13.06.2005 -

Der E-Mailverkehr gehört mittlerweile zum betrieblichen Alltag. Dies gilt auch für die Arbeit mit dem Betriebsrat. Dies hat auch Auswirkung auf die Mitbestimmungsrechte. Das Bundesarbeitsgericht hat bislang lediglich entschieden, dass auch eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats durch Telefax wirksam ist (BAG, Beschluss vom 11.06.2002 – 1 ABR 42/01 -, NZA 2003, 226 = B+P 2003, 252). Mit einem Betriebsratswiderspruch per E-Mail musste sich das BAG bislang noch nicht auseinandersetzen. Das Landesarbeitsgericht Erfurt hat in einem für die betriebsverfassungsrechtliche Praxis wichtigen Beschluss nunmehr klargestellt, dass eine Zustimmungsverweigerung per E-Mail nicht ausreichend ist (LAG Erfurt, Beschluss vom 05.08.2004 – 2 Ta BV 2/04 -, LAGE § 99 BetrVG 2001 Nr. 2 ;Rechtsbeschwerde zum BAG eingelegt unter dem Az: 8 ABR 52/04).

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der Arbeitgeber hatte am 25. März 2003 – zunächst per E-Mail, später auch per Post – beim Betriebsrat die Zustimmung zur Eingruppierung eines Mitarbeiters beantragt. Der Betriebsrat tagte am 1. April 2003 und informierte noch am gleichen Tag den Arbeitgeber ebenfalls per E-Mail über die Beschlüsse. Eine begründete Zustimmungsverweigerung folgte einige Tage später am 4. April 2003 ebenfalls per E-Mail. Das Original dieser Zustimmungsverweigerung ging bei dem Arbeitgeber erst am 9. April 2003 ein.

In dem Beschlussverfahren streiten die Parteien nun darüber, ob der Betriebsrat seine Zustimmung fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verweigert hat bzw. die Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG eingetreten ist. Dabei kam es entscheidend auf die Frage an, ob die Zustimmungsverweigerung per E-Mail überhaupt möglich ist. Das Arbeitsgericht hat dem Arbeitgeberantrag auf Zustimmungsersetzung stattgegeben.

Die Entscheidung des LAG:

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Zustimmung bei personellen Maßnahmen notwendig

Kommt es zu einer der in § 99 Abs. 1 BetrVG genannten personellen Maßnahmen (Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung, Versetzung), kann diese nur nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrats tatsächlich durchgeführt werden. Der Arbeitgeber hat daher dem Betriebsrat die erforderlichen Unterlagen vorzulegen und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme vorher einzuholen.

Verweigert der Betriebsrat unter Hinweis auf einen der Verweigerungsgründe in § 99 Abs. 2 Ziffern 1 bis 6 BetrVG seine Zustimmung, hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen. Äußert sich der Betriebsrat hingegen nicht innerhalb dieser Wochenfrist oder versäumt er die Frist, gilt die Zustimmung nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt mit der Folge, dass die Maßnahme dann auch ohne Zustimmung durchgeführt werden kann (Fiktion).

II. Angabe von Gründen erforderlich

Die Verweigerung der Zustimmung muss unter Angabe von Gründen erfolgen. Eine nicht ordnungsgemäß begründete Zustimmungsverweigerung ist unbeachtlich. Selbst wenn tatsächlich Verweigerungsgründe vorliegen, gilt mit Ablauf der Wochenfrist die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt, wenn die Gründe nicht genannt wurden. Das BAG ist allerdings bei einer vom Betriebsrat vorgetragenen Begründung großzügig, soweit diese es als möglich erscheinen lässt, dass einer der Gründe des Absatzes 2 geltend gemacht wird. Nur eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist unbeachtlich. Es ist daher dem Betriebsrat dringend zu empfehlen, eine Zustimmungsverweigerung so konkret wie möglich zu formulieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Zustimmungsfiktion eintritt.

III. Erforderlich der Schriftlichkeit

Die Zustimmungsverweigerung muss nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG schriftlich erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Grundsatzbeschluss vom 11. Juni 2002 dabei festgestellt, dass dieses Schriftformerfordernis nichtder gesetzlichen Form des § 126 Abs. 1 BGB genügen muss. Diese gesetzliche Schriftform ist nur dann eingehalten, wenn das Schriftstück mit einer eigenhändigen Unterschrift des Erklärenden abschließt und dem Empfänger dann auch im Original mit dieser Unterschrift zugeht (bspw. wie bei einem Kündigungsschreiben, § 623 BGB). Bei einem E-Mail oder Telefax ist diese gesetzliche Schriftform jedoch nicht erfüllt, denn der Empfänger erhält entweder ein elektronisches Dokument oder eine Kopie; in beiden Fällen erhält der Empfänger keine Originalunterschrift.

Das BAG hat jedoch in der genannten Entscheidung ausdrücklich entschieden, dass die Zustimmungsverweigerung nicht der strengen gesetzlichen Schriftform genügen muss. Die Verweigerung der Zustimmung ist kein Rechtsgeschäfte im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB. Vielmehr stellt sie lediglich eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung dar.

Das Landesarbeitsgericht Erfurt hat nun aber klargestellt, dass diese Rechtsprechung nicht auf eine Übersendung per E-Mail angewandt werden kann. Die Geltendmachung durch Telefax ist nur deshalb ausreichend, weil bei einer per Fax übersandten Kopie durch die übermittelte Unterschrift die Identität des Erklärenden ausreichend erkennbar ist. Zudem werden durch die Unterschrift auf der Faxkopie die Urkunde räumlich abgeschlossen. Auf diese Identitätsfunktion habe aber das BAG nicht verzichtet. Eine E-Mail erfülle diese Anforderungen nicht. Das Arbeitsgericht Bielefeld hat die Auffassung des LAG Erfurt ebenfalls in einer anderen Entscheidung, die wir hier bereits besprochen haben, vertreten (Arbeitsgericht Bielefeld, Beschluss vom 15.01.2003 – 3 BV 78/02 -, NZA-RR 2004, 88 = B+P 2004, 320).

Hinweise für die Praxis:

Der Betriebsrat hat gegen die Entscheidung des LAG Erfurt Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht eingelegt. Es ist daher in Kürze mit einer Grundsatzentscheidung des BAG zu rechnen, über die wir Sie zeitnah informieren werden.

Der E-Mailverkehr gehört zum betrieblichen Alltag. Wir halten es daher für gerechtfertigt, dass auch der Betriebsratswiderspruch per E-Mail zulässig und möglich ist. Die Identitätsfunktion ist durch die Absenderkennung bei einem E-Mail gewahrt. Der Praxis ist dennoch zu empfehlen, bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BAG mitbestimmungsrelevante Entscheidungen nach § 99 BetrVG auf dem Postwege oder jedenfalls per Telefax zuzustellen. Alternativ bleibt nur die elektronische Schriftform nach § 126 a BGB. Dies setzt allerdings voraus, dass elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen werden. Versender und Empfänger müssen über eine entsprechende Chipcard sowie über einen besonderen persönlichen Schlüssel verfügen. In der Praxis hat sich diese elektronische Schriftform bislang noch nicht durchgesetzt.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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