02.08.2021 -

Viele Arbeitnehmer sind nicht nur in einem Hauptarbeitsverhältnis tätig, sondern üben in Nebentätigkeit weitere Beschäftigungen aus, meist auf Basis eines Minijobs. Dagegen ist im Grundsatz nichts einzuwenden, insbesondere wenn die Nebentätigkeit angezeigt wurde. Allerdings kann eine solche (auch genehmigte) Nebentätigkeit dazu führen, dass der Mitarbeiter die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) überschreitet. Die Frage ist, welche Rechtsfolgen damit verbunden sind, insbesondere die Frage, ob eine solche Überschreitung zur Nichtigkeit eines Arbeitsverhältnisses (welches?) führt. Mit diesen wichtigen Fragen hat sich das Landesarbeitsgericht Nürnberg in einer aktuellen Entscheidung eingehend befasst (LAG Nürnberg v. 19.5.2020, 7 Sa 11/19). Wir möchten die sehr ausführliche Entscheidung, die sich mit vielen Details des speziellen Tarifvertrages befasst, hier nicht im Einzelnen darstellen, sondern uns auf die Kernaussagen beschränken.


Die Frage der zulässigen Höchstarbeitszeit wird oftmals von Arbeitnehmern nicht beachtet (Copyright: adrian_ilie825/adobe.stock).

Der Fall (verkürzt)

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber mit einer jährlichen Arbeitszeit von 726 Stunden bzw. einer monatlichen Arbeitszeit von 60,5 Stunden als Wasserwart beschäftigt.

Daneben war der Kläger bereits deutlich länger in Vollzeit bei einem anderen Unternehmen beschäftigt. Die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit belief sich dort zuletzt auf 40 Stunden.

Der Arbeitgeber, der den Mitarbeiter als Wasserwart beschäftigte, teilte ihm im Jahre 2018 mit, wegen Überschreitung der zulässigen wöchentlichen Höchstarbeitszeit sei der Vertrag mit ihm nichtig. Zusätzlich wurde das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat eine erhebliche Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit nach § 3 ArbZG durch die zwei Arbeitsverhältnisse des Klägers anerkannt und die Nichtigkeit bejaht.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Verstoß gegen wöchentliche Höchstarbeitszeit führt zur Nichtigkeit!

Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auch bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Daraus errechnet sich eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 60 Stunden, wenn innerhalb des genannten Ausgleichszeitraums im Durchschnitt 48 Stunden in der Woche nicht überschritten werden.

Bei der Regelung des § 3 ArbZG handelt es sich um ein Verbotsgesetz nach § 134 BGB. Dies bedeutet, dass bei Verstößen gegen die Regelung des § 3 ArbZG die Nichtigkeit des Vertrages die Folge ist.

II. Berechnung der zulässigen Arbeitszeit

Der Mitarbeiter hatte in seinem Hauptarbeitsverhältnis zuletzt 40 Wochenstunden vereinbart. Daneben erbrachte er im Durchschnitt weitere 13,96 Wochenstunden als Wasserwart in einem anderen Arbeitsverhältnis. Die Berechnung erfolgte hier mit den in diesem Arbeitsverhältnis vereinbarten 60,5 monatlichen Arbeitsstunden : 3 Monate x 13 Wochen. Damit wurde die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden um 5,96 Stunden überschritten.

III. Nichtigkeit welchen Vertrages?

Die Überschreitung der Höchstarbeitszeit erfolgte hier durch die Zusammenrechnung beider Arbeitsverhältnisse. Insoweit stellt sich die Frage, welcher Arbeitsvertrag wegen Verstoß gegen § 3 ArbZG nichtig ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in solchen Fällen, wenn die Überschreitung nicht Ergebnis eines einzelnen Arbeitsvertrages, sondern mehrerer Arbeitsverträge und der Zusammenrechnung ist, der zeitlich zuletzt abgeschlossene Arbeitszeit nichtig ist. Denn dieser führt erst zur Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit (vgl. dazu auch BAG, 19.06.1959 – 1 AZR 565/17).

Hinweis für die Praxis:

Theoretisch ist insoweit auch eine geltungserhaltende Reduktion denkbar. Diese könnte dazu führen, dass man den zweiten Arbeitsvertrag auf das zulässige Mindestmaß an möglicher Arbeitszeit zurückführt. Dies setzt aber voraus, dass eine sinnvolle und zulässige Reduzierung möglich ist. Dies wird nur in seltenen Fällen der Fall sein, denn mit einer geringeren Arbeitszeit verändern sich auch die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten. Bestimmte Tätigkeiten könnten dann gar nicht mehr ausgeübt werden. In der Regel kommt daher eine geltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht. Im vorliegenden Fall wurde dies von dem Landesarbeitsgericht auch abgelehnt.

Fazit

Die Frage der zulässigen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt wird oftmals von Arbeitnehmern nicht beachtet, teils aus Unkenntnis oder teils aus Überschätzung der eigenen Kräfte. Arbeitgeber sollten daher bei der Gewährung einer Nebentätigkeit auf die zulässige Höchstarbeitszeit hinweisen und sich bestenfalls sogar bestätigen lassen, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Höchstarbeitszeiten mit seiner Nebentätigkeit nicht überschreitet. Etwas Anderes gilt allerdings für selbständige Tätigkeiten. Das Arbeitszeitgesetz bezieht sich auf Tätigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Soweit ein Mitarbeiter daher als freier Mitarbeiter oder selbständiger Unternehmer tätig ist, werden diese Zeiten bei der Berechnung der zulässigen Höchstarbeitszeit nicht berücksichtigt.

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