24.11.2020 -

Im Mittelpunkt dieses Urteils des Bundessozialgerichts vom 13.5.2020 (B 6 KA 11/19 R) steht die Feststellung, dass bei einem Antrag auf Anstellungsgenehmigung nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs die Qualifikation des anzustellenden Arztes geprüft und im Rahmen einer Auswahlentscheidung relevant wird, nicht die Qualifikation des antragstellenden Arztes.


Die Entscheidung des BSG vereinheitlicht die rechtliche Beurteilung von Zulassungsentscheidungen nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen (Copyright: Peakstock/adobe.stock).

Der Sachverhalt

Nach teilweiser Entsperrung eines Planungsbereichs in Schleswig-Holstein war für die Fachgruppe der Augenärzte ein halber Versorgungsauftrag zu vergeben.

Unter den Bewerbern befanden sich u.a.

  • Dr. B., der mit Dr. C. in örtlicher Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) am Standort S. tätig war und sich zwecks Anstellung von Frau Dr. T. bewarb. Frau Dr. T. war seit 1992 approbiert, seit 2012 Fachärztin für Augenheilkunde und seit 2015 in der Warteliste eingetragen. 
  • Dr. K., der in überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaft in der Betriebsstätte N. tätig war und sich für eine weitere halbe Zulassung am ländlichen Standort T. bewarb. Er war seit 2003 approbiert, seit 2006 Facharzt für Augenheilkunde und seit 2008 in der Warteliste eingetragen. 

Der Zulassungsausschuss erteilte Dr. K. die halbe Zulassung für den Standort T. und lehnte die Anträge der übrigen Bewerber ab. Der Widerspruch des Dr. B. wurde vom beklagten Berufungsausschuss mit Bescheid vom 30.5.2016 zurückgewiesen.

Die Vorinstanzen

Die von Dr. B. und seinem Kollegen Dr. C. – gemeinsam als BAG – eingelegte Klage wurde vom Sozialgericht Kiel als unzulässig abgewiesen, da die BAG nicht Adressatin des angegriffenen Ablehnungsbescheids war. Stattdessen, so das Sozialgericht, hätte Dr. B alleine klagen müssen.

Das in Berufung angerufene Landessozialgericht (LSG) teilte die Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht. Es bejahte zwar die Klagebefugnis der BAG, im Übrigen blieb die Berufung jedoch erfolglos. Das Gericht wies die Berufung der BAG mit Urteil vom 12.6.2018 ab.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts

Die Klägerin bewies einen langen Atem und ging in Revision. Sie argumentierte, es sei fehlerhaft, bei der Auswahlentscheidung auf die Qualifikation der anzustellenden Ärztin Dr. T. abzustellen. Stattdessen seien die entsprechenden Merkmale der Antragstellerin, also der BAG, heranzuziehen.

Prozessuales Detail am Rande: Die anzustellende Ärztin Dr. T. stand mittlerweile für eine Anstellung bei der BAG gar nicht mehr zur Verfügung. Das ursprünglich mit der Klage verfolgte Begehren – die Erlangung der Anstellungsbefugnis für Dr. T. – wäre ins Leere gelaufen. Die Klägerin hatte jedoch weiterhin ein großes Interesse an der Beantwortung der Frage, auf wessen Qualifikation bei einer Anstellungsgenehmigung im Rahmen einer Auswahlentscheidung abzustellen sei: die der anstellenden BAG oder des anzustellenden Arztes. Dies sei für zukünftige Anträge von großer Bedeutung. Die BAG stellte also ihre ursprüngliche Klage, gerichtet auf die Genehmigung der Anstellung der Frau Dr. T um, auf eine sog. Fortsetzungsfeststellungsklage, mit dem Ziel, jedenfalls festzustellen, dass die Entscheidung des Berufungsausschusses rechtswidrig war. Dies war, so das BSG, zulässig, da die BAG auch ein Interesse daran hat, für künftige vergleichbare Situationen eine Klärung zu erreichen. 

Antrag auf Anstellung: Wessen Qualifikation zählt?

