25.11.2021 -


Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften in Krankenhäusern (credit:adobestock)

Für Chefärztinnen und Chefärzte sind Bereitschaftsdienst- und Rufbereitschaftszeiten in ihrer täglichen Arbeit relevant. Gegebenenfalls wirken Chefärztinnen und Chefärzte auch selbst an solchen Diensten mit. Insoweit stellen sich einige Rechtsfragen, insbesondere sind die Unterschiede zu den nachgeordneten Ärztinnen und Ärzten zu beachten.

1. Wie unterscheiden sich Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft generell?

Bereitschaftsdienst liegt laut dem Bundesarbeitsgericht (BAG) vor, wenn sich der Arbeitnehmer „in der Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung“ an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufhält, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit auf Anweisung hin unverzüglich aufnehmen kann. Hierbei handelt es sich stets um Arbeitszeit. Wird der Aufenthaltsort nicht konkret vorgegeben, kann sich eine faktische Ortsbindung aber aus Vorgaben des Arbeitgebers dahingehend ergeben, wie schnell der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz erreichen können muss. Bei einer Zeitvorgabe von 20 Minuten nahm die Rechtsprechung einen Bereitschaftsdienst an, bei einer Zeitvorgabe von 25 bis 30 Minuten hingegen nicht. Bei Rufbereitschaft kann sich der Arbeitnehmer laut dem BAG an einem frei wählbaren, aber dem Arbeitgeber anzuzeigenden Ort aufhalten, muss aber jederzeit erreichbar sein und auf Anforderung jederzeit die Arbeit aufnehmen. Rufbereitschaft in diesem Sinne ist keine Arbeitszeit – dies ist aber von den vergütungsrechtlichen Fragestellungen zu trennen (siehe zur Abgrenzung von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft BAG Urt. vom 11. 7. 2006 – 9 AZR 519/05; BAG, Urteil vom 31. 5. 2001 – 6 AZR 171/00).

2. Müssen die Chefärztin bzw. der Chefarzt Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft leisten?

Das ergibt sich aus dem Chefarztvertrag. Das – eher krankenhausfreundliche – Vertragsmuster der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht zunächst eine organisatorische Verantwortung der Chefärztin oder des Chefarztes vor, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft in der Abteilung „sicherzustellen“. Nach einer der beiden im DKG-Vertragsmuster vorgesehenen Alternativen müsse die Chefärztin / der Chefarzt aber auch „turnusgemäß im Wechsel mit den übrigen hierfür vorgesehenen Fachärzten“ seiner/ihrer Abteilung an der Rufbereitschaft teilnehmen. Diese Alternative soll in Frage kommen, wenn die Abteilung mit weniger als drei Oberärzten besetzt ist. Die zweite, für eine höhere Auslastung an Oberärzten gedachte Alternative sieht eine entsprechende Verpflichtung der Chefärztin / des Chefarztes nur dann vor, wenn die Zahl der nachgeordneten Fachärzte der Abteilung für die Einhaltung der arbeits- und tarifvertraglichen sowie gesetzlichen Vorschriften bei der Rufbereitschaft nicht ausreiche. Der individuelle Chefarztvertrag kann aber sehr wohl auch andere Regelungen vorsehen.

Nach einem älteren BAG-Urteil sei die Chefärztin / der Chefarzt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auch dann zur Teilnahme an der Rufbereitschaft verpflichtet, wenn dies nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart sei (BAG 23.05.1984 – 5 AZR 476/81). Für den Bereitschaftsdienst wird dies hingegen nicht angenommen. Möglich ist es aber, im Chefarztvertrag Bereitschafts- und insbesondere auch Rufbereitschaft für die Chefärztin / den Chefarzt komplett auszuschließen. Insoweit kann auch eine Höchstanzahl dieser Dienste vereinbart werden. Ist diese überschritten, darf der Krankenhausträger dann keine Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienste anordnen.

Dies ist von der Frage zu trennen, wie viele dieser Dienste ohne zusätzliche Vergütung geleistet werden müssten. Allerdings muss die Chefärztin / der Chefarzt auch bei einer solchen Höchstanzahl von Diensten damit rechnen, in Notfällen doch herangezogen zu werden – dem kann sie/er sich dann nicht entziehen. Sprich: Kann andernfalls kein Bereitschaftsdienst bzw. keine Rufbereitschaft organisiert werden, muss auch die Chefärztin / der Chefarzt sich beteiligen. Wenn dauerhaft zu wenig Personal bereitsteht, um einen Bereitschafts- oder Rufbereitschaftsdienst zu organisieren, kann die Chefärztin / der Chefarzt aber konkrete organisatorische Maßnahmen verlangen, insbesondere auch die Einstellung zusätzlichen Personals (vgl. ArbG Wilhelmshaven, 23.09.2004 – 2 Ca 212/04).

