12.05.2021 -

Häufig übernimmt der Arbeitgeber zwar Weiterbildungskosten, lässt sich aber für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens die Rückzahlung zusichern. Geklärt war bereits, dass im Rahmen einer solchen Klausel bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber nach den Ursachen der Kündigung zu differenzieren ist. Das LAG Hamm beschäftigte sich nun mit der Frage, ob auch bezüglich arbeitnehmerseitiger Kündigungen die Klauseln nach der Art der Kündigung differenzieren müssen.


LAG Hamm, Urteil vom 29.01.2021 – 1 Sa 954/20 (Copyright: Gina Sanders/adobe.stock).

Sachverhalt

Der Beklagte war bei der Klägerin, die einen ambulanten Pflegedienst betrieb, als Fachbereichsleiter beschäftigt. Der Kläger, bisher mit dem Abschluss eines examinierten Altenpflegers, wurde von der Beklagten zur Teilnahme an einer Weiterbildung als „verantwortliche Pflegefachkraft“ für den Zeitraum vom 04.10.2017 bis zum 05.07.2019 angemeldet. Die Parteien schlossen eine Weiterbildungsvereinbarung, wonach der Kläger für 63 Weiterbildungstage gegen Gehaltsfortzahlung von der Arbeitsleistung freigestellt werde. Der Beklagte wurde in der Vereinbarung dazu angehalten, die Weiterbildungsveranstaltungen stetig zu besuchen und den erfolgreichen Abschluss der Weiterbildung nicht durch schuldhaftes Verhalten zu gefährden. Die Weiterbildungsvereinbarung enthielt folgende Rückzahlungsklausel:

„Endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Mitarbeiters aus einem nicht durch die Gesellschaft zu vertretenden Grund oder durch Kündigung der Gesellschaft oder durch sonstige Vereinbarung aus einem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat, ist der Mitarbeiter verpflichtet, der Gesellschaft die [….] gezahlte Vergütung und die [….] von der Gesellschaft übernommenen Studienkosten zurückzuerstatten.
Die Höhe des voraussichtlich zurückzuerstattenden Beitrages nach Abs. (1) wird sich voraussichtlich auf ca. 11.350,00 Euro belaufen.
Der vom Mitarbeiter zurückerstattende Gesamtbetrag kürzt sich für jeden Monat, währenddessen er nach Abschluss der Fortbildung bei der Gesellschaft in einem Arbeitsverhältnis stand, um ein 24-stel.“

Tatsächlich erfolgte eine Freistellung zur Weiterbildung an 77 Tagen. Am 30.09.2019, also etwas über zwei Monate nach Abschluss der Weiterbildung, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum Ablauf des 31.10.2019. Neben der Erklärung, das Arbeitsverhältnis zu kündigen und der Angabe der berechneten Kündigungsfrist, enthielt dieses Schreiben auch die Bitte um eine schriftliche Bestätigung der Kündigung. Dem folgte ein weiterer Absatz, in welchem der Kläger auf die Weiterbildungskosten Bezug nahm. Dieser Absatz lautete:

„Mir ist bewusst, dass durch meine Weiterbildung und die Vertragsvereinbarung noch Kosten offen sind. Erstellen sie mir bitte eine Rechnung der noch offenen Kosten (…).“

Daran schlossen sich Grußformel und Unterschrift an.

Mit Schreiben vom 15.10.2019 forderte die Klägerin vom Beklagten 12.912,17 € zurück. Diese Summe enthielt die Studienkosten sowie die von der Beklagten errechneten Kosten der Freistellung, also die an 77 Freistellungstagen entstandenen Lohnkosten. Abgezogen wurde im Hinblick auf die zweimonatige Verweildauer nach Abschluss der Weiterbildung ein Wert von 2/24. Da der Kläger die Zahlung verweigerte, kam die Sache vor das Arbeitsgericht. Der Beklagte hielt die Rückzahlungsvereinbarung für unwirksam, weil diese bei arbeitnehmerseitigen Kündigungen nicht zwischen den Beendigungsgründen differenziere und damit auch unverschuldete personenbedingte Eigenkündigungen eine Rückzahlungspflicht auslösen würden. Dabei ging es nicht um die Kündigungsgründe im konkreten Fall, sondern um den theoretischen Anwendungsbereich der Rückzahlungsklausel und deren Vereinbarkeit mit AGB-Recht.

