10.02.2021

Verweigern die Mitgesellschafter die Auszahlung der Abfindung, fällt der Ausgeschlossenen in einer späteren Insolvenz der Gesellschaft mit seiner Abfindungsforderung aus. Er darf seien Abfindungsforderung nicht einmal zur Tabelle anmelden, um zumindest eine Quote zu erlangen. Der einzige Trost: Sollte eine Auszahlung rechtlich möglich (gewesen) sein, haften die übrigen Gesellschafter anteilig persönlich für die Zahlung der Abfindung, wenn sie treuwidrig nicht entweder dafür sorgen, dass die Abfindung durch Auflösung von stillen Reserven oder Herabsetzung des Stammkapitals aus ungebundenem Vermögen geleistet werden kann, oder die Gesellschaft auflösen.


Gefahr des Verlusts der Abfindung eines Gesellschafters in der späteren Insolvenz der Gesellschaft (Copyright: gandolf/adobe.stock). 

Der Fall

A war im Jahr 01 aus einer GmbH & Co. KG aus beiden Gesellschaften ausgeschlossen worden. Seine Abfindung errechnete sich nach Gesellschaftsvertrag wie nicht unüblich: Buchwert seines Kapitalanteils saldiert mit dem Verlustkonto, zuzüglich sein Guthaben bzw. abzüglich Schuld auf dem Darlehenskonto, verzinst zahlbar in 10 Jahresraten. Die Gesellschaften kamen ihrer Zahlungspflicht von rund 1,2 Mio. € nicht nach, so dass A im Jahr 03 klagte. Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde im Jahr 07 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und der GmbH eröffnet. A meldete daraufhin seine Abfindungsforderungen jeweils zur Tabelle an und stellte seine Klageanträge auf Feststellung der Abfindungsforderungen zur Tabelle um. Ohne Erfolg, denn zuletzt der BGH wies seine Klage ab (Urteil vom 28.01.2020 – II ZR 10/19).

Die Entscheidung

Der BGH stellt klar, die Abfindungsforderung des A ist weder eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO noch nachrangig nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Die Abfindungsforderung eines vor der Insolvenz ausgeschiedenen Gesellschafters einer GmbH & Co. KG ist nicht als Insolvenzforderung zur Tabelle festzustellen, sondern erst bei der Schlussverteilung nach § 199 InsO zu berücksichtigen, wenn ihre Auszahlung gegen §§ 30, 31 GmbHG analog verstoßen würde. Das ist bei Gesellschaften im Insolvenzverfahren nahezu immer der Fall. Uns das gilt auch dann, wenn der Gesellschafter schon mehr als fünf Jahre vor der Insolvenz ausgeschieden war und die Abfindungsforderung auch schon seit mehr als fünf Jahren vor der Insolvenz entstanden war.

Zu Begründung differenziert der BGH zwischen Mitgliederrechten, Gläubigerrechten und Drittgläubigerrechten.

  • Mitgliedschaftliche Rechte von Gesellschaftern begründen in der Insolvenz der Gesellschaft keine Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO. Insbesondere kann ein Gesellschafter in der Insolvenz nicht die von ihm erbrachten Einlagen und Beiträge zurückfordern, denn die Einlage stellt haftendes Kapital der Gesellschaft dar. Der Gesellschafter ist mit der Rückforderung seiner Einlage auf die Verteilung eines evtl. Überschusses bei der Schlussverteilung gemäß § 199 InsO zu verweisen, geht also in der Regel leer aus.
  • Dagegen stellen Drittgläubigerrechte, die den Gesellschaftern unabhängig von ihrer Mitgliedschaft aus einem Schuldverhältnis gegen die Gesellschaft zustehen, grundsätzlich Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO, ggf. mit Nachrang gemäß § 39 InsO, dar.
  • Gläubigerrechte sind hingegen Ansprüche, die zwar aus dem Gesellschaftsverhältnis entstammen, sich aber von der Mitgliedschaft gelöst und rechtlich verselbständigt haben, so dass sie wie schuldrechtliche Ansprüche zu behandeln sind. Von reinen Drittgläubigerrechten unterscheiden sie sich dadurch, dass sie weiterhin gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegen können.

Der Abfindungsanspruch als Gläubigerrecht mit fortdauernden haftungs- oder kapitalerhaltungsrechtlichen Bindungen.

