07.08.2005 -

Arbeitnehmer sind lediglich verpflichtet, die Arbeitsleistung an dem vertraglich vereinbarten Arbeitsort zu erbringen. Ist ein solcher Arbeitsort nicht vereinbart, kommt es immer wieder zu Streit, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer an einen weit entfernten Arbeitsort im Wege des Direktionsrechts versetzen möchte. Die Grenzen zwischen berechtigter Zurückhaltung der Arbeitsleistung und beharrlicher Arbeitsverweigerung sind dabei fließend. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz macht deutlich, dass insoweit das Einschätzungsrisiko in vollem Umfange beim Arbeitnehmer liegt (12.04.2005 – 2 Sa 950/04 -).

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber, einem Unternehmen der Zeitarbeitsbranche, als Gas- und Wasserinstallateur seit Mai 2000 beschäftigt. Der Arbeitgeber setzt bundesweit über 500 Arbeitnehmer ein. Die Zentrale befindet sich in Koblenz, in der etwa 100 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Daneben existieren noch sechs weitere Niederlassungen, vier im näheren örtlichen Bereich im Koblenz und zwei weiter entfernt, eine davon in Dresden.

Der Arbeitgeber kündigte zunächst Anfang des Jahres 2003 dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen. Im Berufungsverfahren wurde die Kündigung zurückgenommen. Dem Arbeitnehmer wurde nach Kündigungsrücknahme mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis fortbestehe und er wurde aufgefordert, sich einige Tage später zwecks Arbeitsaufnahme in Koblenz zur Arbeitseinteilung zu melden. Der Kläger erschien jedoch an diesem Tage nicht, da er einen Termin bei der Agentur für Arbeit wahrzunehmen hatte. Nur einen Tag später bot ihm der Arbeitgeber eine weitere Einsatzmöglichkeit in Dresden für den Folgetag an. Diesen Einsatz trat der Kläger ebenfalls nicht an. Auch den eine Woche später ebenfalls in Dresden angebotenen weiteren Einsatz lehnte der Arbeitnehmer mit dem Hinweis, er sei zu einem Einsatz nur am Sitz der Geschäftsstelle in Koblenz und einer Pendelentfernung dazu verpflichtet, erneut ab.

Daraufhin erteilte der Arbeitgeber eine Abmahnung wegen der Verweigerung des Einsatzes und forderte den Arbeitnehmer erneut auf, bis zum 30. Januar die Arbeit in Dresden aufzunehmen. Für den Fall der Arbeitsverweigerung drohte man ihm eine fristlose Kündigung an. Als der Arbeitnehmer auch hierauf nicht reagierte, wurde am 2. Februar 2004 das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos gekündigt.

Die hiergegen vor dem Arbeitsgericht erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts:

Das Landesarbeitsgericht hingegen hat das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Kündigung für wirksam erklärt.

I. Beharrliche Arbeitsverweigerung rechtfertigt außerordentliche Kündigung

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und auch der Instanzgerichte, dass im Falle einer so genannten beharrlichen Arbeitsverweigerung in aller Regel eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung ist gegeben, wenn in der Person des Arbeitnehmers bezogen auf den Willen eine Nachhaltigkeit vorhanden ist. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt, sondern die beharrliche Arbeitsweigerung setzt voraus, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt. Das Moment der Beharrlichkeit wird dadurch besonders stark hervorgehoben, dass ein Arbeitnehmer trotz einer vorhergehenden erfolglosen Abmahnung, in der ihm die Konsequenzen seines vertragswidrigen Verhaltens noch einmal ausdrücklich vor Augen geführt werden, an seiner vertragswidrigen Arbeitsverweigerung festhält. In einer solchen Situation ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen wird. Jedenfalls muss der Arbeitgeber sich dann nicht auf eine erneute Abmahnung verweisen lassen.

II. Aber: Arbeitsanweisung muss vom Direktionsrecht gedeckt sein!

Die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer auch verpflichtet ist, der Weisung des Arbeitgebers Folge zu leisten. Hierauf kam es im vorliegenden Fall an.

