19.06.2005

Im Zusammenhang mit Franchise-Konzepten ist immer wieder zu hören, dass einige Systeme Lizenzverträge anbieten oder angeblich „nur ein Lizenzsystem“ sind. Lesen Sie hier, was sich dahinter verbirgt und auf was Sie achten müssen.

Um 1900 haben sich Juristen gern der lateinischen Sprache bedient – wohl um damit einen Bezug zu römisch-rechtlichen Traditionen herzustellen, sicherlich aber auch, um elitär zu wirken. Aus dieser Zeit stammt der Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ (frei übersetzt: „Die Verwendung der falschen Bezeichnung ist unschädlich“). Das bedeutet: Es kommt allein auf den Inhalt einer Vereinbarung an und nicht darauf, welchen Begriff die Vertragspartner als Überschrift gewählt haben. Meinen Studenten sage ich oft, dass man einen Franchise-Vertrag getrost mit der Überschrift „Ehevertrag“ versehen könnte. Wenn der Vertragstext ein Franchiseverhältnis regelt, spielt die falsche Überschrift keine Rolle. Oder anderes: „Nicht nur dort, wo Franchising drauf steht, ist auch Franchising drin.“ Man muss also immer sehr genau hinsehen.

Verkappte Franchise-Verträge

In der Praxis stecken hinter vielen angeblichen „Lizenz-Systemen“ in Wirklichkeit Franchise-Konzepte. Die Beweggründe der Systemzentrale, das Franchise-System in ein „Lizenz-System“ umzudeklarieren, sind sehr unterschiedlich. Oft unterliegen die Unternehmen dem Irrtum, die Haftungsrisiken für die Systemzentrale seien geringer und die „Lizenz-Nehmer“ hätten größere Freiheiten, wenn man die falsche Bezeichnung wählt. Diese Hoffnung ist natürlich nur dann – möglicherweise – berechtigt, wenn auch der Vertragsinhalt nicht dem Franchising zuzuordnen ist. Abgesehen davon gibt es auch Systeme, in denen man zwischen einer Tätigkeit als „Lizenz-Nehmer“ und „Franchise-Nehmer“ wählen kann. Bei näherer Betrachtung sind beide Vertragstypen eigentlich dem Franchising zuzuordnen. Dem Franchise-Geber geht es wohl eher um eine sprachliche Trennung – das ist rechtlich auch vollkommen in Ordnung.

Ungeklärte Definitionen

Das Verwirrspiel lässt sich sicherlich auch damit erklären, dass weder Franchising noch Lizenzvergabe spezialgesetzlich geregelt sind. Der Begriff „Franchising“ wird im Gesetz nirgendwo verwendet und das Wort „Lizenz“ wird nur im Markengesetz erwähnt. Wenn es keine gesetzlichen Definitionen gibt, kann auch niemand die Grenze zwischen Franchising und Lizenzvergabe offiziell festlegen.

Grundsätzlich ist eine Lizenz einfacher und statischer als eine Franchise. Unter einer Lizenz versteht man üblicherweise die vertragliche Einräumung eines Nutzungsrechts, z.B. an einer Marke, an einem Patent oder an einem Urheberrecht. Natürlich kann eine Lizenz auch ein ganzes Bündel solcher Rechte umfassen, die zusammen ein „Geschäftskonzept“ bilden. Ein Geschäftskonzept selbst – das für Juristen überwiegend aus Know-how besteht – kann nicht Gegenstand einer Lizenz sein. Know-how wird faktisch übertragen (durch Weitergabe von Wissen), nicht lizenziert. Dies ist einer der wesentlichen Unterschiede. Allerdings sind sich an dieser Stelle die Juristen keineswegs einig.

Der Begriff des Franchising

Nach dem verbreiteten Verständnis des Franchising betrifft eine Franchise die Nutzung eines Geschäftskonzepts durch einen selbständigen Franchise-Nehmer. Durch das einheitliche Auftreten und durch verbindliche Systemvorgaben wird der Eindruck eines Filialsystems erzeugt („Quasifilialität“ genannt). Know-how ist beim Franchising unentbehrlich. Niemand kann ein fremdes Geschäftskonzept selbständig anwenden, wenn er nicht gelernt hat, wie dies ablaufen soll. Ganz wichtig ist außerdem: Beim Franchising geht es um den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen. Der Franchise-Vertrag ist ein Vertriebsvertrag. Der „reine“ Lizenzvertrag hingegen nicht. Beim Franchising kommt außerdem das so genannte Franchise-Paket hinzu: Der Franchise-Geber unterstützt den Franchise-Nehmer z.B. mit kaufmännischer Beratung, Informationen, Produktentwicklung, Marketing, Warenwirtschaft, Bestellwesen, Einkaufsverhandlungen und Logistik. Diese Leistungen gibt es bei einem „reinen“ Lizenzvertrag nicht. Bei einem Lizenzvertrag geht es eigentlich nur um die Nutzung von Rechten.

Eine Ursache für die Begriffsverwirrung mag auch sein, dass jeder Franchisevertrag auch Lizenzelemente enthält. Die Franchise-Nehmer erhalten nämlich das Recht, die Marke des Franchise-Gebers und weitere Schutzrechte zu nutzen. Man könnte also sagen: In jedem Franchise-Vertrag steckt auch ein Lizenzvertrag. In einem „reinen“ Lizenzvertrag steckt hingegen nichts von einem Franchise-Vertrag.

Schauen Sie genau hin

Die Praxis geht mit den Begriffen „Franchise-Vertrag“ und „Lizenzvertrag“ eher willkürlich um. Bei den meisten angeblichen „Lizenzverträgen“ sind alle Elemente des Franchising zu finden. Das ist auch nicht zu beanstanden, denn schließlich gilt ja der alte Grundsatz „Die Verwendung der falschen Bezeichnung ist unschädlich“. Daraus folgt: Lassen Sie sich nicht von der Vertragsüberschrift ablenken – konzentrieren Sie sich auf die Vertragsinhalte. Für Juristen ist das seit über 100 Jahren eine Selbstverständlichkeit.

Verfasser: Rechtsanwalt Dr. Jan-Patrick Giesler

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