02.11.2021 -


Lohnfortzahlung im behördlich verordneten Lockdown? (credit:adobestock)

Das BAG hat – weitgehend unbemerkt und entgegen der weit verbreiteten juristischen Meinung – am 13. Oktober 2021 (Az.: 5 AZR 211/21 – noch nicht veröffentlicht) entschieden, dass Arbeitgeber für Zeiten, in denen ein Betrieb unmittelbar durch behördliche Pandemiebekämpfungsmaßnahmen geschlossen war, keinen Lohn schulden.

Was war geschehen?

Die Klägerin, eine geringfügig auf 450-Euro-Basis beschäftigte Verkäuferin, konnte im Frühling 2020 ihrer Arbeit nicht nachgehen, weil ihr Arbeitgeber von einer behördlich verfügten Betriebsschließung betroffen war. Trotzdem verlangte sie von ihm den Lohn für die Zeit des Arbeitsausfalls.

Vor dem Arbeitsgericht hat sie erfolgreich auf Zahlung geklagt. Auch das Landesarbeitsgericht hat ihr Recht gegeben. Bei der Einstellung geringfügig Beschäftigter, denen kein Kurzarbeitergeld zusteht, gehe der Arbeitgeber das Risiko ein, den Lohn auch in Zeiten des Arbeitsausfalls zahlen zu müssen, ohne dass es hierfür eine Kompensation gebe; er komme mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug und müsse den Lohn zahlen, auch wenn er keine Arbeiten (zu) vergeben hat.

Damit haben sich die Vorinstanzen einer arbeitnehmerfreundlichen Auffassung angeschlossen, die bisher in der juristischen Literatur weit vorherrschend war.

Wie lautet das Urteil?

Anders das BAG: Die behördliche Lockdown-Verfügung verbiete nicht nur dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer zu beschäftigen, sondern mache es vielmehr schon der Arbeitnehmerin unmöglich, überhaupt in zulässiger Weise ihre Arbeitskraft anzubieten.

Bei einem unzulässigen Arbeitsangebot könne der Arbeitgeber wiederum von vornherein gar nicht versäumen, die angebotene Arbeitskraft entgegenzunehmen.

Daher schulde er auch keinen Lohn als Gegenleistung.

Dass der Arbeitnehmerin als geringfügig Beschäftigte kein Ersatz in Form des Kurzarbeitergeldes zusteht, ändere hieran nichts; denn der Arbeitgeber trage keine Verantwortung für die Lücke im sozialen Schutzsystem des Staates.

Was folgt für die Praxis?

Zwar ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nach dem herkömmlichen Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ logisch begründet; doch aus dem bisher nicht veröffentlichten Urteil ergeben sich auch berechtigte Fragen.

Unklar ist etwa, ob die Entscheidung auch auf Arbeitnehmer übertragbar ist, denen aus anderen Gründen kein Recht auf Kurzarbeitergeld zusteht.

Ebenso zeichnet das BAG für die Arbeitnehmer selbst keinen Weg vor, sich wegen ihres faktischen Arbeitsverbots beim Staat entschädigen zu lassen.

Fraglich bleibt auch, ob die Entscheidung auch für Arbeitgeber gilt, die aufgrund vorherigen Fehlverhaltens selbst die Verantwortung dafür tragen, dass der Betrieb geschlossen worden ist, etwa weil sie Vorgaben für die Pandemiebekämpfung nicht eingehalten haben.

Allerdings liegt die Entscheidung bisher lediglich als Pressemitteilung vor und aus den Urteilsgründen könnten sich Antworten auf die aufgeworfenen Fragen noch ergeben.

Aus der bisherigen Rechtsprechung lässt sich jedenfalls zumindest herleiten, dass Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter entlohnt haben, ohne hierzu verpflichtet zu sein, in aller Regel das Geld nicht zurückverlangen können. Den Arbeitnehmern steht nämlich in solchen Fällen zu, sich auf „Entreicherung“ zu berufen, wenn das Geld bereits ausgegeben ist.

Vermuten lässt sich zudem, dass die Entscheidung nicht auf Fälle übertragbar ist, in denen der Arbeitgeber selbst den Betrieb vorübergehend aufgrund fehlender Nachfrage geschlossen hat, weil Kunden aus eigener Vorsicht zu Hause geblieben sind.

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