Der BGH entschied, der Abfindungsanspruch eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschiedenen Gesellschafters ist ein solches Gläubigerrecht. Er unterliegt fortdauernden haftungs- oder kapitalerhaltungsrechtlichen Bindungen. Denn den ausgeschiedenen Gesellschafter trifft immer noch eine fortdauernde Finanzierungsverantwortung, als er sich mit seinem Beitritt zu der Gesellschaft zur Aufbringung und Erhaltung des Mindestkapitals im Gegenzug zu dem Privileg der fehlenden persönlichen Gesellschafterhaftung verpflichtet hat.

Die anzuwendenden haftungs- oder kapitalerhaltungsrechtliche Bindungen hängen von der Rechtsform ab.

  • Bei einer GmbH sind dies in erster Linie die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG.
  • Bei einer Kommanditgesellschaft gelten die Haftungsregeln der §§ 171 ff. HGB fort.

    Hinweis: Nach §§ 171 ff. HGB unterliegt der Abfindungsanspruch eines Kommanditisten insofern noch einer (Nach-)Haftung, als die Auszahlung der Abfindung eine Einlagenrückgewähr gemäß § 172 Abs. 4 HGB darstellt, die zum Wiederaufleben der Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft gemäß § 171 Abs. 1 Halbsatz 1 HGB führt. Nach §§ 160, 161 Abs. 1 HGB greift diese Haftung jedoch nur gegenüber Altgläubigern für vor dem Ausscheiden des Gesellschafters begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft, und auch nur dann, wenn die Forderung innerhalb von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden fällig geworden und fristwahrend geltend gemacht oder festgestellt worden ist.

  • Bei einer GmbH & Co. KG sind für Auszahlungen der Kommanditgesellschaft an den Gesellschafter die für die GmbH geltenden Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG entsprechend anwendbar.

    Hinweis: Die Auszahlung des Abfindungsguthabens an einen aus einer GmbH & Co. KG ausscheidenden Kommanditisten kann mittelbar das Stammkapital der Komplementär-GmbH betreffen, so dass die Kapitalerhaltungsregeln zu beachten sind. Sie ist eine nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlung, wenn dadurch das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinkt oder eine bilanzielle Überschuldung vertieft wird.

    Beispiel: Die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft haftet für deren Verbindlichkeiten, also auch den Abfindungsanspruch. Sie hat dann zwar einen Freistellungsanspruch aus § 161 Abs. 2, § 110 HGB gegen die KG; ist der aber nicht werthaltig und durchsetzbar, kann eine verbotene Auszahlung vorliegen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Zahlung zu einer Unterbilanz oder Überschuldung führt oder diese vertieft, ist im Rahmen von § 30 Abs. 1, § 31 GmbHG nicht der Zeitpunkt, in dem die Forderung begründet worden ist, sondern der Zeitpunkt der Auszahlung. Das gilt auch für den Fall der Einziehung (§ 34 Abs. 3 GmbHG).

Ist danach eine Leistung aus dem Vermögen der KG unter (mittelbarem) Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG erfolgt, steht ihr gegen A als Leistungsempfänger ein Rückerstattungsanspruch nach § 31 GmbHG zu. Danach verstieße die Auszahlung des Abfindungsanspruchs des A aus dem Vermögen der KG zu dem in einem Rechtsstreit maßgeblichen Schluss der mündlichen Verhandlung vor Gericht gegen §§ 30, 31 GmbHG analog.

Fazit

Damit besteht für den ausgeschiedenen Gesellschafter stets das Risiko, seinen Abfindungsanspruch nicht oder nicht vollständig geltend machen zu können.

Hinweis: Schutz des ausgeschiedenen Gesellschafters [„Plan B“]:

  • Verweigern die Mitgesellschafter treuwidrig die rechtlich zulässige Auszahlung der Abfindung und sorgen sie nicht dafür, entweder die Abfindung durch Auflösung von stillen Reserven oder Herabsetzung des Stammkapitals aus ungebundenem Vermögen leisten zu können, oder alternativ, die Gesellschaft aufzulösen, so haften sie persönlich anteilig für die Abfindung.
  • Diesen „Plan B“ muss der ausgeschiedene Gesellschafter von Anfang an im Auge behalten und notfalls parallel gerichtlich verfolgen, will er nicht – wie der unglückliche Herr A im Ausgangsfall – nach 7 Jahren gegen die Gesellschaft und den Insolvenzverwalter kostspielig durch alle Instanzen geführten Rechtsstreit am Ende mit leeren Händen dazustehen.

Autor

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Andreas Jahn
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