08.07.2021 -

Arbeitnehmer können bekanntlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) einen Antrag auf Teilzeit geltend machen. Arbeitgeber können diesem Antrag entgegenstehende betriebliche Gründe entgegenhalten. Die Anforderungen an solche entgegenstehenden Gründe sind allerdings hoch. Die bloße Behauptung, ein Teilzeitanspruch lasse sich organisatorisch nicht umsetzen, reicht nicht. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass ein Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit um 1/12 mit dem Ziel der dauerhaften Freistellung im Ferienmonat August rechtsmissbräuchlich sein kann (LAG Nürnberg v. 27.8.2019, 6 Sa 110/19). Die Entscheidung ist zu begrüßen und verhindert zweckwidrige Teilzeitansprüche.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer hat ein schulpflichtiges Kind und ist bereits seit dem 1. Mai 2010 bei dem beklagten Arbeitgeber als Sachverständiger für den Kraftfahrzeugverkehr beschäftigt. Mit Schreiben vom 27. Februar 2018 beantragte der Kläger die Reduzierung seiner regelmäßigen jährlichen Arbeitszeit ab dem 1. Juli 2018 um 1/12. Die Verteilung der arbeitsfreien Tage sollte dabei in der Gestalt vorgenommen werden, dass der Kalendermonat August arbeitsfrei bleibt.

Der Arbeitgeber lehnte das Begehren unter Berufung auf entgegenstehende betriebliche Gründe ab. So hat der Arbeitgeber ausgeführt, der Monat August gehöre zu den umsatzstärksten Monaten in der Niederlassung. In den letzten Jahren seien jeweils im August mehr Überstunden angefallen als in anderen Monaten. Um die Betriebsabläufe aufrechtzuerhalten, hätten in den Jahren 2017 und 2018 Urlaubsanträge von Mitarbeitern für August abgelehnt oder Urlaube verschoben werden müssen. Daher habe man mit dem Betriebsrat ein abgestimmtes Organisationskonzept „Verfahrensweise Urlaubsantrag 2018“ beschlossen. Auch dies stehe dem Teilzeitgesuch des Klägers entgegen. Danach gelte aktuell einheitlich eine maximale Obergrenze für eine Urlaubsgewährung in den Sommerferien von 15 Urlaubstagen. Dies sei zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes unabdingbar. Schließlich sei der Teilzeitwunsch des Klägers rechtsmissbräuchlich, denn er nutze eine formale Rechtsposition, in dem er eine geringfügige Reduzierung der Arbeitszeit um 1/12 geltend mache, um eine unabhängig vom Arbeitszeitvolumen in seinem Interesse liegende Arbeitszeitgestaltung zu erreichen, auf die er isoliert betrachtet keinen Anspruch habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage des Mitarbeiters abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts umfänglich bestätigt.

I. Entgegenstehende betriebliche Gründe

Einem Teilzeitbegehren können entgegenstehende betriebliche Gründe entgegengehalten werden, § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG. Nach dieser Vorschrift liegt ein betrieblicher Grund insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Hierbei genügt ist, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe hat, der Verringerung der Arbeitszeit nicht zuzustimmen.

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber ein solches Organisationskonzept verdeutlicht. Er hat belegt, dass es sich bei dem Monat August, insbesondere auch im Jahre 2018, um den umsatzstärksten Monat eines Jahres handelt. In dem Monat August könne daher zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes nicht allen Urlaubswünschen der Mitarbeiter nachgekommen werden. Der Arbeitgeber hat dargelegt, dass er zum Ausgleich der im August besonders gehäuften Urlaubsansprüche auf die mit dem Betriebsrat beschlossene Verfahrensanweisung auch tatsächlich zurückgreift, nach der in der Regel im August maximal zehn Urlaubstage, in einzelnen Ausnahmefällen 15 Urlaubstage gewährt werden. Eine weitergehende Gewährung von Urlaubstagen im August sieht die Verfahrensanweisung nicht vor.

Hinweis für die Praxis:

Der Arbeitgeber muss hier widerstreitende Interessen aller Arbeitnehmer in Einklang bringen. Hierzu hat der Arbeitgeber das Organisationskonzept hinsichtlich der Einbringung von Urlaub ausgestaltet und verfährt auch danach. Diesem Konzept würde der Teilzeitwunsch des Klägers entgegenstehen, ihn geradezu unterlaufen. Die Chancen anderer Arbeitnehmer, im August Urlaub gewährt zu bekommen, würde ohne zwingenden Grund erheblich verringert.

II. Antrag auch rechtsmissbräuchlich!

Das Landesarbeitsgericht hat nicht nur entgegenstehende betriebliche Gründe bejaht, sondern den Teilzeitwunsch auch als unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB angesehen. Der Teilzeitwunsch bezweckt nämlich das klare Ziel, die Verfahrensanordnung zum Urlaub zu unterlaufen. Der Kläger begehrt unter Inkaufnahme einer nur unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und damit der Arbeitsvergütung, eine bestimmte Verteilung seiner Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung nach dem Urlaubsrecht keinen Anspruch hätte. Dies stellt damit ein rechtsmissbräuchliches Verringerungsverlangen dar. Der Arbeitnehmer will durch sein Verringerungsbegehren eine Freistellung in beliebten Ferienzeiträumen garantiert bekommen. Das Mittel des Teilzeitbegehrens wird also zweckwidrig dazu verwandt, eine Arbeitszeitverteilung durchzusetzen, auf die der Mitarbeiter sonst keinen Anspruch hätte. Vielmehr soll dauerhaft zu Lasten anderer Arbeitnehmer ein Anspruch durchgesetzt werden, der ihm ansonsten nicht zukäme.

Fazit:

Die Entscheidung ist unter jedem Gesichtspunkt zu begrüßen. Teilzeitbegehren dienen nicht dazu, Organisationskonzepte oder Verfahrensanweisungen dauerhaft zu unterlaufen und andere Mitarbeiter sogar zu benachteiligen. Das Landesarbeitsgericht hat daher erfreulich deutlich klargestellt, dass ein solches Vorgehen nicht nur als entgegenstehender betrieblicher Grund angesehen werden kann, sondern sogar rechtsmissbräuchlich ist. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen