06.05.2021 -

Betriebsräte dürfen bekanntlich nicht benachteiligt werden. Allerdings sieht § 78 S. 2 BetrVG umgekehrt vor, dass sie wegen ihrer Betriebsratstätigkeit auch nicht begünstigt werden dürfen. Über diese Frage entsteht in vielen Unternehmen zunehmend Streit. Aktuell hatte sich nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit der Frage zu befassen, ob die Überlassung eines Dienstwagens an ein freigestelltes Betriebsratsmitglied gegen das in § 78 BetrVG normierte Begünstigungsverbot verstößt (LAG Berlin-Brandenburg v. 11.2.2020, 7 Sa 997/19). Wir möchten die interessante Entscheidung zum Anlass nehmen, die für die Vergütung von Betriebsräten geltenden Grundsätze hier zu besprechen.


Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungsverbot des § 78 BetrVG verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig (Copyright: Minerva Studio/adobe.stock).

Der Fall

Das klagende Betriebsratsmitglied ist bereits seit 1992 bei dem beklagten Arbeitgeber, einem Kraftfahrzeugunternehmen, als Kfz-Mechaniker beschäftigt, zuletzt in der Position eines Teamleiters. Bereits kurz nach Beginn seines Arbeitsverhältnisses wurde der Arbeitnehmer in den Betriebsrat gewählt und war mit Unterbrechungen zunächst bis März 2018 freigestellter Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Gesamtbetriebsrats. Seit März 2018 ist er freigestelltes Betriebsratsmitglied des für die Vertriebsregion Berlin gewählten Betriebsrats. Der Betrieb der Vertriebsregion Berlin ist auf verschiedene Standorte verteilt.

Im Jahre 2001 überließ der Arbeitgeber dem Mitarbeiter zur Ausübung seines Betriebsratsamtes einen Dienstwagen, den er auch privat nutzen dürfte und dessen geldwerter Vorteil der Betriebsrat mit etwa 400,00 € monatlich versteuerte. In dem vereinbarten Überlassungsvertrag war eine Rückgabe u.a. bei Wegfall des dienstlichen Grundes für die Überlassung vorgesehen.

Die aktuellen, ebenfalls in Bezug genommenen Dienstwagenrichtlinien sahen zudem eine funktionsbedingte Überlassung eines persönlich zugeordneten Dienstwagens in bestimmten Fallkonstellationen vor, u.a. aufgrund von Mitgliedschaften in gesetzlich vorgesehenen überörtlichen Gremien.

Der Arbeitgeber forderte im April die Rückgabe des Dienstwagens zum 30. Juni 2018 mit der Begründung, in seiner aktuellen Funktion als freigestelltes Betriebsratsmitglied, nicht mehr Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Gesamtbetriebsrats, würden die Voraussetzungen der Dienstwagenrichtlinie für die funktionsbedingte Überlassung eines persönlich zugeordneten Dienstwagens nicht mehr vorliegen. Der Kläger gab daraufhin in Absprache mit dem Arbeitgeber das ihm überlassene Fahrzeug später zum 31. August 2018 zurück.

Seither nutzte er für seine Betriebsratstätigkeit ein ihm persönlich zugewiesenes Fahrzeug auf dem Fuhrpark des Arbeitgebers. Dieses Fahrzeug steht ihm nicht zur privaten Nutzung zur Verfügung.

Mit seiner Klage verlangt er die weitere Bereitstellung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ab dem 1. September 2018. Der Arbeitgeber hat hingegen behauptet, der Widerruf der Überlassung sei rechtswirksam, weil der Kläger nicht mehr die Voraussetzungen der Richtlinie für die Überlassung eines situationsbezogenen Dienstwagens erfülle. Er sei nicht mehr in überörtlichen Gremien tätig. Für seine Tätigkeit als Betriebsratsmitglied in der Niederlassung könne er auf das ihm persönlich zugewiesene Funktionsfahrzeug im Fuhrpark zurückgreifen.

Das Arbeitsgericht hat den Arbeitgeber verurteilt, dem Kläger einen persönlichen Dienstwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung zu überlassen.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben und den Anspruch zurückgewiesen.

I. Begünstigungsverbot

Zunächst hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen des Begünstigungsverbotes im Einzelnen erläutert. So dürfen nach § 78 S. 2 BetrVG Mitglieder des Betriebsrates wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Diese Regelung dient, ebenso wie das Ehrenamtsprinzip (vgl. § 30 BetrVG), der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder. Eine Begünstigungsabsicht des Arbeitgebers ist dabei nicht erforderlich. Es genügt die objektive Besserstellung gegenüber nicht Betriebsratsmitgliedern. Dabei ist eine nach § 78 S. 2 BetrVG untersagte Begünstigung jede Besserstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruhen.

