Zahlreiche Kliniken sind in kirchlicher Trägerschaft. Über einige Jahre musste sich die Rechtsprechung mit einem Fall beschäftigen, bei dem ein katholischer Chefarzt eine aus Sicht der Kirche ungültige Ehe eingegangen war – mit günstigem Ausgang für den Chefarzt.


In kirchlichen Krankenhäusern können sich vielfältige religionsbezogene Konflikte ergeben (Copyright: upixa/adobe.stock).

Der Fall

Der katholische Kläger war als Chefarzt bei einer katholischen Trägergesellschaft eines Krankenhauses angestellt. Nach der kirchlichen Grundordnung, auf die im Arbeitsvertrag Bezug genommen wurde, handelte es sich beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis der katholischen Kirche ungültigen Ehe um einen schweren Loyalitätsverstoß, der zur Kündigung berechtige. Im Krankenhaus waren auch nicht katholische Abteilungsärzte beschäftigt. Der Chefarzt ließ sich von seiner ersten Ehefrau, die er kirchlich geehelicht hatte, scheiden und heirate ein zweites Mal. Nach kirchlichem Rechtsverständnis ist eine Ehe –vereinfacht gesagt – ungültig, wenn zuvor eine andere Ehe geschlossen worden ist. Die Trägergesellschaft kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis, wogegen sich der Chefarzt wehrte.

Die Entscheidung

Die Kündigung sei nicht gerechtfertigt, so das BAG. Die vertragliche Loyalitätspflicht, keine zweite Eheschließung einzugehen, sei wegen ihres diskriminierenden Charakters unwirksam. Der Chefarzt werde wegen seiner Religion benachteiligt, da das Leben in einer kirchlich ungültigen Ehe nur bei katholischen Angestellten als Verstoß gegen die Loyalitätsanforderungen gewertet wurde. Dies ergab sich bereits daraus, dass nur diese auch kirchlich verheiratet sein konnten. Eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 2 AGG wurde im Ergebnis abgelehnt. § 9 AGG sei dahingehend auszulegen, dass religionsspezifische Anforderungen nur dann gestellt werden können, wenn diese nach der Art der betroffenen Tätigkeit eine besondere berufliche Anforderung darstellen. Dies folge aus den unionsrechtlichen Vorgaben. Der Chefarzt sei nicht zur Verkündigung eingesetzt. Der Bezug der Heiltätigkeit zum karitativen Wirken rechtfertige keine Differenzierung zu den nicht religionsgebundenen Ärzten. Auch die Vorgesetztenstellung des Chefarztes sowie die Erfüllung repräsentativer Aufgaben konnten die Ungleichbehandlung nicht entschuldigen.

Fazit

In kirchlichen Krankenhäusern können sich vielfältige religionsbezogene Konflikte ergeben. Auch wenn die kirchliche Grundordnung nunmehr die Wiederverheiratung nicht mehr als Kündigungsgrund nennt, bleibt das Verhältnis der Chefarztposition zu besonderen kirchlichen Loyalitätspflichten ein wichtiges und schwieriges Themenfeld. Geboten sind Differenzierungen nach der Nähe der Tätigkeit zum Verkündungsauftrag. Bei Chefärzten besteht eine solche Nähe nach dem BAG nicht.

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