16.03.2005 -

In der Praxis werden im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses häufig so genannte vom Arbeitnehmer zu unterzeichnende Ausgleichsquittungen erstellt, mit denen der Arbeitgeber die schriftliche Bestätigung erstrebt, dass sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet bzw. abgegolten sind und dass das Arbeitsverhältnis beendet wird. Im Zusammenhang mit solchen Ausgleichsquittungen entsteht immer wieder Streit, ob bestimmte Ansprüche, die nicht ausdrücklich geregelt wurden, erfasst werden. In einem interessanten Urteil hatte sich nun das Bundesarbeitsgericht mit einer solchen Konstellation zu beschäftigen (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 28. 7. 2004 – 10 AZR 661/03NZA 2004, 1097 = DB 2004, 2218 = BB 2004, 2134).

 

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

 

Der klagende Arbeitnehmer war vom 1. April 2000 bis 31. Oktober 2001 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Nach § 13 seines schriftlichen Anstellungsvertrages stand ihm ein 13. Monatsgehalt, ggf. anteilig, zu. Der Arbeitnehmer hatte für die Zeit ab 1. November 2001 eine neue Beschäftigung und wollte deshalb das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber beenden. Unter Einhaltung der Kündigungsfrist war ihm dies jedoch erst zum 15. November 2001 möglich. Er strebte deshalb eine einvernehmliche Beendigung bereits zum 31. Oktober 2001 an.

 

Am 31. Oktober 2001 wurde dann in der Tat von beiden Seiten eine vorgefertigte Ausgleichsquittung unterzeichnet. In einem ersten Teil dieser Ausgleichsquittung wurde der Erhalt der Arbeitspapiere bestätigt. Diesen ersten Teil unterzeichneten beide Parteien, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In einem zweiten Teil, der nochmals mit Ausgleichsquittung überschrieben war, bestätigte der Arbeitnehmer Folgendes:

 

Ich erkläre, dass ich Lohn- /Gehaltsansprüche für die Zeit bis 31. Oktober 2001 habe. (…) Keine Forderungen – ganz gleich aus welchem Rechtsgrunde – auch eventuelle Lohnfortzahlungsansprüche oder Rechte aus einem vertraglichen Wettbewerbsverbot habe, und alle meine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten sind.

 

Diesen zweiten Teil unterzeichnete allein der Arbeitnehmer nochmals gesondert. Er hat nun die Auffassung vertreten, sein Anspruch auf ein anteiliges 13. Monatsgehalt für 2001 bestehe trotz der Ausgleichsquittung, weil speziell über diesen Anspruch nicht gesprochen worden sei und insoweit nicht von einem Verzichtswillen ausgegangen werden könne. Klageweise machte er deshalb das anteilige 13. Monatsgehalt in Höhe von 2.449,94 € brutto nebst Zinsen geltend.

 

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie  hingegen abgewiesen.

 

Die Entscheidung:

 

In der Revision wurde die klageabweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts von dem Bundesarbeitsgericht bestätigt.

 

I. Ausgleichsquittung

 

Soweit in einer Ausgleichsquittung zwischen den Parteien abzuwickelnde Ansprüche als abgegolten bestätigt werden, kann die Ausgleichsquittung den Rechtscharakter eines Vergleichs, eines Erlassvertrages, eines deklaratorischen negativen Schuldanerkenntnisses oder eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses haben. Rechtscharakter und Umfang bestimmen sich durch Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles.

 

II. Weite Auslegung

 

Ausgleichsquittungen sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. In einem Aufhebungsvertrag wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche endgültig erledigen, gleichgültig oder sie an diese dachten oder nicht. Diesem Ziel dient auch eine Ausgleichsquittung.

 

III. Begleitumstände

 

Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf seine Rechte ist allerdings nach der Lebenserfahrung im Allgemeinen nicht zu erwarten und zu vermuten. Neben der Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung sind deshalb immer auch die Begleitumstände zu berücksichtigen, unter diesen sie abgegeben wurden.

 

IV. Verzichtswille?

 

Im vorliegenden Fall lagen die Begleitumstände so, dass ein Verzichtswille des Arbeitnehmers angenommen werden konnte. Unstreitig stand er bei der Unterzeichnung der Erklärung, die er durchgelesen hatte, nicht unter Zeitdruck. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Arbeitgeber etwa suggeriert hätte, es ginge nur um den Erhalt der Arbeitspapiere und der Abrechnung der letzten Monatsvergütung. Gerade wegen des gesonderten Teiles, der nochmals allein von dem Arbeitnehmer zu unterzeichnen war, ist diese Annahme ausgeschlossen. Zudem war das Arbeitsverhältnis im Interesse des Arbeitnehmers einvernehmlich vorzeitig beendet worden. Jedenfalls unter diesen besonderen Umständen dürfte ein sorgfältiger Erklärungsempfänger davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die ihrem Wortlaut nach umfassende Ausgleichsquittung erteilen und eine Abgeltung wirklich aller seiner Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bestätigen bzw. vereinbaren wollte. An dieser Erklärung muss er sich dann festhalten lassen.

 

Fazit:

 

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass die Unterzeichnung von Ausgleichsquittungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weitreichend Rechtsfolgen auslöst. Alle Ansprüche, die nicht ausdrücklich geregelt werden, werden regelmäßig von einer Ausgleichsquittung erfasst. Sprechen zudem die tatsächlichen Begleitumstände für einen entsprechenden Willen, können etwaige Ansprüche später nicht mehr geltend gemacht werden. Vor der Unterzeichnung einer Ausgleichsquittung kann deshalb beiden Seiten nur dringend empfohlen werden, alle noch offenen Ansprüche ausdrücklich zu regeln, um spätere Überraschungen zu vermeiden.

 

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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