15.03.2021

Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist bei der GmbH der typische Weg, unliebsame Gesellschafter loszuwerden. In der Praxis führt die Einziehung aber auch zum „Kampf und Krampf“ um die Gesellschafterliste. Das OLG München hat mit Urteil vom 2. Dezember 2020 – 7 U 4305/20 – für den Fall einer Ausschließung einen Weg aufgezeigt, den „Kampf und Krampf“ um die Gesellschafterliste, einschließlich damit einhergehender einstweiliger Verfügungsverfahren, zu umgehen.


Gesellschafter sollten im Einzelfall prüfen, ob sie anstelle einer Einziehung von Geschäftsanteilen den Ausschluss eines Gesellschafters beschließen (Copyright: MQ-Illustrations/adobe.stock).

Der Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer der beklagten GmbH. Die GmbH hat ihm Pflichtverletzungen vorgeworfen. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 27. April 2020 ist der Kläger als Geschäftsführer der beklagten GmbH abberufen worden. Zusätzlich hat die GmbH den Kläger ausgeschlossen. Besondere Regelungen zum Ausschluss eines Gesellschafters enthielt der Gesellschaftsvertrag der GmbH nicht. Gegen diese Beschlüsse erhob der Kläger Anfechtungsklage. Zudem beantragte er durch einstweilige Verfügung, dass der (beklagten) GmbH untersagt werde, die Anmeldung seiner Abberufung als Geschäftsführer im Handelsregister vorzunehmen und eine geänderte Gesellschafterliste einzureichen. Die GmbH habe ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache weiterhin als Gesellschafter und Geschäftsführer mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln. Der Antrag hatte beim LG München Erfolg.

Die GmbH hat in der Folgezeit keine geänderte Gesellschafterliste eingereicht. Zusätzlich hat sie den Kläger zu nachfolgenden Gesellschafterversammlungen vom 26. Mai 2020 sowie 16. Juni 2020 eingeladen. Der Kläger hat an diesen Gesellschafterversammlungen teilgenommen.

Nach diesen Gesellschafterversammlungen vom 26. Mai sowie 16. Juni 2020 hatte das OLG München über die Berufung der GmbH gegen das Urteil des LG München I entschieden. Die Berufung der Beklagten vor dem OLG München hatte Erfolg.

Entscheidung

Die einstweilige Verfügung, die GmbH zu verpflichten, keine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen und einen Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten als solchen zu behandeln, ist erfolgreich, wenn der Gesellschafter einen Verfügungsanspruch sowie einen Verfügungsgrund geltend machen kann. Der Verfügungsanspruch ist gegeben, wenn der Anspruch des Klägers in der Hauptsache erfolgreich sein könnte. In der Praxis ist diese Voraussetzung typischerweise eine „Umkehrprüfung“. Der Verfügungsanspruch liegt regelmäßig vor, wenn er nicht offenkundig ausgeschlossen ist. Dies ist selten der Fall. Bei dem Verfügungsanspruch hatte das OLG München offenbar keine Bedenken. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH enthielt keine Regelungen zu dem Ausschluss eines Gesellschafters. Es gelten daher die Bestimmungen in § 140 HGB zu Personhandelsgesellschaften entsprechend. Danach wird ein Ausschluss eines Gesellschafters erst wirksam, wenn ein Gericht den Ausschluss des Gesellschafters durch Urteil nach einer von der Gesellschaft erhobenen Ausschlussklage feststellt. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der betroffene Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten Gesellschafter der GmbH. Der Beschluss zur Ausschließung führe daher noch nicht zum Ausschluss des Gesellschafters. Dies unterscheide die Ausschließung von der Einziehung. Die Einziehung werde mit dem Zugang des Einziehungsbeschlusses wirksam, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält. Der betroffene Gesellschafter verliert daher bei der Einziehung mit Zugang des Beschlusses seinen Geschäftsanteil an der GmbH. Der Kläger war daher noch Gesellschafter der GmbH.

Das OLG München nahm aber an, dass der Kläger keinen Verfügungsgrund mehr hat. Der Verfügungsgrund ist in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der „Grund“, weshalb das Gericht vorläufig eine Regelung treffen soll und die Angelegenheit nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsacheverfahren warten kann. Verfügungsgründe sind die Eilbedürftigkeit einer Entscheidung sowie das besondere Rechtsschutzinteresse des Klägers, an einer einstweiligen Regelung. Die meisten Verfügungsverfahren entscheiden sich an diesem Punkt. So auch in diesem Verfahren, hier zum Nachteil des Klägers. Das OLG München konnte einen Verfügungsgrund zugunsten des Klägers nicht ausmachen. Da der Ausschließungsbeschluss noch nicht zum Ausschluss des Gesellschafters führe, sondern erst das rechtskräftige Urteil, bestehe nach OLG München grundsätzlich nicht das Risiko, dass eine unzutreffende Gesellschafterliste – nämlich ohne den ausgeschlossenen Gesellschafter – zum Handelsregister eingereicht werde. Diese Einschätzung wurde aus Sicht des OLG München noch dadurch bestätigt, dass die Geschäftsführerin der GmbH bis zu der mündlichen Verhandlung in der Sache keine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und die GmbH darüber hinaus den Kläger zu den nachfolgenden Gesellschafterversammlungen eingeladen hat. Das OLG München kam daher zu dem Ergebnis, dass das Risiko einer (unzutreffenden) Gesellschafterliste, welche den Kläger nicht mehr als Gesellschafter der GmbH ausweist, gering sei.

