Die §§ 74 ff. HGB gelten vorrangig für Arbeitnehmer. Das Bedürfnis, nachvertragliche Wettbewerbsverbote zu vereinbaren, besteht aber nicht nur für Arbeitnehmer, sondern vielmehr auch für freie Mitarbeiter. Gerade bei diesen besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass nach Vertragsbeendigung Wettbewerb betrieben wird. Viele Auftraggeber vereinbaren deshalb mit freien Mitarbeitern nachvertragliche Wettbewerbsverbote. Die Praxis vereinbart dabei immer wieder Wettbewerbsverbote ohne Entschädigungsklausel. Dieses Vorgehen ist mit erheblichen Risiken belastet, denn die Gerichte verlangen regelmäßig auch die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung bei Vereinbarungen mit freien Mitarbeitern. Nachfolgend geben wir einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung.
I. Grundsätze
Die Regeln über nachvertragliche Wettbewerbsverbote in den §§ 74 ff. HGB gelten ihrem Wortlaut nach nur für Handlungsgehilfen im Sinne von § 59 HGB. Das Bundesarbeitsgericht wendet aber in ständiger Rechtsprechung die Vorschriften auf alle Arbeitnehmer entsprechend an.
Hingegen gelten die §§ 74 ff. HGB nicht für Handelsvertreter. Für diese gilt die Spezialregelung in § 90 a HGB.
II. Anwendbarkeit auf freie Mitarbeiter
Freie Mitarbeiter sind keine Arbeitnehmer. Die §§ 74 ff. HGB sind daher auf freie Mitarbeiter vom Grundsatz her nicht anzuwenden. Dieser Grundsatz wurde allerdings in zahlreichen Urteilen beschränkt.
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Grundsatzurteil aus dem Jahre 1998 entschieden, dass die Regelungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote auch auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter entsprechend anzuwenden sind. Bei diesen Personen bestehe ein vergleichbares Schutzbedürfnis wie bei Arbeitnehmern.
Der Bundesgerichtshof hat sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Jahre 2003 ausdrücklich angeschlossen. Wegen des vergleichbaren Schutzbedürfnisses bestehen damit sowohl nach dem BGH als auch nach Auffassung des BAG keine Bedenken, die §§ 74 ff. HGB auch auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter zu übertragen (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 21.01.1997 – 9 AZR 778/95 -, DB 1997, 1979; Bundesgerichtshof, Urt. v. 10.04.2003 – III ZR 196/02 -, NJW 2003, 1864).
Das OLG Düsseldorf und das Landesarbeitsgericht Köln haben in zwei aktuellen Entscheidungen diese Rechtsprechung bekräftigt und ausdrücklich bestätigt OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.09.2004 – 6 U 38/04 -, NJW-RR 2005, 119; Landesarbeitsgericht Köln, Urt. v. 23.01.2004 – 4 Sa 988/03 -, zitiert nach juris).
III. Rechtsfolgen einer entschädigungslosen Vereinbarung
Wird mit freien Mitarbeitern ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Entschädigungsklausel vereinbart, ist dieses Wettbewerbsverbot in entsprechender Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB unwirksam. Zwar gilt allgemein bei Wettbewerbsverboten der Grundsatz, dass bei einer unwirksamen Vereinbarung dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zusteht (vgl. § 75 d HGB). Der Arbeitnehmer kann es dann also entweder bei dem Wettbewerbsverbot belassen oder er kann sich unter Verlust der Karenzentschädigung davon lösen. Fehlt allerdings eine Verpflichtung zur Karenzentschädigung gänzlich, ist für die Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers bzw. des freien Mitarbeiters nach § 75 d HGB kein Raum. Die unverbindliche Vereinbarung kommt dann einer nichtigen gleich. Auch dem Auftraggeber steht daher in solchen Fällen das Recht zu, sich auf die Unwirksamkeit der Klausel zu berufen.
Aber:Diese Unwirksamkeit entbindet den freien Mitarbeiter von jeglicher Bindung an das Wettbewerbsverbot. Die Vereinbarung ist damit für den Auftraggeber nutzlos.
IV. Vereinbarung einer geringeren Karenzentschädigung möglich?
Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ist nach § 74 Abs. 2 HGB nur verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber / Auftraggeber verpflichtet, für die Dauer des Verbotes eine Entschädigung von mindestens 50 % der zuletzt bezogenen Vergütung möglich zu zahlen. Da die Regeln der §§ 74 ff. HGB aber nur entsprechendauf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter angewandt werden, stellt sich die Frage, ob auch eine geringere Entschädigung vereinbart werden kann.
Der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht hatten sich (soweit ersichtlich) mit dieser Frage noch nicht zu befassen. Diesen Urteilen ist vielmehr der Grundsatz zu entnehmen, dass ohne die notwendige Entschädigungsklausel nach § 74 Abs. 2 HGB das Wettbewerbsverbot nichtig ist. Ein ausdrücklicher Hinweis fehlt aber.
Etwas anderes ist allerdings der bereits in Fußnote 3 zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu entnehmen. Das OLG im Wortlaut:
„Dem Umstand, dass das Wettbewerbsverbot den Kläger vorliegend möglicherweise weniger stark beeinträchtigte, (…) hätte ausreichend durch die Höhe der Karenzentschädigung Rechnung getragen werden können“.
Diesem Hinweis lässt sich entnehmen, dass auch eine niedrigere Karenzentschädigung vereinbart werden kann. Allerdings korreliert die Höhe der Karenzentschädigung mit der Wettbewerbsbeschränkung. Je stärker das Wettbewerbsverbot in die Berufsfreiheit eingreift, desto höher muss die Karenzentschädigung ausfallen. Die Grenzen sind hier sicherlich fließend und hängen stark vom Einzelfall ab.
Hinweis für die Praxis:
Besteht die erhebliche Gefahr, dass ein freier Mitarbeiter Kunden abwirbt oder sich mit dem ihm bekannten Kundenstamm selbständig macht, sollte an der Höhe der Karenzentschädigung nicht gespart werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass ein Gericht die Vereinbarung insgesamt für unwirksam erklärt oder jedenfalls dem freien Mitarbeiter ein Wahlrecht einräumt.
Fazit:
Die strengen Regelungen der §§ 74 ff. HGB gelten auch für freie Mitarbeiter, die wirtschaftlich abhängig sind. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn dieser Mitarbeiter allein bei einem Auftraggeber beschäftigt wird und dort voll ausgelastet ist. Indizien für eine wirtschaftliche Abhängigkeit sind auch eine auf Dauer angelegte Tätigkeit und die fehlende Chance, die wirtschaftliche Tätigkeit durch eine Tätigkeit auch für andere Kunden zu sichern. In vielen Fällen ist die vertragliche Gestaltung ortsgebunden, was die Chancen des freien Mitarbeiters, gleichzeitig für andere Kunden tätig zu werden, ebenfalls erheblich einschränkt. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht auch dann, wenn freie Mitarbeiter ähnlich wie Arbeitnehmer in die betrieblichen Abläufe eingegliedert werden und mit diesen Arbeitszeiten, Urlaub etc. abstimmen. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der freie Mitarbeiter also wirtschaftlich abhängig, sollte man sich bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes eng an den §§ 74 ff. HGB orientieren.
Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen
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