3. Werden Bereitschaft und Rufbereitschaft bei Chefärztinnen / Chefärzten vergütet?

Häufig sehen Tarif- und Arbeitsverträge für nachgeordnete Ärztinnen und Ärzte gesonderte Regelungen zum Bereitschaftsdienst und zur Rufbereitschaft vor und können insbesondere auch vereinbaren, dass der Bereitschaftsdienst geringer als die restliche Arbeitszeit bewertet wird. Für den Krankenhausbereich sehen regelmäßig Tarifverträge wie der TV-Ärzte VKA Sonderbestimmungen zur Vergütung von Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst vor. Allerdings sind diese Tarifverträge auf Chefärztinnen / Chefärzte regelmäßig nicht anwendbar (vgl. etwa § 1 Abs. 2 TV-Ärzte VKA).

Das Chefarztvertragsmuster der DKG sieht vor, dass jede Art von Bereitschaftsdienst- und Rufbereitschaft mit der sonstigen Vergütung abgegolten wird. Damit würde eine pauschale Abgeltung erfolgen. Wird der Vertrag nicht individuell ausgehandelt, sondern einseitig vom Arbeitgeber vorgegeben, liegen aber allgemeine Geschäftsbedingungen vor und ist in der Konsequenz eine Inhaltskontrolle vorzunehmen. Das LAG Hamm hat offengelassen, ob eine pauschale Abgeltungsklausel nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

Die Rufbereitschaft außerhalb der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen zählt nicht als Arbeitszeit, wird aber bei nachgeordneten Ärzten und Pflegepersonal regelmäßig gesondert zu vergüten sein. Bei fehlender vertraglicher Vereinbarung folgt dies für andere Arbeitnehmer grundsätzlich aus einer stillschweigenden Vergütungsabrede nach § 612 Abs. 1 BGB. Chefärztinnen und Chefärzte werden sich nach der Rechtsprechung des LAG Hamm aber gerade nicht darauf berufen können, dass die Rufbereitschaft nur gegen eine gesonderte Vergütung zu erwarten gewesen wäre. Bei einem Jahresbruttoverdienst, der deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt, könnten Chefärztinnen / Chefärzte laut dem LAG nicht mit einer gesonderten Vergütung der Rufbereitschaft rechnen (LAG Hamm 15.03.2013 – 18 Sa 1802/1; vgl. auch BAG 21.12.2016 – 5 AZR 362/16).

Demnach muss eine Chefärztin oder ein Chefarzt, die/der sich der pauschalen Abgeltung nicht fügen will, eine gesonderte Regelung zu Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdiensten vereinbaren. Zwar weist zu dieser generellen Thematik ein Urteil des LAG Düsseldorf für andere Arbeitnehmer in eine neue Richtung: Demnach besteht eine objektive Vergütungserwartung für Überstunden auch bei deutlicher Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze, insoweit die Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG überschritten wird (LAG Düsseldorf 23.9.2020 – 14 Sa 296/20). Für Chefärztinnen und Chefärzte gilt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG dieses Gesetz aber nicht, sodass sich aus dem Urteil des LAG Düsseldorf kein Argumentationsstoff gewinnen lässt.

4. Was sollte zu Umfang der Bereitschaft/Rufbereitschaft im Chefarztvertrag geregelt werden?

Eine Teilnahme am Bereitschaftsdienst ist für Chefärztinnen / Chefärzte eher untypisch, die Chefärztin oder der Chefarzt sollten darauf achten, dass ihnen insoweit nur die organisatorische Verantwortung übertragen wird und sie/er sich nicht zu eigenen Bereitschaftsdiensten verpflichtet. Chefärztinnen und Chefärzte, die keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine eigene Teilnahme an Rufbereitschaftsdiensten haben, sollten in den Vertragsverhandlungen Sorge dafür tragen, die jährliche/monatliche Anzahl im Turnus zu leistender Rufbereitschaftsdienste zu beschränken. Auf diesem Wege lässt sich verhindern, dass diese Dienste ausufern. Möglich ist natürlich auch, eine Vergütung für die Dienste zu vereinbaren.

Fazit

Die Thematik zeigt, wie wichtig ein sorgfältig verfasster Chefarztvertrag ist – die sich aus dem Arbeitszeitgesetz, billigen Vergütungserwartungen und Tarifverträgen ergebenden Schutzvorschriften gelten für Chefärztinnen / Chefärzte nicht. Dementsprechend sind gerade die Themenkomplexe Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft in den Verhandlungen des Chefarztvertrags und dessen konkreter Ausgestaltung mit Sorgfalt zu behandeln. Die Thematik kann die Lebensqualität (Work-Life-Balance) der Chefärztin / des Chefarztes stark beeinflussen.

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