Fazit

Gesellschafter sollten im Einzelfall prüfen, ob sie anstelle einer Einziehung von Geschäftsanteilen den Ausschluss eines Gesellschafters beschließen. Selbst wenn der Gesellschaftsvertrag der GmbH ausdrücklich keinen Ausschluss eines Gesellschafters vorsieht, können Gesellschafter analog § 140 HGB auch bei einer GmbH den Ausschluss beschließen und im Wege der Ausschließungsklage durchsetzen. Wenn die Gesellschaft nachfolgend keine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht, kann der betroffene Gesellschafter im Regelfall mittels einer einstweiligen Verfügung nicht beantragen, dass die GmbH keine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen darf. Sollte die Ausschließung mit der Abberufung eines Gesellschafters/Geschäftsführers verbunden sein, kann die GmbH (letztlich die übrigen Gesellschafter) den „missliebigen“ Gesellschafter/Geschäftsführer umgehend aus der Geschäftsführung entfernen, ohne sofort Vorsorge gegen einstweilige Verfügungen wegen der Gesellschafterstellung zu treffen. Die GmbH muss allerdings nach dem Ausschließungsbeschluss sowie auch nach Erheben der Ausschließungsklage den betroffenen Gesellschafter weiterhin zu Gesellschafterversammlungen laden. Insgesamt könnte durch eine Ausschließung eine kostengünstigere Lösung erreicht werden als durch eine Einziehung. In der Praxis ist es ohnehin so, dass sowohl bei einer Einziehung als auch bei einer Ausschließung einvernehmliche Lösungen vor und während gerichtlicher Verfahren angestrebt werden. Aus Sicht der GmbH sowie der verbleibenden Gesellschafter kommt es daher wirtschaftlich häufig darauf an, die „Begleitkosten“ einer Einziehung/Ausschließung möglichst gering zu halten. Die Ausschließung anstelle der Einziehung könnte einen Weg darstellen.

Der betroffene Gesellschafter wiederum muss genau überprüfen, gegen welche Beschlüsse er welche Rechtsbehelfe hat. Sollte die GmbH „nur“ eine Einziehung beschließen, ist die einstweilige Verfügung gegen die GmbH, keine geänderte Geselleschafterliste zum Handelsregister einzureichen, das Mittel der Wahl. Nur so kann der Gesellschafter verhindern, dass die GmbH eine geänderte Gesellschafterliste einreicht und er damit faktisch seine Gesellschafterrechte verliert. Wählt die Gesellschafterversammlung dagegen den Ausschluss mit anschließender Ausschließungsklage dürfte im Regelfall eine einstweilige Verfügung kontraproduktiv sein. Die Gerichte könnte diese wegen Fehlen des Verfügungsgrundes ablehnen. Die Kosten hätte dann der betreffende Gesellschafter zu tragen. Hinzukommt die „Niederlage“ in dem Verfügungsverfahren, welche in den nachfolgenden Verhandlungen psychologisch schwer wiegen kann.

Spannend wird es, wenn die Gesellschaft sowohl einzieht als auch ausschließt. Das OLG München musste dies nicht entschieden, da nach dem Sachverhalt die Gesellschaft den Gesellschafter „nur“ ausgeschlossen hat. Bei einer Einziehung der Geschäftsanteile sowie einem Ausschluss des Gesellschafters, müsste der betroffene Gesellschafter richtigerweise ein Verfügungsverfahren gegen die GmbH anstrengen, keine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Insoweit dürfte das maßgebliche Argument des OLG München nicht zählen, dass die Ausschließung erst mit der Rechtskraft des Ausschließungsurteils wirksam wird. Sollte der Gesellschaftsvertrag der GmbH keine abweichende Regelung enthalten, wird die Einziehung mit dem Zugang des Beschlusses wirksam. Dem betroffenen Gesellschafter kann nicht zugemutet werden, abzuwarten, ob der Geschäftsführer eine geänderte Gesellschafterliste einreicht und erst dann dagegen vorgehen.

Autor

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Dr. Andreas Menkel
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