27.04.2005

Die Leitsätze der Entscheidung des BGH vom 31. Januar 2005 – II ZR 240/02 zeigen schon sehr deutlich, dass der BGH seine Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz noch einmal verschärft. Konnte sich ein Gesellschafter im Fall der Insolvenz bisher noch vage auf den Grundsatz verlassen, daß die Gesellschafter lediglich gehindert seien, eigenkapitalersetzendes Vermögen abzuziehen, nicht aber auch die Pflicht hätten, zusätzliches Kapital nachzuschießen, so dürfte diese Hoffnung auch dahin sein.

Die Leitsätze lauten:

a)      Die mietweise Überlassung eines Grundstücks an eine GmbH kann eine eigenkapitalersetzende Leistung des Gesellschafters sein. In der Insolvenz über das Vermögen der GmbH hat der Insolvenzverwalter dann das Recht, das Grundstück für den vertraglich vereinbarten Zeitraum – bei einer mißbräuchlichen Zeitbestimmung für den angemessenen Zeitraum – unentgeltlich zu nutzen (Bestätigung von BGHZ 109, 55).

b)      Wird dem Insolvenzverwalter dieses Recht durch eine Beschlagnahme des Grundstücks im Rahmen einer Zwangsverwaltung entzogen, hat der Gesellschafter den Wert des Nutzungsrechts zu ersetzen (Bestätigung von BGHZ 127, 1; 127, 17).

c)      Das gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter das Grundstück an den Zwangsverwalter vor Ablauf der Mietzeit herausgibt.

d)      Der Ersatzanspruch setzt aber voraus, daß der Insolvenzverwalter das Grundstück, hätte er es nicht herausgegeben, tatsächlich hätte nutzen können, etwa im Wege der Untervermietung (Bestätigung von BGHZ 127, 1; 127, 17).

Die Anordnung der Zwangsverwaltung über Immobilien, die dem Eigenkapitalersatzrecht unterfallenden, kann also zu einer doppelten Inanspruchnahme des Eigentümers führen. Er kann das Grundstück nicht nutzen, sondern verliert die Mieterlöse an den Zwangsverwalter, und er muss dem Insolvenzverwalter zusätzlich noch die diesem infolge der Zwangsverwaltung entgangenen Mieten ersetzen.

Das begründet der BGH folgendermaßen.

Die mietweise Überlassung eines Grundstücks an eine GmbH stelle eine eigenkapitalersetzende Leistung des Gesellschafters dar, wenn sie während einer Krise der Gesellschaft erfolge oder nach Eintritt der Krise nicht beendet werde, obwohl das möglich sei. Der Gesellschafter ist dann verpflichtet, der Gesellschaft das Grundstück zur unentgeltlichen Nutzung für den vertraglich vereinbarten Zeitraum – bei einer mißbräuchlichen Zeitbestimmung für den angemessenen Zeitraum – zu belassen. Nach Insolvenzeröffnung hat der Insolvenzverwalter das Recht, das Grundstück unentgeltlich weiterzunutzen, sei es im Rahmen einer Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin, sei es durch Vermietung oder Verpachtung

(BGHZ 109, 55, 57 ff.; 127, 1, 7 ff.; 127, 17, 21 ff.; 140, 147, 149 f.).

Diese Überlassungspflicht trifft auch den nach Eintritt der Krise ausgeschiedenen Gesellschafter

(Sen.Urt. v. 9. Oktober 1986 – II ZR 58/86, NJW 1987, 1080, 1081; BGHZ 127, 1, 6 f.).

Im Falle einer Zwangsverwaltung des Grundstücks das Recht der Gesellschaft bzw. des Insolvenzverwalters zur unentgeltlichen Nutzung des Grundstücks mit dem Wirksamwerden der Beschlagnahme gemäß §§ 148, 152 Abs. 2, § 22 ZVG, §§ 1123, 1124 Abs. 2 BGB endet

(BGHZ 140, 147, 150 ff.; Sen.Urt. v. 31. Januar 2000 – II ZR 309/98, ZIP 2000, 455).

Danach war der Kläger [der Insolvenzverwalter] in dem hier maßgeblichen Zeitraum verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Miete an den Zwangsverwalter zu zahlen.

Nach der Rechtsprechung des Senats und den darauf aufbauenden Regeln der §§ 32 a, b GmbHG und 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO soll durch die Umqualifizierung von Gesellschafterleistungen in haftendes Kapital ausgeschlossen werden, daß sich der Gesellschafter im Falle eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Gesellschaft vorrangig vor oder gleichrangig mit den Gläubigern aus dem noch vorhandenen Gesellschaftsvermögen befriedigt. Zugleich soll verhindert werden, daß eine Krise der Gesellschaft durch Gesellschafterleistungen verschleppt und das verbliebene Vermögen zu Lasten der Gläubiger weiter verringert wird. Wenn der Gesellschafter die GmbH in der Krise fortführen will, muß er ihr zusätzliches Eigenkapital zuführen. Tut er das nicht, sondern beschränkt er sich darauf, sonstige Leistungen zu gewähren oder stehen zu lassen, werden diese Leistungen in Eigenkapital umqualifiziert

(BGHZ 109, 55, 57).

