Das DIW hat eine Studie zur Verteilung von Erbschaften und Schenkungen vorgelegt (vgl. DIW Wochenbericht 5/2021, S. 63-71). Die Ergebnisse der Studie haben es in sich und werden vermutlich die politische Diskussion befeuern – nicht zuletzt deshalb, weil das DIW eine weitgehende Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) fordert, auch um

„…der hohen Staatsverschuldung durch die Hilfsmaßnahmen in der Corona-Pandemie entgegenwirken.“

Grund genug, sich die Ergebnisse der Studie näher anzusehen.


In einer jüngst veröffentlichten Studie analysiert das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) die Verteilung von Erbschaften und Schenkungen (Copyright: PIXMatex/adobe.stock).

Die wesentlichen Ergebnisse der Studie

Das DIW hebt folgende Ergebnisse besonders hervor:

  • Jede(r) zehnte Erwachsene in Deutschland hat in den letzten 15 Jahren eine Erbschaft oder größere Schenkung erhalten.
  • Die Summen der Transfers haben sich in betrachteten Zeiträumen im Schnitt real um knapp 20 Prozent erhöht.
  • Erbschaften und Schenkungen sind ungleich verteilt: Die obersten zehn Prozent der EmpfängerInnen erhalten die Hälfte aller Erbschaften und Schenkungen.
  • Erbschaften und Schenkungen erhöhen nach Meinung des DIW die absolute Vermögensungleichheit.

Dabei beziehen sich die Angaben des DIW auf eine Befragung unter 15.000 Haushalten in Deutschland bezogen auf jeweils 15 Jahre, konkret auf die Zeiträume 1986 bis 2001 und 2002 bis 2017.

Die Forderungen des DIW

  • Die Ausgestaltung der Freibeträge sollte überdacht werden, da zu hohe Freibeträge die Ungleichheit der Vermögen begünstigen.
  • Bei effektiverer Besteuerung großer und sehr großer Erbschaften würden sich Spielräume ergeben, Freibeträge für nicht oder entfernt verwandte Personen anzuheben, was der neuen Vielfalt der Familienformen besser entsprechen und soziale Ungleichheit reduzieren würde.
  • Die Möglichkeit, Freibeträge im Abstand von zehn Jahren wiederholt in Anspruch zu nehmen, eigne sich vor allem für Personen mit sehr großen Vermögen. Würde man diese Möglichkeit aufheben und die Inanspruchnahme der Freibeträge nur einmal im Leben ermöglich, würden Transfers effektiver besteuert. Dadurch könnte auch der hohen Staatsverschuldung durch Hilfsmaßnahmen in der Corona-Pandemie entgegengewirkt werden.

Stellungnahme

Bei Lektüre der Studienergebnisse kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, das DIW habe – nicht zum ersten Mal – ganz gezielt eine politische Vorlage liefern wollen.

Dabei werden allerdings geflissentlich zahlreiche Fakten übergangen:

  • Die bestehenden Freibeträge für Ehegatten und Kinder klingen auf den ersten Blick hoch, insbesondere im Vergleich zum durchschnittlichen Wert einer Erbschaft. Dennoch sei daran erinnert, dass diese Freibeträge vor allem die Übertragung von „Oma ihr klein Häuschen“ auf die nächste Generation sicherstellen sollten und niemand gezwungen werden soll, die eigene Immobilie veräußern zu müssen, nur um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können. Zitat aus der damaligen Gesetzesbegründung im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2008 (vgl. BT-Drucksache 16/7918, S. 37):

„Die Anhebung der Freibeträge für diese Personen erfolgt im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Freistellung des Familiengebrauchsvermögens. … Die Freistellung des Familiengebrauchsvermögens orientiert sich am Wert durchschnittlicher Einfamilienhäuser. Grundeigentümer und Inhaber anderer Vermögenswerte sind in einem gleichen Individualbedarf steuerlich freizustellen. Deshalb ist eine Regionalisierung dieses Freibetrags, um dem unterschiedlichen Immobilienpreisniveau Rechnung zu tragen, nicht möglich. Die Gesamtentlastung ist für den Ehegatten und die Kinder jedoch so bemessen, dass ein übliches Einfamilienhaus auch in teureren Ballungsgebieten ohne Steuerbelastung übergehen kann.

