Abfindungen sind keine Seltenheit, müssen jedoch versteuert werden (credit: adobestock)
Im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen und dem einvernehmlichen Ausscheiden von Mitarbeitern werden häufig Abfindungen vertraglich vereinbart. Solche Abfindungszahlungen sind zu versteuern. Regelmäßig erfolgt die Abfindungszahlung begünstigt nach der sogenannten Fünftelregelung, § 34 EStG. Es können sich allerdings im Einzelnen dann zahlreiche steuerrechtliche Fragestellungen ergeben. Arbeitnehmer sind grundsätzlich verpflichtet, sich über die steuerlichen Folgen selbst zu informieren. Wie verhält es sich aber, wenn der Arbeitgeber Auskünfte erteilt und diese nicht zutreffend sind? Entsteht dem Arbeitnehmer dann ein Steuerschaden? Mit diesen Fragen hat sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in einem aktuellen Urteil befasst und der Praxis dabei wichtige Hinweise für die Vertragsverhandlungen an die Hand gegeben (LAG Baden-Württemberg v. 5.11.2020, 17 Sa 12/20).
Der Fall (verkürzt):
Der Kläger war bei dem beklagten Unternehmen als Maschinenbediener bereits seit 1979 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach den Tarifverträgen in der Metallindustrie in Südwürttemberg/Hohenzollern.
Das Einkommen des Klägers wurde zusammen mit seiner Ehefrau, die über kein eigenes Einkommen verfügt, steuerlich veranlagt.
Im September 2016 begannen die Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu verhandeln. Der Aufhebungsvertrag vom 14.10.2016 sah u.a. vor:
„…
1. Beendigung
Das Arbeitsverhältnis endet wegen dringender betrieblicher Gründe mit Ablauf des 31.10.2016.
2. Abfindung
Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten Sie eine bereits mit Abschluss des Aufhebungsvertrags entstandene und damit vererbliche Abfindung in Höhe von EUR 117.052,88 brutto.
Die Abfindungszahlung wird grundsätzlich zum Monatsletzten des Austrittsmonats fällig. Einvernehmlich kann die Fälligkeit der Abfindungszahlungen auf einen Zeitpunkt im Jahr nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen festgelegt werden. Die Auszahlung der Abfindungssumme kann auch einvernehmlich auf zwei Auszahlungstermine aufgeteilt werden, von denen einer im Austrittsjahr (frühestens im Monat des Austritts) und einer im Jahr nach dem Austritt liegt. Die Auszahlung des Betrags erfolgt gemäß den jeweils gültigen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen.
…
5. Hinweis auf steuer- und sozialrechtliche Konsequenzen
5.1 Verbindliche Auskunft über die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen dieser Vereinbarung kann nur das zuständige Finanzamt bzw. der zuständige Sozialversicherungsträger erteilen. Auf die Möglichkeit des Eintritts einer Sperrzeit und deren Folgen sowie ein mögliches Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und auf einen möglichen Verlust der Versorgungsanwartschaft werden Sie hingewiesen.
5.2 …
…
10. Erledigungsklausel
10.1 Mit Abschluss des vorliegenden Aufhebungsvertrags sind sämtliche Ansprüche und Rechte der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sowie dessen Beendigung abgegolten und erledigt, soweit ein Verzicht hierauf zulässig ist.
10.2 Ausgenommen davon sind die Ansprüche und Rechte, die sich aus dem vorliegenden Aufhebungsvertrag ergeben, sowie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. …“
Dem Aufhebungsvertrag war eine „Anlage zum Aufhebungsvertrag vom 14.10.2016: Festlegung des Auszahlungszeitpunktes“ (künftig: Anlage) beigefügt, welche grundsätzlich das Folgende vorsah:
„… wird hinsichtlich des Auszahlungszeitpunktes Folgendes vereinbart (bitte Zutreffendes ankreuzen):
– gesamte Summe zum Monatsletzten des Austrittsmonats.
– Gesamte Summe im Monat … des Folgejahres nach dem Austritt.
– EUR … im Monat … des Austrittsjahres (Anmerkung: Auszahlung ist nicht vor dem Austrittsmonat möglich), EUR … im Monat … des Folgejahres.
Ihre schriftliche Festlegung des Auszahlungszeitpunktes muss spätestens am 31.10.2016 der zuständigen Personalabteilung vorliegen. …““
Am Ende des Verhandlungsgesprächs stimmte der Kläger der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu und füllte die Anlage aus, in dem er die letzte Option ankreuzte und wie folgt ausfüllte:
„20.000,00 € im Monat 12.16 des Austrittsjahres, Rest im Monat 1-1-2017 des Folgejahres“
Der Aufhebungsvertrag wurde allerdings selbst nicht unterschrieben. Wegen Formunwirksamkeit setzten die Parteien daher das Arbeitsverhältnis über den 31.10.2016 hinaus fort. Ende November 2016 wurden erneut Gespräche über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages geführt. Der Aufhebungsvertrag wurde sodann zum 30.11.2016 unterzeichnet. Wiederum füllte der Kläger auch die Anlage aus und man vereinbarte eine Teilauszahlung der Abfindung in Höhe von 20.000,00 € im Monat Dezember 2016 und den Restbetrag über 94.330,72 € im Monat Januar 2017 des Folgejahres.
