Bekanntlich wurde zum 1. Januar 2002 das Schuldrecht modernisiert. Alle seit diesem Zeitpunkt abgeschlossenen formularmäßigen Arbeitsverträge unterliegen einer strikten Inhaltskontrolle (§§ 305 ff. BGB). Seit dem 1. Januar 2003 finden die Vorschriften über den Inhalt vorformulierter Verträge auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung, die vor dem 1. Januar 2002 begründet wurden.
Damit müssen sich jetzt alle Arbeitsverträge am Maßstab der §§ 305 ff. BGB messen lassen. Damit gilt auch § 308 Nr. 4 BGB, nach dem eine formularmäßige Vereinbarung eines Rechtes des Arbeitgebers, die versprochene Vergütung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam ist, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Mit der Bedeutung dieser Vorschrift für Arbeitsverträge, die vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden, hatte sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 12. Januar 2005 (- 5 AZR 364/04 – bislang nur als Pressemittelung bekannt) zu befassen.
Der Senat entschied, dass eine Vereinbarung, nach der sich der Arbeitgeber den Widerruf einer übertariflichen Zulage vorbehält, jedenfalls dann nach § 308 Nr. 4 BGB zumutbar und wirksam ist, wenn dem Mitarbeiter nach dem Widerruf die tarifliche oder mindestens übliche Vergütung verbleibt und der Schutz gegenüber Änderungskündigungen nach § 2 KSchG nicht umgangen wird. Der Widerruf darf damit höchstens 25 bis 30 % der Gesamtvergütung erfassen. Er darf im Übrigen nicht ohne Grund erfolgen. Dies muss sich aus der vertraglichen Regelung selbst ergeben, die zumindest auch die Art der Widerrufsgründe (z.B. wirtschaftliche Gründe, Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers) zwingend benennen muss. Da der Formularvertrag, über den das BAG zu entscheiden hatte, eine solche Aufzählung von Widerrufsgründen nicht enthielt, urteilte das BAG, dass die Widerrufsregelung unwirksam sei.
Der Senat hielt dem Arbeitgeber aber zugute, dass er – da der Arbeitsvertrag vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde – von den förmlichen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB, auf die das BAG die Unwirksamkeit der Klausel stützte, nichts wissen konnte. Deshalb könne der Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB nicht dazu führen, dass die Widerrufsmöglichkeit für die übertarifliche Zulage gänzlich entfalle. Eine solche Bindung stelle – so das BAG in seiner Pressemitteilung – einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatautonomie dar. Deshalb müsse die entstandene Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Dabei liege es nahe, dass die Parteien bei Kenntnis der nachträglich in Kraft getretenen Schuldrechtsreform eine Widerrufsvereinbarung jedenfalls die von der Beklagten als Begründung für den Widerruf herangezogenen wirtschaftlichen Gründe mit einbezogen hätten. Der Vertrag müsse deshalb entsprechend ausgelegt und überprüft werden, ob der Widerruf unter diesem Gesichtspunkt rechtmäßig ausgesprochen sei.
Verfasser: Rechtsanwalt Sebastian Witt
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