Je nach Region reichen die im Jahr 2008 festgelegten Freibeträge schon heute nicht mehr aus, um die steuerfreie Übertragung einer Immobilie sicherzustellen.

Wer eine stärkere Besteuerung der „obersten zehn Prozent“ fordert, sollte außerdem wissen, dass man in Deutschland bereits mit einem Vermögen von 477.200 € (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft), beim Haushaltseinkommen sogar schon mit einem Einkommen von monatlich 3.529 € netto (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft) zu dieser Gruppe gehört.

Die Abschaffung von Freibeträgen trifft daher vor allem die Mittelschicht und weniger die Großvermögen.

  • Zu begrüßen ist hingegen die Forderung des DIW, auch die Freibeträge für andere Personengruppen anzuheben, die bislang nur einen geringen Freibetrag von 20.000 € haben, gleichzeitig aber deutlich stärker besteuert werden. Das wird der Vielfalt der Familienformen in der Tat nicht gerecht und sollte dringend geändert werden. Anders als vom DIW erhofft würde das allerdings ohne die Streichung von Freibeträgen für nahe Verwandte nicht zu Mehreinnahmen für den Staatshaushalt führen, im Gegenteil.
  • Die Abschaffung der Möglichkeit, alle zehn Jahre den Freibetrag in Anspruch zu nehmen, würde relativ wenig bringen. Die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro Familie liegt bei etwa 1,6 (Quelle: eigene Berechnung auf Basis von DeStatis).

    Selbst wenn in einer Familie zwei Kinder vorhanden sind, können beide Ehegatten zusammen alle zehn Jahre maximal 1,6 Mio. € an die nächste Generation übertragen. Das ist natürlich ein ansehnlicher Betrag – der aber auch erst einmal vorhanden sein muss und auf den die übergebenden Eltern für die eigene Altersabsicherung verzichten können müssen. Da man in Deutschland schon mit einem Vermögen von 477.200 € zu den obersten zehn Prozent zählt (s.o.), kommt die mehrfache Inanspruchnahme der Freibeträge de facto nur bei einem Bruchteil der Berechtigten in Betracht. Auch nach den Erhebungen des DIW liegt der Median der Summe aller Schenkungen an eine Person binnen 15 Jahren nur bei 35.952 €, der Durchschnittswert bei 88.703 €.

    Der Anteil aller Erbschaften und Schenkungen mit einem Betrag von mehr als 400.000 € (Freibetrag für Kinder) macht – bezogen auf den 15-Jahreszeitraum von 2002 bis 2017 – gerade einmal 3,4 % aus.

Fazit und Empfehlung

Die Forderungen des DIW lassen sich teilweise nicht mit den verfassungsrechtlichen Geboten in Einklang bringen, zum Teil dürfte ihr Effekt in Bezug auf das Gesamtsteueraufkommen der Erbschaft- und Schenkungsteuer gering sein.

Auch wenn derzeit noch keine konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen geplant sind, zeigt der Beitrag des DIW, dass die Stimmen lauter werden, die eine stärkere Belastung von großen bzw. sehr großen Vermögen fordern. Es ist damit zu rechnen, dass diese Forderungen spätestens wegen der finanziellen Belastungen des Staatshaushaltes durch die Corona-Pandemie auf fruchtbaren politischen Boden fallen.

Vermögende Personen sollten daher die derzeitigen Möglichkeiten nutzen, solange es noch geht. Regelmäßig bedarf die Vermögens- bzw. Unternehmensnachfolge gerade bei größeren und komplexeren Vermögen einer vernünftigen Planung und Vorbereitung, die sich nicht auf rechtliche und steuerliche Aspekte allein beschränkt. Je mehr Zeit zur Vorbereitung zur Verfügung steht, um so besser. Wer erst in letzter Sekunde vor Inkrafttreten steuerlicher Änderungen mit der Planung beginnt, verschenkt wertvolle Zeit.

Gern beraten wir Sie und erstellen ein für Ihre persönliche Vermögens- und Unternehmensnachfolge maßgeschneidertes Konzept.

Autorin

Bild von  Katharina Ernst
Leitung Kanzleimarketing und -PR
Katharina Ernst
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