Was man wissen muss: Gemeinnützigkeitsrechtlich unzulässige, steuerschädliche Verträge – unter welchen Voraussetzungen sie Stiftungen und Vereine nicht binden.
Konsequenz: Unübersehbare Rechtsunsicherheiten sowohl für Stiftungen, Vereine, und Vorstandsmitglieder als auch für Dritte als Vertragspartner
Unübersehbare Rechtsunsicherheiten sowohl für Stiftungen, Vereine, Vorstandsmitglieder und für Dritte als Vertragspartner (Copyright: Zerbor/adobe.stock).
1. Der Hintergrund des Rechtsstreits
Die steuerbegünstigte Stiftung schloss einen nach den Feststellungen der Gerichte mit den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften der §§ 51 ff. AO nicht zu vereinbarenden Verwertungs- und Vermarktungsvertrag mit einer noch nicht errichteten GmbH (im Vertrag „GmbH i.Gr.“). An diesem Vertrag wollte die Stiftung nach der später erfolgten Gründung der GmbH nicht mehr festhalten. Die GmbH klagte auf Schadensersatzanspruch vorrangig wegen Nichterfüllung des Verwertungs- und Vermarktungsvertrags – zuletzt auf insgesamt 25 Mio. € zzgl. Zinsen, u.a. wegen entgangenen Gewinns.
In der Satzung der Stiftung heißt es in § 10…
„Der Vorstand ist in seiner Vertretungsmacht durch den Zweck der Stiftung beschränkt.“
und in § 15 …
„Der Vorsitzende des Vorstandes ist befugt, die Stiftung allein zu vertreten. Er ist in seiner Vertretungsmacht durch den Zweck der Stiftung beschränkt. Die Vertretungsmacht kann im Innenverhältnis durch die Geschäftsordnung beschränkt werden.“
Das LG München hatte die Klage abgewiesen, das OLG die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt angesehen. Letztinstanzlich hat der III. Senat der BGH nunmehr das klageabweisende Urteil wiederhergestellt (BGH, Urteil vom 15.04.2021 – III ZR 139/20).
2. Warum ist das Urteil von besonderem Interesse?
a. Gesellschaftsrecht
Für das Gesellschaftsrecht wird klargestellt, dass auch ein Vertrag mit einer noch nicht errichteten GmbH im Stadium der Vorgründungsgesellschaft möglich ist, auch wenn Beurkundung und Handelsregistereintragung der GmbH erst Monate dem Vertragsschluss stattfinden. Zwar gehen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag nicht automatisch über, sondern müssen, wenn sie in die GmbH eingebracht werden sollen, durch besonderes Rechtsgeschäft übertragen werden.
Jedoch kann die Auslegung eines vor Abschluss des Gesellschaftsvertrags von den Gründern eingegangenen Rechtsgeschäfts ergeben, dass ausschließlich die erst zu gründende, noch nicht existierende GmbH berechtigt und verpflichtet werden soll In diesem Fall ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts unter der aufschiebenden Bedingung der Entstehung der GmbH (Eintragung im Handelsregister) steht. Nach dogmatisch zweifelhafter Auffassung der III. Senats ist ein solches Rechtsgeschäft, da die GmbH und auch die Vor-GmbH noch nicht entstanden sind und deshalb auch noch kein Vertretungsorgan haben, nach § 177 BGB genehmigungsbedürftig. Spätestens in dem Geltendmachen der Rechte liege aber die Genehmigung.
Bei Einmann-Gründungen stellt sich dann allerdings das Problem der gesetzlich angeordneten fehlenden Genehmigungsfähigkeit (§ 180 Satz 1 BGB). Was dann gilt, ist unklar.
b. Stiftungs- und Vereinsrecht
Besondere Bedeutung entfaltet das Urteil im Stiftungsrecht, aber gleichermaßen im Vereinsrecht, insbesondere für die Vielzahl steuerbefreiter Stiftungen und Vereine.
Der BGH hat die Klage deswegen abgewiesen, weil die Stiftung trotz Unterschrift durch die nach Satzung alleinvertretungsberechtigte Vorsitzende ihres Vorstands nicht Vertragspartei geworden war.
Der Vertragsschluss war mit dem gemeinnützigen Zweck der Beklagten nicht zu vereinbaren und demzufolge auch nicht von der Vertretungsmacht der Vorstandsvorsitzenden umfasst. Damit war die Stiftung nicht wirksam vertreten worden. Diese Beschränkung der Vertretungsmacht ergebe sich zwar nicht bereits aus dem Stiftungszweck als solchem, aber nach Auffassung des BGH aus der dahingehenden, „hinreichend klaren und eindeutigen Bestimmung über die Gemeinnützigkeit“ in der Satzung.