Hinweis für die Praxis:

Im Bereich der Vergütung führt das Begünstigungsverbot dazu, dass die Gewährung von Vergütungsbestandteilen untersagt ist, die das Betriebsratsmitglied nicht erhalten hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit erbracht, sondern gearbeitet hätte. Betriebsratsmitglieder werden nicht für Ihre Tätigkeit als Betriebsrat vergütet, sondern erhalten nach dem in § 37 Abs. 2 BetrVG geregelten Lohnausfallprinzip dasjenige Arbeitsentgelt, das sie nach § 611 Abs. 1 BGB ohne Freistellung verdient hätten.

II. Überlassung eines Dienstwagens

Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung stellt grundsätzlich einen Bestandteil des Arbeitsentgelts dar. Es handelt sich dabei nach der ständigen Rechtsprechung um eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeit in Form eines Sachbezugs. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG steht sie einem freigestellten Betriebsratsmitglied daher auch dann zu, wenn ihm der Arbeitgeber einen solchen Dienstwagen vor der Freistellung zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zur Verfügung gestellt hat oder aber sich das Betriebsratsmitglied in eine Position entwickelt hätte, die einen Anspruch auf einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung begründen würde. Dann würde die sich aus § 37 Abs. 4 BetrVG ergebende erforderliche Anpassung der Vergütung des freigestellten Betriebsratsmitglieds auch die Bereitstellung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung umfassen.

III. Voraussetzungen hier nicht erfüllt

Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen eines Überlassungsanspruchs abgelehnt. Dem Betriebsrat würde, hätte er gearbeitet, weder als Kfz-Mechaniker noch in seiner Funktion als Teamleiter ein Dienstfahrzeug zur Verfügung stehen. Diese Tätigkeiten sind nicht mit entsprechenden Reisetätigkeiten verbunden, wie sie die Richtlinien für die funktionsbezogene Dienstwagenüberlassung vorsehen. Damit hat der Arbeitgeber mit der gleichzeitigen Einräumung der privaten Nutzung in der Vergangenheit dem Kläger einen geldwerten Vorteil zukommen lassen, den er ohne das Betriebsratsamt nicht erhalten hätte. Ein solcher Vorteil verstößt gegen das Begünstigungsverbot des § 78 BetrVG, so dass Landesarbeitsgericht ausdrücklich.

Zusätzlich hat das Landesarbeitsgericht klargestellt, dass der Betriebsrat nicht für seine Betriebsratstätigkeit vergütet wird. Er kann sich daher auch nicht auf seine Reisetätigkeiten als Betriebsratsmitglied mit anderen Mitarbeitern berufen und mit diesen Mitarbeitern vergleichen. Zwar kann die Notwendigkeit von Reisetätigkeiten des Betriebsrats dazu führen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Betriebsrat zur effektiven Wahrnehmung des Betriebsratsamts gem. § 40 BetrVG als Sachmittel auch ein Dienstfahrzeug zu überlassen. Dabei handelt es sich indes um einen Anspruch des Betriebsrats auf Bereitstellung erforderlicher Sachmittel nach § 40 BetrVG. Dies beinhaltet keinesfalls einen Anspruch auf private Nutzung.

Hinweis für die Praxis:

Zudem besteht ein Anspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf Erstattung der Fahrtkosten zwischen seinem Wohnort und dem Sitz des Betriebsrats ebenfalls nicht. Auch das würde dem Betriebsrat einen finanziellen Vorteil einräumen, der ihm ohne sein Betriebsratsamt nicht zustünde. Ein solcher Anspruch wäre auch nicht von § 40 BetrVG umfasst.

Fazit

Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungsverbot des § 78 BetrVG verstoßen, sind nach § 134 BGB nichtig. An einer nichtigen Vereinbarung kann ein Arbeitgeber nicht festgehalten werden. Damit bestand hier kein Anspruch auf eine Überlassung. Insoweit kann der Widerruf, wie von dem Betriebsrat behauptet, auch keine Behinderung von Betriebsratsarbeit darstellen. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass dem Betriebsrat für seine Betriebsratstätigkeiten ein funktionsbezogenes Fahrzeug jederzeit zur Verfügung stand.

Wir können Arbeitgebern daher nur empfehlen, spezielle Leistungen, Zulagen oder sonstige Vergütungsbestandteile an Betriebsräte nur dann zu gewähren, wenn diese nicht gegen das Begünstigungsverbot verstoßen. Andernfalls sind die Vereinbarungen nichtig und in klaren Fällen kann sich ein solches Vorgehen sogar als strafrechtlich relevante Betriebsratsbegünstigung darstellen (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG).

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