Seit dem 08.07.2004 gilt ein neues Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). In §7 des neuen UWG ist festgelegt, dass unlauter und damit wettbewerbswidrig handelt, wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt. Einen Anwendungsfall einer solchen unzumutbaren Belästigung hat der BGH in einer neueren Entscheidung (Urteil v. 09.09.2004 – I ZR 93/02 – Ansprechen in der Öffentlichkeit II) im Fall der gezielten Direktansprache von Passaten an öffentlichen Orten gesehen, wenn der Werbende für den Angesprochenen als solcher nicht eindeutig erkennbar ist.

Sachverhalt der Entscheidung:

Die Parteien waren Wettbewerber beim Vertrieb von Telekommunikationsdienstleistungen. Das beklagte Unternehmen ließ durch Mitarbeiter Passanten im Eingangsbereich eines Warenhauses gezielt und individuell ansprechen, um diesen die Vorzüge von sogenannten Pre-Selection-Verträgen zu schildern. Das klagende Unternehmen sah hierin eine wettbewerbswidrige Praxis und klagte auf Unterlassung.

Die Entscheidung des BGH:

Bereits mit Urteil vom 01.04.2004 (I ZR 227/01 – Ansprechen in der Öffentlichkeit I) hatte der BGH über einen fast identischen Fall zu entscheiden. In dem dortigen Verfahren urteilte der BGH, dass das gezielte individuelle Ansprechen von Personen an öffentlichen Orten grundsätzlich als wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG a.F. einzuordnen sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher eindeutig erkennbar sei.

Dieses Urteil hat der BGH in seiner jetzigen Entscheidung auch unter der Geltung des neu gefassten UWG bestätigt. Das gezielte und individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum sei auch nach neuem Recht grundsätzlich als eine unzumutbare Belästigung im Sinne der §§ 3, 7 Abs. 1 UWG n.F. anzusehen, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher eindeutig erkennbar sei.

Das gesetzliche Regelbeispiel des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG hielt der BGH nicht für einschlägig. Danach ist eine unzumutbare Belästigung dann anzunehmen, wenn bei einer Werbung erkennbar ist, dass der Empfänger der Werbung diese nicht wünscht. Dieser Fall lag nach Ansicht des BGH nicht vor, denn ein entgegenstehender Wille des Angesprochenen sei bei der individuellen Ansprache im öffentlichen Verkehrsraum nicht erkennbar. Allerdings sei eine unzumutbare Belästigung im Sinne der Generalklausel des §7 Abs.1 UWG gegeben.

Der BGH nimmt – wie auch in der zitierten Vorentscheidung – an, dass das unlautere Moment der Werbung nicht darin zu sehen sei, dass bei einem erheblichen Teil der Angesprochenen eine psychische Zwangslage geschaffen würde und diese durch die Ansprache eher geneigt seien, auf ein beworbenes Angebot einzugehen. Die Unlauterkeit sei vielmehr darin zu erblicken, dass die gezielte und individuelle Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten eine unerbetene Kontaktaufnahme und damit ein belästigender Eingriff in die Individualsphäre des Umworbenen sei. Der Passant würde in seinem Bedürfnis, auch im öffentlichen Raum möglichst ungestört zu bleiben, beeinträchtigt. Der Werbende mache sich in einem solchen Fall, wenn er nicht als solcher eindeutig erkennbar sei, den Umstand zunutze, dass es einem Gebot der Höflichkeit unter zivilisierten Menschen entspräche, einer fremden Person, die sich beispielsweise nach dem Weg erkundigen möchte, nicht von vorneherein abweisend und ablehnend gegenüberzutreten. Darin sei ein unlauteres Erschleichen von Aufmerksamkeit für die eigenen, zunächst verdeckt gehaltenen gewerblichen Zwecke zu sehen. Die belästigende Wirkung sei zwar in der Regel nur gering. Eine Werbemethode, bei der ein belästigendes Verhalten allerdings bewusst und gezielt angewandt würde, widerspräche gleichwohl dem Gebot des § 7 Abs. 1 UWG.

Fazit:

Unter Berücksichtigung dieses Urteils sollte bei Direktmarketingaktionen in Fußgängerzonen und an anderen öffentlichen Plätzen darauf geachtet werden, dass der Werbecharakter der Aktion für das angesprochene Publikum eindeutig erkennbar ist. Unter dieser Voraussetzung besteht nach Ansicht des BGH für das Publikum die Möglichkeit, sich der Werbung ohne Weiteres zu entziehen. Ein unlauteres Verdecken der eigenen gewerblichen Zwecke ist in diesem Fall nicht gegeben.

Verfasser: Rechtsanwalt Stephan Dornbusch

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