Der BGH stellt klar:
- Die Vertretungsmacht des Vorstands einer Stiftung (und spiegelbildlich eines Vereins) ist umfassend und unbeschränkt. Einer generellen Einschränkung durch den Stiftungszweck (Vereinszweck) unterliegt sie nicht. Seine früher abweichende Auffassung gibt der BGH auf.
- Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, die Vertretungsmacht nach § 26 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 86 Satz 1 BGB durch die Satzung zu beschränken. Für eine wirksame Einschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands ist es erforderlich, dass die Satzungsregelung klar und eindeutig zu erkennen gibt, dass sie nicht bloß vereinsinterne Bedeutung haben, sondern (auch) die Vertretungsmacht des Vorstands nach außen beschränken soll.
Bei Anlegung dieses Maßstabs sah der BGH Vertretungsmacht der Vorstandsvorsitzenden in § 10 und § 15 der Satzung wirksam auf den – das Kriterium der Gemeinnützigkeit einschließenden – Zweck der Stiftung beschränkt worden. Die Beschränkung auf den „Zweck der Stiftung“ sei auch ihrem Inhalt und Umfang nach hinreichend klar und eindeutig. Sie umfasse die Zweckbeschreibung, die Bestimmungen zur Zweckverwirklichung und ebenfalls die als Zweck bezeichnete steuerrechtliche Gemeinnützigkeit.
Konsequenz
Der umstrittene Verwertungs- und Vermarktungsvertrag war mit den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften der §§ 51 ff. AO nicht zu vereinbaren. Der Vertrag widersprach daher der Vorgabe der Satzung und somit auch dem „Zweck der Stiftung“ i.S.v. § 10 und § 15 der Satzung. Dies hat zur Folge, dass die Vorstandsvorsitzende der Stiftung nicht die erforderliche Vertretungsmacht für den Abschluss des Vertrags besaß und die Stiftung nicht Vertragspartei geworden ist. Eine Genehmigung ist rechtlich nicht möglich, weil die Erteilung einer solchen Genehmigung wiederum außerhalb der Vertretungsmacht des hierzu allein befugten Stiftungsvorstands läge.
3. Kritik und Empfehlungen
Dass der BGH in dem Verweis der Satzung auf Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts eine „klare und eindeutige“ Bestimmung zur Beschränkung der Vertretungsmacht erkennt, überzeugt nicht, verwundert den Steuerrechtler und wirft zudem unzählige Folgeprobleme auf. Nicht zu Unrecht wird das steuerrechtliche Gemeinnützigkeitsrecht als eine extrem komplexe und unübersichtliche Materie bezeichnet (z.B. Wachter, GmbHR 2021, 822).
Der BGH sieht das Problem, nimmt es aber in Kauf, wenn er schreibt:
„Richtig ist, dass es im Einzelfall – wie auch hier – mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann, zu beurteilen, ob ein Vertrag mit den Erfordernissen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit konform ist oder nicht. … Derjenige, der mit einer als gemeinnützig anerkannten Stiftung einen Vertrag schließen will, muss allgemein damit rechnen, dass gemeinnützigkeitsschädliche Rechtsgeschäfte nicht von der Vertretungsmacht des Vorstands mit umfasst sind. Sein Vertrauen und der Schutz des Rechtsverkehrs rechtfertigen es daher nicht, die Wirksamkeit einer satzungsmäßigen Beschränkung der Vertretungsmacht des Stiftungsvorstands deswegen abzulehnen, weil die Beantwortung der Frage der Gemeinnützigkeitskonformität eines Vertrags im Einzelfall mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Die Regelungen des § 179 BGB bieten für Fälle, in denen ein Vertrag an der mangelnden Vertretungsmacht des Stiftungsvorstands scheitert, einen angemessenen Schutz.“
Ungeklärte Folgefragen
Für Vertragspartner einer Stiftung/eines Vereins
Wie aber sollen Vertragspartner einer gemeinnützigen oder mildtätigen Körperschaft erkennen, ob der Vorstand bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts noch im Rahmen seiner Vertretungsmacht handelt oder nicht? Wie kann ein Vertragspartner rechtssicher feststellen, ob das Geschäft für den Verein oder die Stiftung gemeinnützigkeitsrechtlich zulässig ist oder nicht?
Vertretungsnachweise der Bezirksregierung oder Eintragungen im Vereinsregister helfen alleine nicht weiter, denn aus der Satzung können sich – wie hier im Fall des BGH – Beschränkungen der Vertretungsmacht ergeben, die auch dann gelten, wenn sie dem Vertragspartner nicht bekannt sind.