Die Entscheidung

Die Klage wurde abgewiesen. Der Beklagte habe kein abstraktes Schuldanerkenntnis abgegeben. Dementsprechend sei er nicht aufgrund seiner Ausführungen im Kündigungsschreiben, wonach ihm noch offene Kosten aufgrund der Weiterbildung und der Vertragsvereinbarung bekannt seien und er um eine Rechnung bitte, zur Rückzahlung verpflichtet. Ein abstraktes Schulanerkenntnis liege nur dann vor, wenn ein entsprechender rechtsgeschäftlicher Wille hervortrete. Der Beklagte hätte also deutlich machen müssen, unabhängig von der Wirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung auf jeden Fall für die entstandenen Kosten haften zu wollen. Ein derartiger Wille sei hier nicht ersichtlich. Die Weiterbildungsthematik sei im Kündigungsschreiben als einer von mehreren nachgelagerten Punkten angesprochen wurden. Darüber hinaus habe der Beklagte in dem Kündigungsschreiben auch die Weiterbildungsvereinbarung als Schuldgrund benannt. Er habe damit objektiv einen noch klärungsbedürftigen Punkt ansprechen wollen und nicht etwa unabhängig von der Weiterbildungsvereinbarung eine Einstandspflicht für die entstandenen Kosten begründen wollen. Schließlich habe für den Beklagten auch keinerlei Anlass bestanden, seine Rechtsposition durch die Abgabe eines abstrakten Schuldanerkenntnisses erheblich zu verschlechtern.

Die Klägerin könne auch keinen Zahlungsanspruch aus der Rückzahlungsvereinbarung herleiten. Die Klausel erfasse grundsätzlich die Kosten für alle 77 angefallenen Freistellungstage, auch wenn die Weiterbildungsvereinbarung nur von 63 Freistellungstagen gesprochen habe. Schließlich sei der Rückzahlungsbetrag auch nur „voraussichtlich“ und „circa“ angegeben. Außerdem sei es bei einer fast zwei Jahre andauernden Fortbildung nur schwer vorherzusagen, wie viele Freistellungstage tatsächlich anfallen werden. Der Beklagte sei zudem gehalten gewesen, die Veranstaltungen der Weiterbildung stetig zu besuchen. Es hätte nicht im wechselseitigem Parteiinteresse gelegen, wenn der Beklagte im Falle weiterer unerwarteter Weiterbildungstermine auf deren Teilnahme verzichtet hätte oder mit ungewissem Erfolg um zusätzliche Freistellungstage hätte bitten müssen.

Die Rückzahlungsklausel sei aber nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Es handele sich bei der Weiterbildungsvereinbarung um allgemeine Geschäftsbedingungen, da deren Text einseitig gestellt worden sei und der Beklagte keinen Einfluss darauf habe nehmen können. Die Klausel sei unangemessen benachteiligend. Die Bindungsdauer von zwei Jahren sei bei einer prognostizierten Weiterbildungsdauer von 63 Tagen und damit von über drei Arbeitsmonaten zwar angemessen. Die Weiterbildungsvereinbarung differenziere aber nicht hinreichend nach dem Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zulässig sei zwar die Regelung zu arbeitgeberseitigen Kündigungen, da durch die Anknüpfung an ein „Verschulden“ des Arbeitnehmers im Ergebnis insoweit nur Kündigungen aus verhaltensbedingten Gründen die Rückzahlungsverpflichtung auslösen würden. Personenbedingte oder betriebsbedingte arbeitgeberseitige Kündigungen seien ausgeklammert.

