Kommt es zur arbeitgeberseitigen Kündigung, stellt der Arbeitgeber bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen den Arbeitnehmer häufig bis zum Ende der Kündigungsfrist frei. Gerade Chefärzte können ein gesteigertes Interesse daran haben, ihrer Tätigkeit ununterbrochen nachzugehen. Die Frage ist, ob der Chefarzt sich gegen eine solche „Zwangspause“ wehren kann.


Ohne vertragliche Grundlage kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres freistellen (Copyright: Kzenon/adobe.stock).

Der Fall

Eine Chefärztin wurde nach Kompetenzstreitigkeiten abgemahnt, worauf sie mit einem 21-seitigen Schreiben reagierte. Nach weiteren Auseinandersetzungen erfolgte die ordentliche Kündigung, wogegen sie sich gerichtlich wehrte. Nach ihrem Arbeitsvertrag konnte der Dienstgeber im Fall der Kündigung die Chefärztin von der Arbeit freistellen. Hiervon machte die Klinikleitung Gebrauch. Die Chefärztin begehrte daraufhin vorläufigen Rechtsschutz, um bis zum gerichtlichen Termin über die Kündigungsschutzklage weiterbeschäftigt zu werden. Durch fehlende Operationsmöglichkeiten verliere sie an Routine und Reputation. Sie könne den Kontakt zu anderen Ärzten nicht mehr pflegen und sei von fachlichen Entwicklungen abgeschnitten. Weiterhin drohe der Verlust des Patientenstamms. Zudem könne sie nur in den Räumlichkeiten der Klinik die ihr erlaubte private Behandlung von Patienten durchführen.

Die Entscheidung

Der Antrag wurde abgelehnt. Es fehle an einem Verfügungsgrund. Ein besonderes Beschäftigungsinteresse bestehe nicht. Das Krankenhaus habe ein berechtigtes Interesse daran, die Chefärztin nicht weiter zu beschäftigen. Begründet wurde dies mit erheblichen Spannungen, die sich aus der E-Mail-Korrespondenz ableiten ließen. Demnach habe die Klinikleitung davon ausgehen können, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich wäre.

Demgegenüber hätten die Interessen der Chefärztin zurückzutreten. Insbesondere drang die Chefärztin nicht mit dem Argument durch, dass sie ihre Operationsfähigkeiten ohne Berufspraxis einbüßen würde. Bei anderen Ereignissen wie Krankheit, Forschungsprojekten oder Elternzeit komme es ebenfalls zu längeren Ausfallzeiten. Ein besonderer Kompetenzverlust durch ausbleibende Operationen sei nicht ersichtlich. Dies gelte gerade dann, wenn sich ein Arzt auf dem Zenit seiner Tätigkeiten befinde. Über neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Medizintechnik könne sie sich durch Fachzeitschriften und Kongresse informieren, im Übrigen würden neue Operationstechniken keineswegs sofort in den Klinikbetrieb übernommen. Kontakte zu anderen Ärzten könne sie auch ohne Beschäftigung pflegen. Inwieweit die berufliche Reputation beeinträchtigt werde, konnte das Gericht nicht erkennen. Entstehende Spekulationen in der Öffentlichkeit über die Umstände des Ausscheidens könnten der Klinikleitung nicht entgegengehalten werden. Der Verlust des Patientenstamms drohte nach dem LAG auch nicht, da die Chefärztin weiterhin Zugang zur Klinik hatte und dort ihrer Nebentätigkeit nachgehen konnte.

Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung sei auch nicht offenkundig, da eine Freistellungsklausel bestanden habe und diese nicht evident unwirksam sei. Ob die Klausel eine unangemessene Benachteiligung mit sich bringe und aus diesem Grund unwirksam sei, ließ das LAG offen. Zumindest sei dies nicht offenkundig. Wenigstens bei einem Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers in leitender Position, das auf eine besonders belastbare Vertrauensgrundlage angewiesen sei, spräche viel für die Wirksamkeit der Freistellungsklausel. Schließlich werde die Gehaltsfortzahlung nicht berührt.

Fazit

Die durchaus nachvollziehbar klingenden Argumente der Chefärztin führten hier nicht zum Erfolg. Ohne vertragliche Grundlage kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres freistellen. Ob und mit welchen Voraussetzungen Freistellungsklauseln wirksam vereinbart werden können, ist umstritten. Regelmäßig wird ein Beschäftigungsanspruch im einstweiligen Rechtsschutz geltend gemacht werden. Hält ein Gericht die Unwirksamkeit einer Freistellungsklausel nach überschlägiger Prüfung für gut möglich, kommt es auf die gegenseitige Interessenlage an. Das Ergebnis kann im Einzelfall durchaus anders ausfallen als im vorliegenden Fall.

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