13.12.2021 -


Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Freizeitausgleich (credit:adobestock)

In vielen Fällen scheiden Mitarbeiter, sei es durch gerichtlichen Vergleich, sei es durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages, einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis aus. Oftmals wird dann eine unwiderrufliche Freistellung unter Anrechnung auf Resturlaubsansprüche und etwaige sonstige Freizeitausgleichsansprüche vereinbart. Regelmäßig wird zusätzlich das Recht des Arbeitnehmers vorgesehen, vorzeitig unter Einhaltung einer kurzen Ausstiegsfrist, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun in einer Grundsatzentscheidung das Verhältnis dieser Regelungen zueinander im Hinblick auf die Anrechnung anderweitigen Verdienstes geklärt (BAG v. 23.2.2021, 5 AZR 314/20). Wir möchten die Kernaussagen der Entscheidung hier erläutern und darstellen.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, als Personalleiter mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 9.703,87 € beschäftigt. Nach Vorlage zweier Vertragsentwürfe und Verhandlungen schlossen die Parteien am 12.9.2018 einen Aufhebungsvertrag, der u.a. bestimmt:

„1. Die Arbeitgeberin und Herr L. sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen, auf Veranlassung des Arbeitnehmers, mit Ablauf des 30.4.2019 durch diesen Aufhebungsvertrag enden wird.

2. Ab dem 21.9.2018 wird Herr L. bis zum 30.4.2019 unter Anrechnung aller noch bestehenden Urlaubsansprüche sowie Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto unter Fortzahlung des monatlichen Entgelts in Höhe von 9.676,00 € brutto unwiderruflich bezahlt von der Arbeit freigestellt.

5. Herr L. erhält das Recht, mit einer Ankündigungsfrist von drei Werktagen durch schriftliche Erklärung vor dem 30.4.2019 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Das Arbeitsverhältnis endet dann mit dem Zeitpunkt, den Herr L. angibt. In diesem Fall erhält Herr L. in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindungssumme für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Höhe von 2.690,00 € brutto und für jeden vorzeitigen Kalendertag in Höhe von 90,00 € brutto. Sofern Herr L. diese Regelung in Anspruch nehmen sollte, sind die Ansprüche aus dieser Regelung bereits jetzt entstanden und vererblich und mit der letzten Entgeltabrechnung auszuzahlen.

7. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass Herrn L. etwaige Abfindungsansprüche aus einem evtl. noch abzuschließenden Sozialplan in voller Höhe zustehen und mit der letzten Entgeltabrechnung bzw. mit dem nächstmöglichen Abrechnungsverlauf zur Auszahlung zu bringen sind.

…“

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages hatte der Kläger noch offene Urlaubsansprüche für das Kalenderjahr 2018 im Umfang von acht Tagen sowie Anspruch auf Freizeitausgleich in Höhe von 0,62 Stunden.

Der Personalleiter trat dann am 7.1.2019 eine Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber an. Dies zeigte er seinem bisherigen Arbeitgeber mit Schreiben vom 9.12.2019 schriftlich an. In diesem Arbeitsverhältnis erzielte er eine höhere monatliche Vergütung als bei seinem bisherigen Arbeitgeber. Dieser zahlte daraufhin für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.4.2019 keine Vergütung mehr an den Kläger. Von der Sprinterklausel machte der Kläger keinen Gebrauch.

Mit seiner Klage machte er die Vergütungszahlung für die Zeit von Januar bis April 2019 in Höhe von 38.815,48 € brutto nebst Zinsen geltend.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung bestätigt.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Anrechnung von Zwischenverdienst bei Vereinbarung einer Sprinterklausel!

In dem Aufhebungsvertrag war eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht ausdrücklich vereinbart. In der Regel führt dies nach der Rechtsprechung dazu, dass eine Anrechnung nicht erfolgt. So haben auch die beiden ersten Instanzen noch hier entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hat dies aber anders ausgeurteilt. Die Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes ist zwischen den Parteien konkludent vereinbart worden.

Dieses Ergebnis hat das Bundesarbeitsgericht aus der Vereinbarung der Sprinterklausel gefolgert. Danach hatte der Personalleiter das Recht, mit einer kurzen Ankündigungsfrist vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Mit dieser Regelung in Ziff. 5 des Aufhebungsvertrages haben die Parteien ein Sonderkündigungsrecht vereinbart.

Hinweis für die Praxis:

Das Landesarbeitsgericht hat dazu noch entschieden, dass die Parteien mit dem Sonderkündigungsrecht lediglich die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung vereinbart hätten, nicht jedoch die Pflicht. Das Bundesarbeitsgericht hat dies jedoch nicht als maßgeblich angesehen. Vielmehr soll die Sprinterklausel dazu dienen, dass der Kläger von der Option Gebrauch macht, wenn er einen anderen entsprechend gut bezahlten Arbeitsplatz gefunden hat.

II. Festlegung des Urlaubs erforderlich

Die Anrechnung eines anderweitigen erzielten Verdienstes besteht nicht für Zeiten, in denen noch Resturlaubsansprüche erfüllt werden. Im vorliegenden Fall hatten aber die Vertragsparteien einen konkreten Urlaubszeitraum gerade nicht festgelegt. Auch dies steht aber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts der Anrechnung des anderweitigen Verdienstes nicht entgegen. Die Auslegung ergibt, dass sich aus der Freistellungserklärung oder -vereinbarung die zeitliche Lage des Urlaubs entnehmen lässt. Auch insoweit greift das Bundesarbeitsgericht wieder auf die vereinbarte Sprinterklausel zurück. Mit dieser Vereinbarung ist es aus Sicht der Parteien angemessen und naheliegend, von einer während der Zeit der Freistellung zeitlich vorrangigen Erfüllung des Urlaubsanspruchs auszugehen. Dieser soll also nach Auslegung und dem Willen der Parteien zu Beginn der Freistellung erfüllt werden. Gerade weil die Parteien es offensichtlich als möglich angesehen haben, dass der Kläger kurzfristig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Gleiches gilt für den Abbau des Zeitguthabens.

Fazit

Das Bundesarbeitsgericht geht also davon aus, dass durch die Vereinbarung der Sprinterklausel die Anrechnung eines anderweitig erzielten Verdienstes konkludent vereinbart ist. Der Arbeitnehmer sollte während der bezahlten Freistellung keine finanziellen Nachteile erleiden, solange er keine andere Beschäftigung aufnimmt. Umgekehrt sollte er aber auch keine ungerechtfertigten finanziellen Vorteile erzielen. Dies wäre aber der Fall, wenn er während der Freistellung trotz vereinbarter Sprinterklausel doppelte Verdienste hätte erzielen können.

Der Rechtsstreit wurde nur deshalb zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, weil der Umfang des Urlaubsanspruches für das Jahr 2019 noch nicht geklärt war. Für die Zeit des Resturlaubsanspruches im Jahre 2019 dürfte anderweitiger Verdienst nicht angerechnet werden. Insoweit muss das Landesarbeitsgericht noch diesen Zeitraum berechnen.

Der Entscheidung ist insgesamt zuzustimmen. Sie macht aber auch deutlich, dass genaue Vereinbarungen zielführender sind. Dort, wo klare Regeln verabredet sind, bedarf es keiner Auslegung zu der Frage, was die Parteien tatsächlich gemeint haben. Soll die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausgeschlossen werden, ist dies unmittelbar im Vertrag zu vereinbaren. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich, auch umfangreiche Urlaubsansprüche konkret festzulegen, um so die hier genannten Auslegungsfragen auszuschließen.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen