15.06.2005 -

Wer kann sich nicht erinnern. Während der Schulzeit wurde auf heiße Tage im Hochsommer regelmäßig mit „Hitzefrei“ reagiert. Die Schüler (und auch die Lehrer) durften nach Hause gehen und die Fehltage mussten nicht nachgeholt werden.

Der so genannte Jahrhundertsommer hat auch die Frage nach den arbeitsrechtlichen Konsequenzen überhitzter Arbeitsräume aufgeworfen. Welche Grundsätze gelten und zu beachten sind, wollen wir nachfolgend im Überblick darstellen.

I. Grundsätze

Spezielle arbeitsrechtliche Regelungen existieren nicht. Dies ist allerdings auch nicht notwendig, denn die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet es gegenüber jedem Arbeitnehmer, Arbeitsräume so einzurichten, dass Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind. Dies folgt im Übrigen auch aus der allgemeinen Vorschrift des § 618 BGB.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Vorschrift des § 4 Arbeitsschutzgesetz hinzuweisen. Danach hat der Arbeitgeber die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.

Spezielle Regelungen finden sich auch in der im Jahre 2004 in Kraft getretenen Neuregelung der Verordnung über Arbeitsstätten, dort insbesondere in § 6.

Eine weitere Konkretisierung ist in der Arbeitsstätten-Richtlinie Raumtemperaturen (ASR 6) erfolgt. Dort ist in Ziffer 3.3 folgendes geregelt:

„Die Lufttemperatur in Arbeitsräumen soll +26 Grad nicht überschreiten. Bei darüber liegender Außentemperatur darf in Ausnahmefällen die Lufttemperatur höher sein“.

Weiter sieht Ziffer 3.4 vor:

„An Fenstern, Oberlichtern oder Glaswenden sind wirksame Schutzvorrichtungen gegen direkte Sonneneinstrahlung vorzusehen.“

Die vorgenannten Regelungen enthalten insgesamt keine konkreten Handlungspflichten für den Arbeitgeber und regeln auch nicht etwaige Sanktionen für den Fall eines Verstoßes. Für die Frage, welche Rechtsfolgen bei stark erhöhten Temperaturen eintreten, kann daher nur auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden, wobei freilich insbesondere die ASR 6 Anhaltspunkte für einen Grenzwert geben.

II. Leistungsverweigerungsrecht bei großer Hitze?

Bei unzumutbaren Arbeitsbedingungen haben Arbeitnehmer das Recht, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten ohne den Lohnanspruch zu verlieren. Der in ASR 6 genannte Grenzwert von 26 Grad könnte dabei den Ausschlag für eine zulässige Arbeitsverweigerung geben, wenn also die dort genannte Temperatur überschritten wird. Auf der anderen Seite handelt es sich nur um eine Sollvorschrift und dem Arbeitnehmer wird es auch zuzumuten sein, den Arbeitgeber zunächst zu entsprechenden Schutzmaßnahmen anzuhalten und aufzufordern, bspw. die Anbringung von Fensterläden, Installation von Klimaanlage oder Ventilatoren. Der Arbeitgeber kann im Übrigen auch nicht für erhöhte Außentemperatur, auf die er keinen Einfluss hat, verantwortlich gemacht werden, wenn diese sich auch auf die Raumtemperatur der Arbeitsräume auswirkt.

Hinweis für die Praxis:

Arbeitnehmern ist davon abzuraten, im Falle überhitzter Arbeitsräume die Arbeitsleistung zurückzuhalten. Das Risiko der Fehleinschätzung trägt allein der Arbeitnehmer und das Arbeitsverhältnis wird unnötig gefährdet. Dies gilt umso mehr, als der Arbeitgeber auf die Auswirkungen erhöhter Außentemperatur keinen Einfluss hat. Vielmehr sollte hier das Gespräch gesucht werden und ggf. empfiehlt es sich, die Arbeitszeit – wie auch in südlichen Ländern – der Außentemperatur anzupassen.

Eine Rechtspflicht des Arbeitgebers ist damit abzulehnen. Allerdings besteht ein nicht unerhebliches Eigeninteresse, für ein gutes „Klima“ im Betrieb zu sorgen. Bekanntermaßen führen hohe Lufttemperaturen in Arbeitsräumen zu Müdigkeit, Konzentrationsschwächen, Flüssigkeitsverlust und Herz-Kreislaufstörungen. Die körperliche Leistungsunfähigkeit der Mitarbeiter wirkt sich damit auch auf die Produktivität aus. Jeder verständige Arbeitgeber wird deshalb von sich aus bei erhöhter Hitze versuchen, Gegenmaßnahmen einzuleiten.

III. Konkrete Schutzgebote

Für bestimmte Beschäftigtengruppen bestehen konkrete Schutzgebote, die zwingend beachtet werden müssen. Dies gilt zunächst für Schwangere und stillende Mütter. Diese dürfen nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von Hitze ausgesetzt sind. Dies folgt aus den §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 3 Mutterschutzgesetz.

Wird einer Schwangeren zudem in einem ärztlichen Zeugnis attestiert, dass die Beschäftigung bei erhöhten Temperaturen für Mutter oder Kind gesundheitsgefährdend ist, besteht darüber hinaus einBeschäftigungsverbotgem. § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, über den Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen hinaus Mutterschutzlohn für die gesamte Dauer des Beschäftigungsverbotes zu zahlen (vgl. § 11 MuSchG).

FürJugendliche gilt die Sondervorschrift des § 22 Abs. 1 Ziffer 4 Jugendarbeitsschutzgesetz. Danach dürfen Jugendliche nicht mit Arbeiten, bei denen ihre Gesundheit durch außergewöhnliche Hitze gefährdet wird, beschäftigt werden.

Hinweis für die Praxis:

Sind Arbeitnehmer durch extreme Hitze körperlich beeinträchtigt, kann eine hitzebedingte Gesundheitsbeeinträchtigung vorliegen. Diese rechtfertigt eine Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber ist in solchen Fällen verpflichtet, bis zur Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu leisten.

IV. Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Ziffer 7 bei Maßnahmen im Rahmen der Vorschriften über den Gesundheits- und Arbeitsschutz mitzubestimmen. Wegen des dichten Netzes öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutzvorschriften ist allerdings der Gestaltungsraum der Betriebspartner stark begrenzt. Dennoch ist es möglich, dass die Betriebsparteien eine (freiwillige) Betriebsvereinbarung für den Umfang mit extremer Hitze abschließen. In einer solchen Betriebsvereinbarung könnten folgende Punkte geregelt werden:

–     Verlagerung der Arbeitszeit (mitbestimmungspflichtig auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG)

–     Verkürzung der täglichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG)

–     Betriebsferien (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG)

–     Einführung von Pausen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG)

–     Einsatz von Klimaanlagen, Luftbefeuchtern etc.

–     Anpassung der Bekleidungsvorschriften, bspw. Lockerung des Krawattenzwangs und sonstige Fragen der Arbeitskleidung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)

–     Besondere Essensregelungen, kostenlose Getränke, Anpassung des Kantinenspeiseplans

–     Weitere Schutzmaßnahmen

Die Beispiele zeigen, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen Mitbestimmungsrechten berührt sein kann. Dies hindert die Betriebspartner aber nicht, dennoch eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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