt und sich in keinster Weise um arbeitsrechtliche Regelungen schert, sondern schreckt auch mit dem vorliegenden Vortrag – trotz anwaltlicher Vertretung – nicht davor zurück, dem Kläger auch falschen Vortrag unterzuschieben. (…). Die Beklagte schein es aber generell nicht so genau mit dem Wahrheitsgebot zu nehmen, wie der nächste Punkt zum Urlaubsanspruch klar und deutlich zeigt.“

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts in vollem Umfange bestätigt. Zudem hat das Landesarbeitsgericht einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Überschrift

Der Arbeitgeber hat sich zunächst auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn sich der Arbeitnehmer auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung berufe, obwohl er selbst den Ausspruch der Kündigung gewünscht habe.

Ein solcher Vorausverzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist rechtlich, sollte er denn tatsächlich erklärt worden sein, unwirksam. Im Kündigungsrecht gilt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Kündigungen sind nur wirksam, wenn sie schriftlich erklärt werden. Mündliche Kündigungen sind hingegen unwirksam. Hieraus wird ein Wertungswiderspruch abgeleitet, wenn man eine mündlich erklärte Kündigung für unwirksam nach § 623 BGB ansieht, einen mündlich geäußerten Wunsch nach einer Kündigung aber als wirksam. Ein Arbeitnehmer wäre dann bei einem mündlich geäußerten Wunsch nach einer Kündigung weniger geschützt als bei einer von ihm selbst ausgesprochenen mündlichen Kündigung.

Ein Arbeitnehmer kann also nicht an seinem Kündigungsverlangen wirksam festgehalten werden und insbesondere kann ihm die Möglichkeit der Kündigungsschutzklage nicht abgeschnitten werden.

Hinweis für die Praxis:

Der Wunsch nach einer Kündigung ist damit unbeachtlich. Arbeitgeber können nicht wirksam kündigen, wenn ein Arbeitnehmer den Ausspruch einer Kündigung fordert. Eine Kündigung ist nur wirksam, wenn Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorliegen.

II. Unwirksamer Auflösungsantrag bei Wunschkündigung

Das Landesarbeitsgericht hat sich dann weiter mit dem Auflösungsantrag des Arbeitgebers befasst.

Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG kommen Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, Leistung oder Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht in einem schuldhaften Verhalten eines Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist die objektive Lage.

Beispiele für einen Auflösungsgrund sind z.B. Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber. Auch bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen können eine gedeihliche künftige Zusammenarbeit in Frage stellen. Schließlich kann auch das Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Parteien zur Verteidigung ihrer Rechte alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Anerkannt ist insbesondere, dass ein Verfahrensbeteiligter starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagwörter benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt freilich nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht.

Trotz der teilweise oben zitierten sehr starken Wortwahl des Prozessbevollmächtigten des Klägers, die sich dieser zurechnen lassen muss, lagen hier Gründe für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht vor. Die Ausführungen mögen zwar überspitzt gewesen sein, sie bewegen sich aber noch im Rahmen einer zulässigen Rechtsmeinung. Im Vordergrund steht nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts die sachbezogene Prozessführung. Die hohen Anforderungen an einen Auflösungsgrund lagen hier daher nicht vor.

Fazit

Der Wunsch nach einer Kündigung ist rechtlich unbeachtlich! Ein Arbeitgeber ist daher nicht rechtssicher, wenn er dem Wunsch nach einer Kündigung nachkommt. Klagt der Mitarbeiter dennoch, wird der vorher geäußerte Wunsch bei der Prüfung der Kündigung nicht berücksichtigt. Es müssen vielmehr handfeste Gründe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes vorliegen. Das Risiko trägt also allein der Arbeitgeber.

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