Das BSG folgte der Argumentation der BAG im Übrigen aber nicht. Im Falle des Antrags auf Anstellung eines Arztes sei die Qualifikation des anzustellenden Arztes relevant, nicht die des Antragstellers. Letzterer sei als Arbeitgeber zwar weisungsbefugt, doch der Angestellte arbeite weitestgehend eigenverantwortlich. Bei einer Auswahlentscheidung seien nur jene Ärzte miteinander zu vergleichen, die die vertragsärztliche Tätigkeit auf dem begehrten Arztsitz auch in persona ausüben sollen. Die im Rahmen der Auswahlentscheidung zu prüfenden Merkmale dienen dabei der Bewertung ihres ärztlichen Erfahrungswissens. Der anzustellende Arzt steht somit im Fokus. Insofern waren im vorliegenden Fall zutreffenderweise Dr. K. und Dr. T. miteinander zu vergleichen.

Die Kriterien bei der Auswahlentscheidung

Zur Entscheidungsfindung unter mehreren Bewerbern dient der Vergleich verschiedener Kriterien aus § 26 Abs. 4 Nr. 3 der Bedarfsplanungs-Richtlinie, im Einzelnen:

  • berufliche Eignung 
  • Dauer der ärztlichen Tätigkeit 
  • Datum der Approbation 
  • Datum der Eintragung in die Warteliste 
  • bestmögliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes 
  • Versorgungsschwerpunkte (z.B. Fachgebietsschwerpunkt, Barrierefreiheit) 

Im Hinblick auf die Kriterien berufliche Eignung und Versorgungsschwerpunkt gab es keine Anhaltspunkte, einen der beiden Bewerber zu bevorzugen. Auch die Approbation lag bei beiden Ärzten hinreichend lange zurück.

Nach Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 8.12.2010, Az. B 6 KA 36/09 R) sind Bewerber im Hinblick auf Approbationsalter und Dauer der ärztlichen Tätigkeit gleich zu bewerten, wenn sie die jeweilige Tätigkeit schon länger als fünf Jahre ausüben. Nach dieser Zeit sei ein gewisser Erfahrungsschatz und ein entsprechender Standard in den meisten ärztlichen Bereichen vollends erreicht.

Der Beginn der fachärztlichen Tätigkeit lag bei Dr. T. im Zeitpunkt der Entscheidung jedoch noch keine fünf Jahre zurück und auch hinsichtlich der Eintragung in die Warteliste hatte Dr. K. einen längeren Zeitraum als Dr. T. vorzuweisen. Dr. K. war daher schlußendlich hinsichtlich dieser Merkmale zu bevorzugen.

Beim Vergleich der Praxisstandorte beider Bewerber stand die bestmögliche Versorgung der Versicherten im Mittelpunkt. Dabei war nicht auf die Patientenstruktur der jeweiligen Praxis, sondern abstrakt auf die im Einzugsgebiet lebenden Versicherten abzustellen. Dr. K. mit Praxisstandort in einem unterversorgten ländlichen Gebiet wurde daher zu Recht gegenüber Dr. B. bevorzugt, dessen Praxis in einem weitaus besser versorgten Gebiet lag.

Die vom Ausschuss getroffene Entscheidung zugunsten von Dr. K. war rechtmäßig. Die Revision der BAG wurde zurückgewiesen.

Am Rande der Entscheidung äußert sich das BSG im Übrigen zu eventuell auch relevanten Versorgungskonzepten („Ergänzung eines besonderen Versorgungsangebots“), was aber für den hier zu entscheidenden Sachverhalt keine Rolle spielte.

Fazit

Die Entscheidung des BSG vereinheitlicht die rechtliche Beurteilung von Zulassungsentscheidungen nach Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen. Unabhängig davon, ob es um die Frage einer (eigenen) Zulassung als Vertragsarzt oder einer Genehmigung einer Anstellung eines Arztes in einer Praxis, einer BAG oder einem MVZ geht, ist § 26 Bedarfsplanungsrichtlinie anzuwenden, wobei bezüglich seiner einzelnen Kriterien im Wesentlichen auf die Person des anzustellenden Arztes abzustellen ist. Das ist sachlich richtig. Ansonsten käme es zum vielzitierten Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

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