Beispiele
- Der Vereinsvorstand beauftragt eine Eventmanagement-Agentur mit der Ausrichtung eines großen Vereinsfests, ordert Festzelte, Musikkapellen, Bierwagen, Essen und Getränke.
Ist die Ausrichtung des Fests noch mit den Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts vereinbar? Sind die Verträge bindend? - Der Stiftungsvorstand bestellt für seine Mitglieder Dienstwagen der oberen Mittelklasse.
Ist die Bestellung steuerunschädlich oder widerspricht sie wegen einer ggf. dadurch begründeten übermäßigen Gesamtausstattung1 des Vorstands den Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts? Sind die Verträge bindend? Von wem kann der Händler Zahlung verlangen? - Die Bank empfiehlt einer Stiftung, die zum Kapitalerhalt verpflichtet war, in einen in Fremdwährung finanzierten geschlossenen Immobilienfonds zu investieren.2
Könnte die Stiftung wirksam in den Fonds investieren? Könnte sie überhaupt Gesellschafterin der Fondsgesellschaften werden? Würde der Zeichnungsvertrag/Beteiligungsvertrag die Stiftung binden? Wer trägt die Verluste, wenn es schiefgeht? Der Vorstand? Die Bank?
Es wird bereits diskutiert, in Zweifelsfällen vorab eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts für Körperschaften zur steuerlichen Unbedenklichkeit eines Rechtsgeschäfts oder eine ergänzende Stellungnahme der Stiftungsaufsichtsbehörde darüber einzuholen, ob das beabsichtigte Geschäft tatsächlich vom Stiftungszweck umfasst ist. Entsprechend müssten Vertragspartner gemeinnütziger Vereine im Zweifel Nachweise aus dem Vereinsregister, der Satzung und der Finanzverwaltung einholen.
Es liegt auf der Hand, dass diese Vorgaben im Tagesgeschäft höchst impraktikabel sind und erhebliche Rechtsunsicherheit schaffen.
Soweit der BGH meint, § 179 BGB (Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht) biete ausreichenden Schutz, darf das bezweifelt werden.
Für die Stiftung / den Verein
Aus Sicht der Stiftung ist das Urteil zweischneidig.
Sehr komfortabel ist die Möglichkeit, sich des Problems riskanter, gemeinnützigkeitsschädlicher Geschäfte einfach durch eine entsprechende Beschränkung der Vertretungsmacht in der Satzung zu entledigen – ein fast perfekter Schutzschirm.
Aber
- andererseits wird der Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigt, was Geschäftsabschlüsse mit gemeinnützigen Körperschaften im Zweifel deutlich komplizierter macht oder gar ausschließt;
und
- Vorstandsmitglieder werden kaum noch bereit sein, Geschäftsabschlüsse, die nicht zu 100% gemeinnützigkeitsrechtlich unbedenklich sind, zu unterschreiben, wenn sie jederzeit damit rechnen müssen, voll und persönlich für die Vertragserfüllung oder auf Schadensersatz zu haften.
Alternativ kann die Stiftung – wie ohnehin recht üblich – einen Katalog zustimmungsbedürftiger Rechtsgeschäfte regeln, vor deren Abschluss ein Stiftungsvorstand die Zustimmung bspw. eines Stiftungsrats einzuholen hat. Analog kann ein Verein vorsehen, dass bestimmte Rechtsgeschäfte der Zustimmung der Mitgliederversammlung bedürfen.
Für den Vorstand
Vorstandsmitglieder sollten sich strikt an die satzungsmäßigen Beschränkungen der Vertretungsmacht halten, wenn sie einer persönlichen Haftung entgehen wollen.
Sie haften nicht, wenn der Vertragspartner die Beschränkung der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste (§ 179 Abs. 3 BGB). Wann aber musste der Vertragspartner diesen Umstand kennen, wenn er nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wurde? Auch hier entsteht eine Grauzone mit erheblichem Streitpotenzial.
Fußnoten
1. Erfasst sind neben Gehältern, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Versicherungsbeiträgen auch Pensionszusagen und die PKW-Nutzung, vgl. BFH, Urteil vom 12. März 2020 – V R 5/17, BStBl II 2021, 55, Rn. 41.
2. Vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 28.01.2015 – 1 U 32/13: „Die Klägerin [eine gemeinnützige Stiftung] durfte schon aus stiftungsrechtlichen Gründen nicht das Risiko eingehen, das Stiftungskapital durch riskante Anlagegeschäfte zu mindern“.
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