Der Gesellschafter ist nicht verpflichtet, Kapital nachzuschießen, wohl aber darf er das gewährte Kapital nicht abziehen

(BGHZ 127, 17, 23, 30).

Daraus folgt nach Auffassung des BGH für den Fall der Nutzungsüberlassung, daß der Gesellschafter in der Krise verpflichtet ist, der Gesellschaft das Wirtschaftsgut unentgeltlich zu belassen.

Diese Pflicht erfülle er nicht, wenn die Gesellschaft oder der Insolvenzverwalter nach Anordnung der Zwangsverwaltung Miete oder Pacht an den Zwangsverwalter zahlen muß. In diesem Fall sei der Gesellschafter daher nach allgemeinen Grundsätzen verpflichtet, der Gesellschaft oder dem Insolvenzverwalter die gezahlte Miete oder Pacht zu erstatten.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts [OLG Dresden] sei dieser Fall nicht vergleichbar mit der unentgeltlichen Übereignung eines mit Grundpfandrechten belasteten Grundstücks an die Gesellschaft. Bei einer Übereignung verliert der Gesellschafter das Eigentum an dem Grundstück. Bei der Nutzungsüberlassung behält er dagegen das Eigentum und wird durch die Miet- oder Pachtzahlungen an den Zwangsverwalter insofern begünstigt, als er dadurch von seinen Schulden gegenüber den Grundpfandrechtsgläubigern in entsprechendem Umfang befreit wird. Eine Erstattung dieser Zahlungen an die Gesellschaft oder den Insolvenzverwalter stelle sich deshalb auch nicht als eine Zuführung zusätzlichen Kapitals dar. Der Gesellschafter gleiche lediglich den Vorteil aus, den er durch die Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen erlangt hat.

Darin erschöpft sich die Ausgleichspflicht des Gesellschafters indes nicht. Auch wenn die Gesellschaft oder der Insolvenzverwalter – wie hier – keine Miete zahlt, wohl aber das Grundstück wegen der Zwangsverwaltung vorzeitig an den Zwangsverwalter herausgibt, schuldet der Gesellschafter einen Ausgleich.

Eine derartige Ausgleichspflicht hat der Senat bereits für den Fall festgestellt, daß dem Insolvenzverwalter das Grundstück ohne seinen Willen aus in der Sphäre des Gesellschafters liegenden Gründen entzogen wird, obwohl es ihm nach den Kapitalersatzregeln weiter hätte überlassen werden müssen. Dann ist der Gesellschafter nach den Regeln über Leistungsstörungen bei Sacheinlagen verpflichtet, den nicht verbrauchten Wert der Nutzung zu ersetzen

(BGHZ 127, 1, 14 f.; BGHZ 127, 17, 31).

Dem steht der Fall gleich, daß – wie hier – der Insolvenzverwalter das Grundstück vorzeitig herausgibt, um nicht den Mietansprüchen weiter ausgesetzt zu sei. Dem Insolvenzverwalter sei es nicht zumutbar, die Insolvenzmasse mit Mietansprüchen zu belasten in der vagen Aussicht auf eine Freistellung durch den Gesellschafter.

Wenn und soweit der Insolvenzverwalter dagegen weder Miete oder Pacht an den Zwangsverwalter zahlt noch das Grundstück an diesen herausgibt, besteht auch kein Ausgleichsanspruch gegen den Gesellschafter. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Insolvenzverwalter das Nutzungsrecht an dem Grundstück in dieser Zeit wirtschaftlich verwerten konnte. Das Risiko der Unverwertbarkeit trägt der Insolvenzverwalter und nicht der Gesellschafter

(BGHZ 127, 1, 14; BGHZ 127, 17, 31).

Wird das Gesellschaftsunternehmen von dem Insolvenzverwalter – wie hier – nicht fortgeführt und hat die Überlassung des Grundstücks auch sonst – etwa als Lagerfläche für die durch den Insolvenzverwalter zu verwertenden Wirtschaftsgüter – keinen Wert für die Insolvenzmasse, so bemißt sich der Ausgleichsanspruch nach der Miet- oder Pachthöhe, die der Insolvenzverwalter bei einer Untervermietung oder -verpachtung hätte erzielen können, wenn er das Grundstück nicht an den Zwangsverwalter herausgegeben hätte. Wäre das Grundstück in dieser Weise nicht zu nutzen gewesen – wie die Beklagten behaupten -, entfällt eine Ausgleichspflicht des Gesellschafters.

(Verfasser: RA & StB Andreas Jahn)

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