Die Agentur für Arbeit verhängte eine Sperrzeit bzw. ein Ruhen des Anspruchs wegen einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2016 auf 14.638,00 € fest. Nachdem der Kläger über seinen Steuerberater die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 beim Finanzamt eingereicht hatte, hörte das Finanzamt den Kläger nach § 91 AO an, weil beabsichtigt sei, die in den Jahren 2016 bzw. 2017 erhaltenen Abfindungsbeträge nicht im Rahmen des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG begünstigend zu berücksichtigen. Die zu entrichtende Einkommensteuer wurde dann im Nachgang für das Jahr 2017 auf 27.485,00 € festgesetzt.
Der Kläger macht einen Steuerschaden geltend. Wenn er sich den gesamten Abfindungsbetrag erst im Jahre 2017 hätte auszahlen lassen und eine steuerliche Privilegierung nach § 34 EStG hätte in Anspruch nehmen können, wäre die steuerliche Belastung insgesamt um 24.156,45 € geringer gewesen.
Als Begründung für die Geltendmachung des Steuerschadens führt der Kläger an, der Personalleiter habe ihm mitgeteilt, die Aufteilung der Abfindung habe für ihn aufgrund der sogenannten 5-tel-Regelung steuerliche Vorteile. Hätte der Personalleiter auch nur erwähnt, dass er ihn nicht beraten könne, hätte er selbstverständlich einen Steuerberater hinzugezogen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Geltendmachung des Steuerschadens ebenfalls abgelehnt und die Berufung zurückgewiesen.
I. Tarifvertragliche Ausschlussfrist
Das Arbeitsgericht hat zunächst jedenfalls für den Veranlagungszeitraum 2016 einen Schaden schon wegen einschlägiger tarifvertraglicher Ausschlussfristen abgelehnt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Metallindustrie Anwendung. Ein geltend gemachter Schadensersatzanspruch unterliegt der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nach § 18 MTV Metall.
Für den Beginn der Ausschlussfrist hat das Landesarbeitsgericht auf den Zugang des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2016 abgestellt. Der Kläger hat dann nicht innerhalb der sechsmonatigen tarifvertraglichen Ausschlussfrist seine Ansprüche geltend gemacht.
II. Schadensersatzanspruch wegen falscher Auskünfte?
Arbeitgeber sind verpflichtet auf das Wohl und die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen, § 241 Abs. 2 BGB. Zwar obliegt einem Arbeitgeber keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt er aber Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Der Arbeitgeber haftet deshalb für die Schäden, die für eine von ihm schuldhaft erteilte fehlerhafte Auskunft ursächlich sind.
Ein Schadensersatzanspruch wegen unzutreffender Auskunftserteilung kommt aber nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entweder auf dessen ausdrückliches Verlangen nach Informationen falsch informiert oder wenn er ihn im Rahmen von Verhandlungen (beispielsweise über Vertragsänderungen), die der Arbeitgeber initiiert hat, falsch berät. Erteilt der Arbeitgeber auf ein vom Arbeitnehmer offenbartes Informationsbedürfnis hin – unter Umständen überobligatorisch – Auskunft, dann ergibt sich aus der Rücksichtnahmepflicht in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB, dass diese Auskunft richtig, eindeutig und vollständig sein muss.
Der Arbeitgeber darf daher dem Arbeitnehmer keine schuldhaft falsche und unvollständige Auskunft erteilen und haftet schadensersatzrechtlich für die Richtigkeit seiner Auskunft. Umgekehrt darf sich der Arbeitnehmer schadensersatzrechtlich regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Auskunft verlassen.
Hinweis für die Praxis:
Im vorliegenden Fall ging es um die Zusammenballung von Einkünften. Außerordentliche Einkünfte nach § 34 EStG werden in ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.
Fazit:
Trotz der im Grundsatz unrichtigen Auskunft des Personalleiters hat hier das Landesarbeitsgericht einen Schadensersatzanspruch abgelehnt. Welche Lösung aus steuerrechtlicher Sicht die optimale Lösung darstellt, hängt von vielen individuellen Faktoren ab. So kann sich bei einer Sperrzeit das Interesse an einer vorzeitigen Auszahlung der Abfindung ergeben, um über liquide Mittel zur Lebensführung zu verfügen. Dies hängt wiederum von den sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab. Auch kann eine Auszahlung erst zu einem späteren Veranlagungszeitraum steuerlich sinnvoll sein, wenn unter Berücksichtigung einer etwaigen gemeinsamen Veranlagung mit dem Ehepartner weniger an Einkommen zu erwarten ist. In diesem Sinne schuldet der Arbeitgeber keine umfassende wirtschaftliche Beratung des Arbeitnehmers.
Vernünftigerweise gab es hier nicht nur eine, sondern mehrere Möglichkeiten. Dazu hat aber der Personalleiter nicht aufgeklärt. Es wäre vielmehr Sache des Arbeitnehmers gewesen, sich interessengerecht zu informieren. Das Landesarbeitsgericht hat daher die Verletzung einer Aufklärungspflicht und einen kausalen Steuerschaden sowie einen Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers abgelehnt.
Im Ergebnis haben also nur die besonderen Verhältnisse des Arbeitnehmers und der speziell gelagerte Sachverhalt dazu geführt, dass ein Steuerschaden abgelehnt wurde. Im Grundsatz können aber solche Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber durchgesetzt werden. Es ist daher dringend zu empfehlen, im Rahmen von Aufhebungsvertragsverhandlungen jedwede steuerlichen Auskünfte zu unterlassen und allein auf die zuständigen Stellen oder die eigene steuerliche Beratung zu verweisen. Nur so können Schadensersatzansprüche vermieden werden.
Auszeichnungen
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TOP-Wirtschaftskanzlei für Arbeitsrecht(FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)
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TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
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TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen(WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)
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TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen(WirtschaftsWoche 2023, 2020)
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