14.08.2005 -

Der Arbeitgeber ist nach § 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, die Schulungskosten der Betriebsratsmitglieder zu tragen. Die Vorschrift ist von der Regelung in § 37 Abs. 6 BetrVG abzugrenzen, die lediglich die Befreiung der Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts regelt. Neben den Reisekosten sind grundsätzlich auch die Kursgebühren nach § 40 Abs. 1 zu erstatten. Einschränkungen ergeben sich aus dem Merkmal der Erforderlichkeit. Gestützt auf dieses Merkmal hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz die Erstattung von Schulungskosten bezogen auf ein Mobbing-Seminar abgelehnt (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.10.2004 – 10 TaBV 19/04 -, NZA-RR 2005, 376; andere Ansicht Arbeitsgericht Bremen, Beschl. v. 17.12.2003 – 9 BV 81/03 -, NZA-RR 2004, 538).

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsrat hat im Dezember 2002 die Teilnahme zweier Mitglieder an einem Seminar mit dem Titel „Mobbing I – Diskriminierung am Arbeitsplatz“ beschlossen. Das 4 ½ Tage dauernde Seminar fand in der Zeit vom 1. Dezember bis 5. Dezember 2003 statt.

Die Beteiligten stritten zunächst vor dem Arbeitsgericht über die Teilnahme an der Schulungsveranstaltung und die damit verbundene Freistellung der Betriebsratsmitglieder. Das Verfahren wurde schließlich nach übereinstimmender Erledigungserklärung in der Beschwerdeinstanz eingestellt.

Mit seiner weiteren Antragsschrift begehrte nun der Betriebsrat von der Arbeitgeberin, die den beiden Betriebsratsmitgliedern durch die Teilnahme an dem Seminar entstandenen Kosten zu erstatten. Das Arbeitsgericht hat diesen Anträgen stattgegeben.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts:

Das Landesarbeitsgericht hat eine Erstattungspflicht hingegen in der Beschwerde abgelehnt.

I. Konkreter Schulungsbedarf erforderlich

Die Vermittlung von Kenntnissen für die Betriebsratsarbeit ist erforderlich, wenn der Betriebsrat diese im Hinblick auf die betriebliche Situation benötigt, um seine derzeitigen oder künftig anfallenden Aufgaben sachgerecht bewältigen zu können. Dies verlangt die Darlegung eines aktuellen betriebs- oder betriebsratsbezogenen Anlasses aus dem sich der jeweilige Schulungsbedarf ergibt.

Dieser Angaben bedurfte es im vorliegenden Streitfall schon deswegen, weil auf der Veranstaltung kein Grundwissen vermittelt worden ist, bei dem eine nähere Darlegung der Erforderlichkeit der Wissensvermittlung regelmäßig verzichtbar ist. Vielmehr befasste sich die Schulung mit einem speziellen Thema, bei dem nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Betriebsrat dieses Wissen unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Lage zur sachgerechten Bewältigung seiner gesetzlichen Aufgabenstellung stets benötigt.

Hinweis für die Praxis:

Wird also auf Schulungen kein Grundwissen vermittelt, muss der Betriebsrat eine betriebliche Konfliktlage darlegen, aus der sich für ihn ein Handlungsbedarf zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgabenstellung ergibt und zu deren Erledigung er das auf der Schulung vermittelte Wissen benötigt. Dabei ist zu beachten, dass sich die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung bezieht, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats gegebenen Umstände eine derartige Entscheidung getroffen hätte. Die gerichtliche Prüfung hat also die Prüfungspflicht des Betriebsrats im Zeitpunkt seines Entsendebeschlusses zur Grundlage.

II. Mobbing-Schulung setzt Mobbing im Betrieb voraus

Macht der Betriebsrat konkreten Schulungsbedarf zu einem Mobbingseminar geltend, muss er darlegen, dass ausreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass Mitarbeiter tatsächlich Mobbing ausgesetzt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht schon jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen und / oder Vorgesetzten und Untergebenen den Begriff des Mobbings erfüllt. Kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen fehlt in der Regel schon die notwendige systematische Vorgehensweise, die für die Definition des Mobbings erforderlich ist.

Unter Mobbing versteht das Bundesarbeitsgericht das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte. Auch pauschale Behauptungen, Mitarbeiter fühlten sich gemobbt, reichen nicht aus.

Hinweis für die Praxis:

Die vorliegende Entscheidung kann auch auf andere Seminarthemen übertragen werden. Verlangt der Betriebsrat die Teilnahme an exotischen Seminaren, muss die Erforderlichkeit im Einzelfall geprüft und von dem Betriebsrat dargelegt werden. Ergibt sich ein konkreter betrieblicher Handlungsbedarf, ist der Betriebsrat freizustellen und sind die Kosten zu erstatten.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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