Unzulässig sei hingegen die Regelung zu arbeitnehmerseitigen Kündigungen. Diese löse einen Rückzahlungsanspruch immer dann aus, wenn der Arbeitgeber nicht die arbeitnehmerseitige Kündigung schuldhaft oder fahrlässig verursacht habe. Rückzahlungsverpflichtet sei der Arbeitnehmer daher auch dann, wenn er aus nicht selbst verschuldeten personenbedingten Gründen kündige. Dies werde etwa bei einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit relevant – solche Umstände hätte der Arbeitgeber nämlich nicht zu vertreten, sodass dann der Arbeitnehmer durch seine Kündigung Rückzahlungsansprüche auslösen würde. Ein „Bleibedruck“ für den Arbeitnehmer, am Arbeitsverhältnis festzuhalten, sei in solchen Konstellationen sinnlos. Schließlich werde der aus personenbedingten Gründen kündigende Arbeitnehmer seiner Arbeit gar nicht mehr nachkommen können. Eine Rückzahlungsklausel könne nur dann keine unangemessene Benachteiligung darstellen, wenn die Rückzahlungsverpflichtung auch bei arbeitnehmerseitigen Kündigungen aus unverschuldeten personenbedingten Gründen oder einer entsprechenden Auflösungsvereinbarung ausdrücklich entfalle. Umgekehrt darf die Rückzahlungspflicht in diesen Fällen also nicht ausgelöst werden. Der Arbeitnehmer müsse die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses beeinflussen können und es damit in der Hand haben, der Erstattungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen.

Da der Arbeitgeber dann nicht das Interesse an einer möglichst langfristigen Nutzung der einmal getätigten Investition geltend machen könne, sei eine fortgesetzte Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis nicht zu rechtfertigen. Bei einer Risikobetrachtung sei die Investition für den Arbeitgeber verloren. Der Arbeitnehmer müsste hingegen in einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis ausharren, um eine Rückzahlungsverpflichtung zu vermeiden. Die drohende Rückzahlung sei in existentiell schwierigen Situationen wie einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit besonders belastend. Ein Interesse des Arbeitgebers am Verbleib eines aus unverschuldeten personenbedingten Gründen kündigenden Arbeitnehmers ergebe sich auch nicht aus der Beschäftigungspflicht gegenüber schwerbehinderten Menschen nach § 154 SGB IX, diese habe keinen inneren Zusammenhang zur Ausbildungsinvestition. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen verschuldeten und unverschuldeten personenbedingten Kündigungsgründen ließen sich laut dem LAG lösen, solche unbestimmten Differenzierungsgründe seien nicht untypisch.

Die Rückforderungsklausel sei daher unwirksam. Die Klausel lasse sich auch nicht entgegen ihrem Wortlaut auslegen. Eine geltungserhaltende Reduktion sei nach ständiger Rechtsprechung ausgeschlossen, sodass der hier problematische Klauselinhalt nicht einfach gestrichen werden könne. Die Weiterbildungsvereinbarung im Übrigen bliebe – eben ohne die Rückzahlungsklausel – wirksam, dies sei keine unbillige Härte für die Klägerin. Dementsprechend ergebe sich auch kein Anspruch auf Erstattung der Weiterbildungskosten aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Rückzahlungsklausel habe hier alle 77 Freistellungstage umfasst, weswegen diese Klausel sämtliche streitgegenständlichen Kosten mit abgedeckt habe.

Fazit

Bei der Formulierung von Rückzahlungsvereinbarungen ist große Vorsicht geboten – bereits bei kleinen Formulierungsfehlern droht die Unwirksamkeit einzelner Klauseln und damit oftmals das Scheitern der vom Arbeitgeber begehrten Rückzahlung. Nach dem Transparenzgebot müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vertragsbestimmung so genau beschrieben werden, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen so bestimmt oder zumindest so bestimmbar sein, dass der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. „auf ihn zukommt”.

Arbeitgeber müssen nach dem Urteil des LAG Hamm nicht nur bei arbeitgeberseitigen Kündigungen genau nach Kündigungsgrund differenzieren, sondern auch bei arbeitnehmerseitigen Kündigungen. Warum der Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall kündigt, ist dabei nicht entscheidend: Würde die Rückzahlungsverpflichtung (theoretisch) auch bei unverschuldeten personenbedingten Kündigungen entstehen, wäre die Rückzahlungsklausel unwirksam.

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