Nach Auffassung des LAG bestand eine solche Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme in Dresden. Unter Nr. 1 des Arbeitsvertrages war in Satz 4 zwischen den Parteien vereinbart, dass der Arbeitnehmer den Weisungen über Inhalt, Umfang und Einteilung der bei den Kunden zu verrichtenden Tätigkeiten „im gesamten Gebiet der Bundesrepublik“ nachkommen muss. Die Parteien hatten also einen bundesweiten Einsatz vertraglich vereinbart. Eine solche Vereinbarung ist in der Zeitarbeitsbranche auch nicht unüblich. Gerade in dieser Branche werden die Arbeitnehmer den Kunden des Unternehmens der Zeitarbeitsbranche zugewiesen, damit sie dort für einen grundsätzlich jeweils begrenzten Einsatzzeitraum ihre Arbeitsleistungen erbringen. Dem Inhalt des Arbeitsvertrages war damit eine Begrenzung des Arbeitsortes allein auf Koblenz nicht zu entnehmen.

Beachtung billigen Ermessens

Der Arbeitgeber hat nach § 106 Abs. 1 GewO Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen zu bestimmen, so weit im Arbeitsvertrag keine gegenteiligen Festlegungen getroffen sind. Geht man einmal davon aus, dass der Arbeitsvertrag den bundesweiten Einsatz grundsätzlich zulässt, müssen deshalb bei der Bestimmung des Ortes der Arbeitsleistung nicht nur eigene Interessen des Arbeitgebers, sondern auch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden. Dabei ist bei der vorzunehmenden Abwägung auf die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts abzustellen.

Der Arbeitgeber konnte den Arbeitnehmer im Raum Koblenz nicht mehr als Gas- und Wasserinstallateur einsetzen. Die insoweit vorhandenen Arbeitsplätze waren bereits seit längerer Zeit mit anderen Arbeitnehmern besetzt. Dies wurde sogar im Rahmen einer Beweisaufnahme bestätigt. Der Arbeitgeber war nicht verpflichtet, die bereits längere Zeit bei Kunden eingesetzten drei anderen Arbeitnehmer abzuziehen, um an ihrer Stelle den Kläger dort einzusetzen. Im Rahmen von § 106 GewO und der Prüfung des billigen Ermessens ist der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang nicht verpflichtet, die Grundsätze für eine Sozialauswahl entsprechend anzuwenden.

Weiterhin muss beachtet werden, dass bereits die Besonderheiten der Zeitarbeitsbranche sich durch einen kurzfristigen Einsatz von Arbeitnehmern bei unterschiedlichen Arbeitgebern auszeichnen. Dies macht schnelle Entscheidungsprozesse bei der Zuweisung von Arbeitnehmern zu Kunden oftmals unumgänglich.

Schließlich war zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, dass er bereit war, dem Arbeitnehmer entsprechende Fahrtkosten, Spesenleistungen und Übernachtungen zu erstatten. Auch hatte der Arbeitgeber sogar angeboten, der Arbeitnehmer solle seine Arbeit erst am darauf folgenden Montag gegen 12:00 Uhr in Dresden antreten, so dass er sogar noch Zeit hatte, mit modernen Reisemitteln erst am Montag morgen nach Dresden von seinem Wohnort Koblenz aus anzureisen. Vor diesem Hintergrund wertete das Landesarbeitsgericht das Verhalten sogar als permanente starke beharrliche Arbeitsverweigerung.

Hinweis für die Praxis:

Arbeitgeber sind grundsätzlich nicht berechtigt, Arbeitnehmer an anderen Arbeitsorten einzusetzen, wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart ist. Unklarheiten gehen in aller Regel zu Lasten des Arbeitgebers. Der vorliegende Fall macht aber deutlich, dass die Folgen eines Einschätzungsfehlers für den Arbeitnehmer besonders gravierend sind. Stellt sich im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens heraus, dass die Versetzung berechtigt ist, stellt die Ablehnung des Arbeitseinsatzes eine beharrliche Arbeitsverweigerung dar. Dies rechtfertigt nach Ausspruch einer vorherigen Abmahnung eine fristlose Kündigung.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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