10.03.2021 -

Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einer zum Personalvertretungsgesetz Berlin ergangenen Entscheidung klargestellt, dass ein Software-Update nicht mitbestimmungspflichtig ist (VG Berlin v. 14.11.2019, 61 K 8.19 PVL ). Die Entscheidung ist durchaus auf Fallkonstellationen zum Betriebsverfassungsgesetz und dem wichtigen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG übertragbar.


Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist von weitreichender Bedeutung (Copyright:  daviles/adobe.stock).

Der Fall

Der beteiligte Arbeitgeber hat mit Schreiben vom 3. Januar 2019 den beteiligten Personalrat über die Absicht informiert, alle PC-Arbeitsplätze auf das Betriebssystem Windows 10 und dem damit verbundenen Umstieg auf Office 2016 umzurüsten. Zur Begründung führte der Arbeitgeber aus, dass die zentrale IT-Steuerung des Landes Berlin den Betrieb von PC-Arbeitsplätzen mit dem Betriebssystem Windows 7 verboten habe. Weiter hat der Arbeitgeber darauf hingewiesen, dass diese Migration und PC-Umstellung nicht der Mitbestimmung unterliege. Es würden lediglich die zu nutzenden Programmversionen aktualisiert.

Der Personalrat hat hingegen seine Beteiligungsrechte geltend gemacht. So bestünde ein Mitbestimmungsrecht u.a. wegen der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen nach § 85 Abs. 1 Nr. 13 a und b Personalvertretungsgesetz Berlin (PersVG Berlin). Zudem seien weitere Mitbestimmungsrechte wegen der Gestaltung der Arbeitsplätze und auch der Änderung der Informations-Kommunikationstechnik gegeben, § 85 Abs. 1 Nr. 12 und § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin.

Der Arbeitgeber hat hingegen klargestellt, es finde keine Leistungs- und Verhaltenskontrolle statt. Die Programme seien auch nicht dazu bestimmt, das Verhalten oder die Leistung der Dienstkräfte zu überwachen. Ebenso solle die Software auch nicht Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit erfassen.

Der Personalrat hat beantragt, festzustellen, dass der Beteiligte durch die Einführung des Betriebssystems Windows 10 für sämtliche PC-Arbeitsplätze ohne vorherige Beteiligung des Personalrats die Mitbestimmungsrechte verletze und dem Arbeitgeber aufzugeben, das notwendige Mitbestimmungsverfahren unverzüglich einzuleiten.

Die Entscheidung

Das Verwaltungsgericht hat die Anträge zurückgewiesen.

I. Gestaltung der Arbeitsplätze

Zunächst hat das Verwaltungsgericht klargestellt, dass die Maßnahme nicht nach § 85 Abs. 1 Nr. 12 PersVG Berlin mitbestimmungspflichtig ist. Zwar gehört zur Gestaltung der Arbeitsplätze auch die Einführung und Anwendung neuer Versionen eines Programms zur elektronischen Datenverarbeitung. Allerdings muss die Einführung einer neuen Programmversion eine erhebliche Umstellung der Arbeitsweise für die Mitarbeiter bedeuten. Die Software muss objektiv geeignet sein, gegenüber der bisher bestehenden Software das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu beeinflussen. Dies ist bei einer reinen Umstellung der Programmversion und eines Software-Updates aber nicht der Fall, so das Verwaltungsgericht.

II. Keine Arbeitszeiterfassung

Weiter hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass Beginn und Ende der Arbeitszeit nicht über die Arbeit am PC erfasst werden. Damit scheide auch eine Mitbestimmung nach § 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 a PersVG Berlin aus. Entsprechend der vorliegenden Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit werden die am PC protokollierten Daten schon objektiv nicht erfasst. Allein die Tatsache, wer in welcher Zeit am PC tätig war, biete noch keine Rückschlüsse auf Beginn, Ende oder Dauer der Arbeitszeit.

III. Keine Verhaltens- oder Leistungsüberwachung

Das Verwaltungsgericht hat auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 85 Abs. 1 S. 1 Nr. 13 b PersVG Berlin abgelehnt. Unter Bezugnahme auf eine Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg v. 14.2.2013, OVG 62 PV 8.12) muss eine am Schutzzweck orientierte Betrachtung des Mitbestimmungsrechts vorgenommen werden. Ein Mitbestimmungsrecht ist nicht eröffnet, wenn nach den objektiv feststehenden erkennbaren Bedingungen für den Einsatz des Programms eine Überwachung nicht stattfindet und aus Sicht eines „objektiven“ Betrachters auch keine Veranlassung zu einer solchen Befürchtung besteht. Das bloße Misstrauen des Personalrats, die Dienststelle könne offen oder gar verdeckt die Arbeit der Dienstkräfte am PC überwachen, muss daher durch objektive Umstände belegt werden. Dies hat der Personalrat aber hier nicht darlegen können.

Damit besteht für die Befürchtung, bei der Einführung von Windows 10 und Office 2016 objektiv kein hinreichender Anlass. Es handelt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts lediglich um eine neue Programmversion, die objektiv nicht geeignet ist, einen verstärkten Überwachungsdruck anzunehmen. Bloße Mutmaßungen ins Blaue hinein, die Einführung könnte eine Überwachung ermöglichen, erscheinen dem Verwaltungsgericht, so wörtlich, aus der Luft gegriffen.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist von weitreichender Bedeutung. Die Vorgaben, wonach die rein objektive Eignung für eine Mitbestimmung ausreicht, hat das Verwaltungsgericht um das Erfordernis erweitert, es müsse eine konkrete Befürchtung für einen solchen Überwachungsdruck dargelegt werden. Überträgt man diese Rechtsprechung auf den nahezu wortgleichen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, würde dies eine erhebliche Änderung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bedeuten. Bislang gehen nämlich die Arbeitsgerichte und auch die überwiegende betriebsverfassungsrechtliche Literatur davon aus, dass schon die objektive Eignung ausreicht und eine konkrete Überwachungsabsicht nicht erforderlich ist. Wir können der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur zustimmen, denn die Tatsache, dass jedes Programm-Update gleichzeitig eine neue Mitbestimmung auslöst, ist praktisch kaum umzusetzen. Dies gilt schon deshalb, weil zahlreiche Updates ohne vorherige Ankündigung schlicht von dem Softwareanbieter eingespielt werden und Arbeitgeber auf die jeweiligen Updates keinen Einfluss haben. Auch erscheint es nicht sinnvoll, dass bei jedem Update ein neues Mitbestimmungsverfahren ausgelöst wird. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich die Arbeitsgerichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts in Zukunft anschließen werden.

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